1860 zu Hause Unentschieden:Gebolze reicht nicht

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Weil die Konkurrenz im Kampf gegen den Abstieg punktet, fällt 1860 München nach einem ideenarmen 1:1 gegen Arminia Bielefeld auf den Relegationsplatz zurück.

Von Philipp Schneider

Noch einmal legte sich Michael Liendl den Ball für einen Freistoß auf dem Rasen zurecht, noch einmal rotierte er ihn sanft in die optimale Position. Vier Schritte zurück, ein schneller Griff an den linken Ärmel, um dort das Trikot in einen faltenfreien Zustand zu streichen. Alles wie immer. Alles perfekt. Dann ein flinker Anlauf, ein Schuss - doch zu weit, zu hoch, zu langsam flog der Ball in die Arme von Wolfgang Hesl, Bielefelds Torwart, der ihn pflückte wie einen überreifen Apfel. Es war die letzte, durchaus sinnbildliche Szene eines tristen Fußballspiels. Dieses Unentschieden gegen einen Konkurrenten im Abstiegskampf der zweiten Liga war für den TSV 1860 München möglicherweise zu wenig. "Aber mehr als einen Punkt haben wir heute auch nicht verdient", analysierte Sechzigs Trainer Benno Möhlmann. "Wir waren nicht stabil."

Wenn im Fußball eine schöne Serie endet, ist das nie sonderlich erfreulich. Das Problem an diesem 1:1 (1:0) der Münchner gegen Bielefeld war allerdings nicht so sehr das Ergebnis, sondern die pomadige, überaus ideenarme Art und Weise, mit der Sechzig aufgetreten war. Einen einzigen Torschuss gaben die Münchner ab, nachdem sie Jan Mauersberger per Kopf früh in Führung gebracht hatte; den ersten und einzigen Eckball erlebten sie nach 86 Minuten. Viel zu wenig für eine Mannschaft, deren Aufwärtstrend seit dem Winter Liendl und seinen Standards zu verdanken war. "Wir waren gewarnt vor den Standards der Löwen", sagte Arminias Trainer Norbert Meier. Wäre er weniger höflich, hätte er gesagt: Wir wussten, dass die Münchner keinerlei Chancen haben werden, wenn wir ihnen keinerlei ruhende Bälle ermöglichen.

In den Katakomben der Arena herrschte gedrückte Stimmung. "Wir wollten den Abstand auf den FSV Frankfurt und Bielefeld verkürzen", sagte der stets melancholische Christopher Schindler: "Wenn man so lethargisch und unkonzentriert spielt, dann wird es natürlich schwierig."

Bei Sechzig funktioniert das Passspiel nicht - das ärgert Trainer Möhlmann besonders

Was im Gesamtbild vor der österlichen Länderspielpause außerdem stört: Jenes erstaunliche 4:3 der Düsseldorfer Fortuna am Samstag gegen Kaiserslautern unter ihrem eigentlich der Defensive verpflichteten neuen Trainer Friedhelm Funkel, den sie in seiner Zeit bei 1860 noch mit guten Argumenten "Beton-Friedl" getauft hatten. Auf zwei Punkte vergrößerte die Fortuna den Abstand auf den Abstiegs-Relegationsplatz, auf dem nun wieder 1860 zu finden ist.

Auch die Rückkehr von Kai Bülow ins Mittelfeld änderte nichts daran, dass bei Sechzig das Passspiel nicht funktionierte. Oder, wie Möhlmann referierte, "immer nur diese scheiß Querpässe gespielt" wurden, "anstatt nach vorne in die Räume zu gehen". Nach sechs Minuten fand immerhin mal ein Freistoß von Levent Aycicek den Schädel von Rubin Okotie, doch dessen Kopfball nicht das Tor. Mehr Spektakel gab es nicht; den Auftakt dieser Partie konnte man getrost als Gebolze bezeichnen.

Die Bielefelder pressten früh und kamen zu zwei Strafraumszenen, aber gefährlich wurde es zunächst nicht für Torhüter Stefan Ortega. Auch Bielefelds Wolfgang Hesl bekam erst nach 19 Minuten zu tun, und zwar, man ahnt es vielleicht, nach einem Freistoß von Liendl. Ein recht unglückliches Bild gab Hesl ab bei seinem Versuch, eine Kopfball-Verlängerung von Okotie im Stile eines Volleyballers über die Latte zu baggern. Mauersberger witterte die Chance und nickte den Ball über die Linie.

Offenbar beschwingt vom Vertrauen in die eigene Standardstärke und der Einsicht, dass Zweitliga-Abstiegskampf ein intellektuell wenig forderndes Geschäft ist, wagte sich Sechzig für wenige Minuten weiter vor in die gegnerische Hälfte. Der emsige Romuald Lacazette drosch knapp neben den Pfosten (22.). Dann aber zogen sich die Münchner wieder zurück - und verzettelten sich in Querpässen.

Um bis vors 60-Tor zu gelangen, dazu mangelte es der Arminia an technischem Vermögen. Zweimal probierte es Francisco Rodriguez daher aus der Distanz: Ortega faustete kurz vor der Pause erst einen Freistoß und dann einen Fernschuss zur Seite.

Da sich zu viel Passivität im Fußball meist schnell rächt, dauerte es nach Wiederanpfiff zehn Minuten, ehe sich Lacazette - beim Versuch, das Spielgeschehen auf die andere Seite zu verlagern - einen Fehlpass leistete. Michael Görlitz fing den Ball ab, marschierte über das halbe Feld und verwandelte trocken aus 25 Metern Entfernung (55.). Möhlmanns Reaktion: Er wechselte Milos Degenek für Gary Kagelmacher ein und Valdet Rama für Aycicek.

Doch weder brachte Degenek Stabilität ins wacklige Mittelfeld noch Valdet Rama Schwung in die Offensive. Stattdessen rettete Mauersberger in größter Not vor Fabian Klos (68.). Und zwei Minuten vor Schluss schlich noch Lacazette mit Gelb-Rot vom Platz. "Es war ein weiterer Punkt für unser Ziel, die Liga zu halten", sagte Möhlmann. Was dieser wert ist, weiß auch er erst in ein paar Wochen.

© SZ vom 21.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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