U21-Nationalmannschaft:Dribbeln ausdrücklich erwünscht

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Bei einigen Klubs im Gespräch: Felix Uduokhai. (Foto: Nicolas Armer/dpa)

Das 3:0 gegen Mexiko zeigt, dass Trainer Stefan Kuntz sich die Kritik am deutschen Fußballnachwuchs zu Herzen genommen hat. Die deutsche Auswahl soll "offensive Lösungen suchen". Besonders die Debütanten überzeugen.

Von Leon Wohlleben, Fürth

Das Tor in der 50. Minute hätte sein Moment werden können. Aber aus dem Volleyschuss, an dem sich Felix Uduokhai versuchte, wurde ein Luftloch, er touchierte den Ball nur leicht. Den Treffer zum 2:0 machte dann sein Kollege Aaron Seydel von Holstein Kiel, dem der Ball vor die Füße gefallen war. Es war die verpasste Krönung des Abends von Uduokhai beim 3:0 der deutschen U21 im Test gegen Mexiko. Und doch war es eine der Geschichten des Spiels, dass Uduokhai als Innenverteidiger überzeugt hatte. Seine Leistung zeigte, welchen Wert die Nachwuchsauswahl des DFB für die größten deutschen Talente haben kann.

Uduokhai, 20, hat mit Beginn der neuen Bundesligasaison seinen Stammplatz beim VfL Wolfsburg verloren. U21-Cheftrainer Stefan Kuntz sprach nach dem Spiel von seinem Ziel: solche Erlebnisse vergessen zu machen. "Die Jungs sollen die Vereinsfestplatte rausmachen, wenn sie zu uns kommen", sagte er. Egal, ob sie mit positiven, negativen oder neutralen Gedanken von ihren Klubs zur U21 kommen würden, sie sollten sich einfach "diese leere Festplatte der U21 einschieben". Will man in dem IT-Jargon bleiben, ist Stefan Kuntz derjenige, der diese Festplatte der U21 regelmäßig formatieren muss. Oder für Fachfremde: Große Kader-Umbrüche sind für ihn Tradition.

Von dem U21-Team, mit dem Kuntz 2017 noch Europameister geworden ist, blieb am Freitag in Fürth nur Waldemar Anton von Hannover 96 übrig. Die Stützen und Kapitäne der vergangenen Jahre, Thilo Kehrer und Jonathan Tah, wurden mittlerweile in den Kader von Joachim Löw beordert, auch wenn sie immer noch für die U21 spielen dürften. Kai Havertz, 19, hat als großes Offensivversprechen des deutschen Fußballs gleich mal die U21-Klasse übersprungen und beginnt direkt in der A-Nationalmannschaft. Aus jenen Hochbegabten, die übrig bleiben, musste Stefan Kuntz nun sein Team zusammenstellen. Gegen Mexiko kamen in Arne Maier von Hertha BSC, Marco Richter vom FC Augsburg und Felix Uduokhai drei Debütanten hinzu.

"Die hätten sonst Ärger bekommen, wenn sie nicht versucht hätten, die offensive Lösung zu suchen"

Das zusammengewürfelte Team brauchte überraschend wenig Eingewöhnungszeit. Nach einigen unsauberen Angriffen war das 1:0 in der 23. Minute durch Jani Serra, den zweiten Kieler Spieler in der Mannschaft, der Aufwachmoment. Dann begann die DFB-Auswahl mit derartiger Dominanz zu spielen, dass die Mexikaner sich zeitweise nicht mehr mit dem Ball über die Mittellinie trauten. Kuntz wechselte zur Halbzeit fast das komplette Team aus, doch das gegenseitige Spielverständnis wurde eher noch besser, der Spielaufbau noch flüssiger. "Wir haben alle clevere Jungs im Kader, alle sind spielintelligent. Dann versteht man sich fast schon von alleine auf dem Platz", sagte Stürmer Seydel. Das 3:0 erzielte Schalkes Cedric Teuchert nach Vorlage von Marcel Hartel (Union Berlin) und Pascal Stenzel (SC Freiburg) und perfektem Umschaltverhalten nach eigenem Ballgewinn.

Es war ein gelungener Test vor dem EM-Qualifikationsspiel am Dienstag gegen Irland. Ein Test, der Raum für Experimente gab. Kuntz hatte den Auftrag an die "Spieler mit Eins-gegen-Eins-Qualitäten" erteilt, sich Dribblings zuzutrauen. "Die hätten sonst Ärger bekommen, wenn sie nicht versucht hätten, die offensive Lösung zu suchen", sagte Kuntz und lachte. Bei aller Lockerheit war die neue Taktik auch eine Reaktion auf die Kritik, die nach dem Vorrunden-Aus der Nationalelf bei der WM laut geworden war: Die jungen Generationen im deutschen Fußballnachwuchs seien zu taktikfixiert, hieß es da, Teams mit unbekümmerten Individualisten wie Frankreich mit einem Kylian Mbappé seien den deutschen Mannschaften weit voraus. "Daran haben wir uns definitiv orientiert", sagte Kuntz, der mit anderen Nachwuchstrainern des DFB eine eigene WM-Analyse aufgestellt hatte.

Kuntz scheint bereits einen Draht zu den neuen Nachwuchsspielern gefunden zu haben. Und bei Uduokhai sei ihm das leicht gefallen, sagte Kuntz. Der Fast-Toschütze, der in Wolfsburg bisher nur sechs Spielminuten in dieser Saison bekam, durfte als einziger die kompletten 90 Minuten durchspielen.

© SZ vom 09.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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