U21-EM in Deutschland:Verloren, aber nicht raus

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Gegen Schweden ändert U21-Trainer Stielike seine siegreiche Elf - und verliert 1:2. Die Tür zum Halbfinale im eigenen Land ist aber noch nicht ganz zugeschlagen.

Von Ulrich Hartmann

Ulli Stielike spielt gern Skat. Das hat mit dem Fußball zunächst nicht viel zu tun, doch am Sonntagabend hat der Bundestrainer der deutschen Unter-21-Junioren mit Groll in der Stimme auf sein Hobby verwiesen, und wie sich herausstellte, hatte seine Skatmetapher mehr mit den Geschehnissen im Mannheimer Carl-Benz-Stadion zu tun als beabsichtigt.

Deutschland hat im zweiten Spiel der Europameisterschaft gegen Schweden mit 1:2 (0:1) eine wichtige Partie verloren, und zwar deshalb, weil Stielike sich verzockt hat. Der 49-Jährige hatte etliche Trümpfe auf der Hand, aber er hat sie nicht gezogen. Nachdem die deutsche Mannschaft ihr EM-Auftaktspiel am Freitag gegen die Schweiz ansehnlich mit 2:1 gewonnen hatte, wechselte Stielike das Team komplett aus und veränderte es auf neun Positionen.

Der Skatspieler versagte

Er begründete das mit dem Kräfteverschleiß durch die hohe Spielfrequenz und damit, dass seine Mannschaft ausgeglichen stark sei. Dem destruktiven Konterspiel der Schweden war die neue Formation allerdings nicht gewachsen und ließ sich inspirationslos auskontern. Als Stielike gefragt wurde, warum er eine siegreiche Mannschaft komplett ausgetauscht und seine besten Spieler auf der Bank hatte sitzen lassen, nannte er die besagten Gründe und fügte hinzu, dass er als Skatspieler das Nachkarten nicht leiden könne.

Welche Formation wen hätte wann besiegen können oder nicht, sei ihm zu "hypothetisch", außerdem sei er zur Nachwuchsförderung eingestellt, "und da nützt es nichts, wenn ich die Spieler auf der Bank sitzen lasse". Unter diesen Umständen stellte sich allerdings die Frage: Will der Deutsche Fußball-Bund auch wirklich zum ersten Mal nach 16 Jahren wieder eine Mannschaft zu den Olympischen Spielen entsenden? Nach Athen dürfen im Sommer nur die ersten drei der acht Mannschaften.

Die Trainerweisheit, wonach ein siegreiches Team nicht verändert werden solle, muss für Stielike ja nicht unbedingt gelten angesichts seiner Verantwortung für den Nachwuchs. "Was man den erwachsenen Fußballern bei einem Turnier nie zumuten würde, das wälzt man auf die Jugendlichen ab", hat Stielike am Sonntag geschimpft und den Turniermodus mit fünf Spielen in zwölf Tagen kritisiert. Dass die deutsche Aufstellung in den ersten beiden Spielen "stark variieren" würde, hatte er aus diesem Grund schon vor dem Turnier angekündigt.

Lob für die Aufstellung - vom Gegner

Dass er aber die zum Auftakt siegreiche Formation auf die Bank setzen würde, hat dann doch überrascht. "Neun Veränderungen sind schon gravierend", sagte Mittelfeldspieler Thomas Hitzlsperger, der für Aston Villa spielt und gegen die Schweiz einer der Besten gewesen war. Die Schweden haben am Sonntag gegen Deutschland mit sieben Spielern jener Formation begonnen, mit der sie zum Turnierauftakt Portugal 3:1 besiegten.

Das erwies sich als Vorteil. "Dass das deutsche Team komplett ausgetauscht wurde, hat uns sehr überrascht", sagte Schwedens Torjäger Johan Elmander: "Gut für uns." Der deutsche Torhüter Tim Wiese enthielt sich einer Wertung: "Das war eine Entscheidung des Trainers, dazu sage ich lieber nichts."

Stielike hingegen ignorierte, dass seine gerechte Ader und die Angst um die Kräfte des Nachwuchses die Olympia-Teilnahme kosten könnten. Mittelfeldspieler Bastian Schweinsteiger, eines der Opfer des Komplettwechsels, hatte den Bolzplatz-Sozialismus des Bundestrainers schon verinnerlicht, als er bestätigte: "Du musst ja auch die anderen mal spielen lassen." Dass Fußballprofis seines Alters fünf Spiele in zwölf Tagen nicht bewältigen könnten, mochte der 19-Jährige allerdings nicht bestätigen.

Als gravierend hatte sich gegen die Schweden auch erwiesen, dass der Abwehrspieler Christoph Preuß, der einzige Feldspieler, der in beiden Startformationen stand, als Spielmacher im Mittelfeld die massiven Abwehrreihen der Schweden nicht hatte knacken können. Erst in den letzten zehn Minuten und nach der Hereinnahme der Spieler Auer, Schweinsteiger und Görlitz entwickelte die deutsche Mannschaft Druck, kam aber nur noch zum 1:2 durch Benjamin Auer (84.).

Dass das Halbfinale, für das die Schweden nun qualifiziert sind, ein realistisches Ziel geblieben ist, haben die Deutschen dem 2:2 zwischen Portugal und der Schweiz zu verdanken. Am Mittwoch (18.15 Uhr, live in Sat1) reicht Stielikes Elf in Mainz gegen Portugal ein Remis fürs Semifinale am Samstag.

"Vielleicht brennen die Spieler von der Bank gegen Portugal jetzt ein Feuerwerk ab", sagt Hanno Balitsch. Er rechnet damit, dass am Mittwoch wieder die siegreiche Elf vom Turnierauftakt ran darf. "Alles andere", sagt Balitsch, "wäre schwer zu verstehen."

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