U19-Meisterschaft:Gegen den Schimmel

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Das Nachwuchsleistungszentrum des TSV 1860 München leistet immer wieder Außergewöhnliches - trotz eines niedrigen Budgets und vieler Probleme mit der Infrastruktur.

Von Christoph Leischwitz

Während in anderen Vereinen Zehnjährige mit Blechbüchsen versuchen, Geld für die Jugendabteilung einzusammeln, tun das bei 1860 München 19-Jährige, die auf dem Sprung zur Profikarriere stehen. Im vergangenen Winter warben Lukas Aigner und Alexander Fuchs für eine Kampagne, die Geld für den neuen, dringend benötigten Kunstrasenplatz beschaffen sollte. Aigner spielt für die U21 in der Regionalliga Bayern. Und Fuchs spielt mit der U19 am kommenden Montag um den Einzug ins Finale um die deutsche Meisterschaft.

Die ersten Einnahmen aus dem Projekt reichten natürlich nicht annähernd aus, um die Kosten zu decken. Im April sollte mit dem Bau des Kunstrasenplatzes begonnen werden, passiert ist noch gar nichts. Das ist beispielhaft für den allgemeinen Zustand an der Grünwalder Straße: Die Jugendarbeit läuft erfolgreich, und das, obwohl die finanzielle Unterstützung viel zu wünschen übrig lässt.

Bestes Beispiel für den maximalen Erfolg mit bescheidenen Mitteln ist aktuell die U19 der Löwen. Am vergangenen Dienstag gewann sie überraschend das Halbfinal-Hinspiel bei Borussia Dortmund 2:1. Und egal, wie das Rückspiel am Montag im Sportpark Heimstetten östlich von München (14.30 Uhr) ausgehen wird: Was die Mannschaft mit ihrem Trainer Josef Steinberger bisher erlebt hat, bietet schon jetzt Stoff für Geschichten, die dem Verein mit den vielen Negativ-Schlagzeilen guttun. Nach einem frühen Rückstand kämpfte sich die Mannschaft im Bundesliga-Stadion vor über 15 000 Zuschauern zurück und glich kurz nach der Pause aus. Florian Neuhaus traf dann aus 50 Metern Entfernung zum Sieg, ein Treffer, erzielt mit der Energie eines tief sitzenden Selbstvertrauens. Sein Torjubel sorgte dann noch bundesweit für Aufsehen, weil ihm Schiedsrichter Sven Waschitzki dafür die gelb-rote Karte zeigte - Neuhaus hatte sich beim Jubeln auf die Werbebande gestellt, als er seinen Eltern auf der Tribüne zujubelte. Er fehlt nun im Rückspiel, doch Neuhaus fliegen Sympathien zu - die Entscheidung sei viel zu hart gewesen, finden nicht nur Sechzig-Fans.

In den Wochen zuvor hatte die Mannschaft nicht gut gespielt, ganz am Schluss hatte man sogar noch die Tabellenspitze an Hoffenheim verloren und war als Tabellenzweiter der Süd-/Südweststaffel ins Halbfinale gegangen. Auch deshalb, weil man in Moritz Heinrich den wichtigsten Stürmer und drei weitere wichtige Spieler verletzungsbedingt verloren hatte. "Aber das ist die Stärke dieses Jahrgangs: Der Kader hat überdurchschnittlich viele gute Spieler", sagt Wolfgang Schellenberg, Leiter des Nachwuchsleistungszentrums (NLZ). Der Erfolg der U19 sei auch ein Zeichen dafür, dass das gesamte NLZ gut arbeite, ein Großteil der Spieler "ist schon ewig dabei", so Schellenberg. Für ihn selbst gilt das in gewisser Weise auch: Er führte als Trainer 2006 die U17 zum Titel.

Es besteht bei Sechzig eine besonders große Diskrepanz zwischen den sportlichen Erfolgen im Nachwuchsbereich und der finanziellen Ausstattung. Auf der einen Seite könnte man sagen: Reicht doch! Mit dem geringen - und von Schellenberg grundsätzlich nicht bezifferten - Etat war es zum Beispiel 2013 gelungen, die U21 in der Regionalliga Bayern zum Meister zu machen, fast alle Spieler kamen aus der eigenen Jugend. Man scheiterte nur denkbar knapp am Aufstieg in die dritte Liga.

Man könnte aber auch sagen, dass der Verein sehr undankbar ist. Das zur Verfügung gestellte Geld reicht nicht, um dringende Sanierungen vorzunehmen. Auch die Naturrasenplätze bedürfen zusätzlicher Pflege, Schellenberg sieht zudem weiterhin Bedarf "im sanitären Bereich", wie er sagt. Immerhin hatte der Klub ein Einsehen, als vor rund zwei Jahren der Schimmel aus den Duschen entfernt wurde.

Mit dem geringen Etat schadet sich der Verein langfristig vor allem selbst. Angesichts der modernen Konkurrenzbetriebe, die etwa in Augsburg und Ingolstadt entstanden sind, bleibt den Löwen als Argument bei der Suche nach Talenten nur noch die hohe Durchlässigkeit zu den Profis. Und anderswohin: Die Spielergehälter im 1860-Nachwuchs sind niedrig, so dass im jeweiligen Vertragswerk keine adäquaten Ablösesummen und geringe Laufzeiten stehen. In diesem Sommer geht Richard Neudecker ablösefrei zu St. Pauli, auch der Vertrag von Heinrich läuft aus.

Schellenberg spricht nicht gerne über Geld. Es sei doch normal, dass sich ein NLZ mehr Geld wünsche, sagt er ins Telefon. Für einen Entscheider bei 1860 führt der sportliche NLZ-Leiter seine Abteilung ohnehin sehr unaufgeregt, er gilt als exzellenter Fachmann, doch Kritik an anderen hört man von ihm so gut wie nie. Alles scheint irgendwie vor sich hin zu funktionieren. Wäre ein Meistertitel nicht enorm wichtig für das NLZ als Ganzes? "Es geht ums Gewinnen, das ist ein Kriterium. Aber Titel sind nicht der Maßstab." Handelt es sich bei der U19 vielleicht um eine goldene Generation? "Alle Spieler müssen erst noch den Beweis erbringen, dass sie Herrenfußball spielen können." Ist es angesichts des Hypes nicht schade, dass man nur in Heimstetten spielen kann, vor 2500 Zuschauern? "Das haben wir ja schon vor zwei Wochen gewusst."

Es besteht allerdings eine gewisse Chance, Schellenberg am Montag beim ausgelassenen Jubeln zu sehen. Es ist ja nicht auszuschließen, dass die Spieler mit einem Titel zusätzliches Geld eintreiben. In Form einer Etaterhöhung.

© SZ vom 14.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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