VfB Stuttgart-Manchester United:Die "Jungen Wilden" erobern Europa

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In einem begeisternden Spiel hat der VfB Stuttgart das Team von Manchester United mit 2:1 besiegt. Damit erreicht der Aufstieg der Schwaben seinen vorläufigen Höhepunkt. Die beiden Tore erzielten Szabics und Kuranyi - innerhalb von zwei Minuten.

(SZ vom 02.10.2003) - Alex Ferguson, Trainer von Manchester United, war mit gehörigem Respekt vor der Arbeit des Kollegen Felix Magath nach Stuttgart gereist. Es könne ein langer Abend werden, hatte Sir Alex geargwöhnt - harte Arbeit bis zur letzten Minute gegen den Tabellenführer der Bundesliga. Die Prophezeitung erfüllte sich, und die Arbeit der Stars vom 15maligen englischen Meister sollte ohne Erfolg bleiben.

Grenzenloser Jubel nach dem 2:0 durch Kuranyi (Foto: Foto: dpa)

Mit einem 2:1 (0:0)-Sieg wahrte der VfB seine Chancen, Runde zwei der Champions League zu erreichen, und mehr als das: Mit dem Erfolg vor 50.000 begeisterten Zuschauern hat der VfB bei seinem unverhofften Aufstieg einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Stuttgart ist wieder eine feine Adresse im europäischen Fußball, und Felix Magath ein Trainer mit einem Namen. Womit solle er sich in diesem Kreis ausweisen, so hatte Magath vor diesem Spiel kokettiert: als Spezialist im Abstiegskampf? Das hat sich nun erledigt.

Kläglicher Ronaldo

Magath hatte seinem Team zunächst kontrolliertes Spiel verordnet, modernster Prägung, aber ohne große Spannungsmomente. Manchester wollte sich keine Blöße geben, und der VfB dachte nicht daran, den Gästen Raum für Konter zu gewähren. Die spielerischen Lichtblicke blieben selten im Dickicht der Taktik. Der junge Ronaldo, den Sir Alex für 17,5 Millionen von Sporting Lissabon hatte holen lassen, verdribbelte sich kläglich in den Duellen gegen Andreas Hinkel.

Auf der anderen Seite griff der ebenfalls 19-jährige, aber vom VfB wesentlich preisgünstiger verpflichtete Philipp Lahm weit aus produktiver an. Der Münchner, von den Amateuren des FC Bayern ausgeliehen, ließ mehrmals Gary Neville stehen. Horst Heldt, der Lahm auf der linken Seite zur Hilfe kam, leitete mit einer Flanke die erste Torchance der Stuttgarter ein, doch Stürmer Imre Szabics bugsierte den Ball per Kopf über das Tor (23.). Je länger das Spiel dauerte, desto mehr Mut für seine Solos fasste auch der Weißrusse Aliaksandr Hleb. Kurz vor dem Halbzeitpfiff spielte er an der Strafraumgrenze Szabics frei, doch der Ungar scheiterte mit seinem Schuss.

In dem Augenblick schienen die Stuttgarter ihren Respekt vor Englands Meister abgelegt zu haben. Mit Sturmgebraus kehrten sie aus der Halbzeitpause zurück. Paul Scholes musste kurz nach Wiederanpfiff per Kopf auf der Torlinie retten, nachdem Torwart Tim Howard an einem Eckball von Horst Heldt vorbei gesprungen war (47.).

Zwei Tore in zwei Minuten

Schon mit dem nächsten Angriff gingen die Stuttgarter in Führung. Fernando Meira drosch den Ball nach links an die Außenlinie, Lahm verlängerte per Kopf in die Sturmspitze - ausgerechnet Lahm, nur 1,70 groß -, und dort zog Szabics auf und davon.

Mit einem Schlenzer ins rechte untere Ecke vollendete der Ungar in der 50. Minute. Die Nahtstelle zwischen Ferdinand und O'Shea, den hoch gelobten Innenverteidigern, hatte sich als Schwachstelle erwiesen, und dort schlug der VfB zwei Minuten später noch einmal zu. Szabics verlängerte ein Zuspiel von Jurica Vranjes direkt auf Kevin Kuranyi und der traf über Howard hinweg mit seinem ersten Torschuss des Spiels zum 2:0.

Anschlusstreffer durch umstrittenen Elfmeter

Nun sollte der vielleicht schwierigere Part kommen: den Vorsprung eine halbe Stunde lang über die Zeit zu bringen. Den Holländer Ruud van Nistelrooy, in 35 Champions-League-Spielen 30 Mal erfolgreich, hatten Fernando Meira und Marcelo Bordon bis dahin sicher unter Kontrolle.

Ausgerechnet VfB-Torwart Timo Hildebrand ermöglichte ihm Treffer Nummer 31. Hildebrand lief Ronaldo am Fünf-Meter-Raum von hinten in die Beine - kein Foul, aber ein unprofessioneller Angriff, den der Portugiese zu einem Faller nutzte. Es war ein lächerlicher Elfmeter, den van Nistelrooy in der 67.Minute unter die Latte wuchtete. Würden die Stuttgarter einbrechen?

Wieder schien ihnen die Innenverteidigung von Manchester mit unfasslichen Aussetzern zu Hilfe zu kommen. Ferdinand sprang Kuranyi nach einer jähen Wendung wüst von der Seite in die Beine. Als Meira zum Elfmeter (80.) anlief, faltete hinten Timo Hildebrand die Hände zum Gebet, doch er wurde nicht erhört. Howard wehrte den Schuss des Portugiesen ins linke untere Eck ab. Hildebrand musste, zur Strafe für seinen Lapsus, noch 14 Minuten bangen. Dann wurde auch er erlöst.

VfB Stuttgart: Hildebrand-Hinkel, Meira, Bordon, Lahm (71. Gerber)- Vranjes (73. Tiffert), Heldt, Soldo, Hleb (87. Meissner)- Kuranyi, Szabics. Manchester United: Howard-Gary Neville, Ferdinand (82. Forlan), Silvestre, O'Shea (65. Fortune) - Scholes, Keane, Philip Neville, Ronaldo (91. Fletcher)- Giggs- van Nistelrooy. Schiedsrichter: Bolognino (Italien)

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