TSV 1860 München:Witze, Siege, heißer Tee

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Im Schatten des Bestechungsskandals ist die sportliche Krise des Vereins zu besichtigen.

Von Christian Zaschke

Ganz allmählich näherte sich das Knattern des Rasenmähers, klein klang es zunächst, wie eine entfernte Autobahn, dann wurde es ein größeres Geräusch, das sich ein wenig wichtig machte, schließlich schwoll es an zu einem mächtigen, wohlbeleibten Knattern, welches das gesamte Trainingsgelände des TSV 1860 München erfüllte, und in diesem Moment war Trainer Falko Götz nicht mehr zu verstehen.

Ganz allmählich entfernte sich dann das Knattern des Rasenmähers, aus der Fülle des Klangs wurde ein bescheidenes Geräusch, schließlich ein Murmeln. Falko Götz war wieder zu verstehen. In fünf Mikrofone sagte er, dass alle begriffen hätten, wie ernst die Lage sei, man werde das bereits am kommenden Wochenende sehen, dann gebe es keine Entschuldigungen mehr.

Netter Kontrast

Er sprach wie immer nach den Niederlagen, von denen es so viele gab zuletzt: ruhig, ein steter Rhythmus, ein netter Kontrast zum auf und ab des Rasenmähers. Alles Geräusch.

Der Trainingsplatz des TSV 1860 am Montagvormittag: ein bayrisches Idyll. Sonnenbeschienen unterm weiß-blauen Himmel, hier und da einige Menschen hingetupft, die Weißwürste zum Frühstück verzehren, und dort eine Gruppe, die Weißbiergläser so wonnevoll aneinander schlägt, als wär's die tollste Biergartenwerbung. Alles schöner Schein.

Es rumort

Im Inneren des TSV 1860 München rumort es wie nie seit dem Bundesligaaufstieg vor zehn Jahren. Am Sonntagabend in Stuttgart gab es auch Bilder, die dies illustrierten. Als die Mannschaft der Sechziger nach dem 0:2 (0:2) in Stuttgart die Heimreise antreten wollte, blockierten etwa 250 Fans die Ausfahrt.

Dabei ging es ihnen weniger um die Schlagzeilen produzierende Krise dieser Tage, den Bestechungsskandal um die Familie Wildmoser. Es ging ihnen um das, was im Schatten der Affäre um den mächtigen Präsidenten seit einiger Zeit zu besichtigen ist: die sportliche Krise der ersten Fußballmannschaft des Vereins.

Der Skandal trifft eine Mannschaft, die ohnehin taumelte. "Die Situation kann keine Entschuldigung sein", sagte Götz. Sie kann vor allen Dingen keine Erklärung sein, denn seit Wochen werden die sportlichen Probleme des Teams immer offenbarer. Götz sieht sie selbst: "Wir wollten hinten gut stehen, und das ist uns erst ganz gut gelungen. Aber im Spiel nach vorn haben wir uns selbst den Zahn gezogen."

Seit mehreren Spieltagen wird erschreckend deutlich, dass dem Spiel der Münchner jegliche Bindung von Abwehr und Angriff verloren gegangen ist. Stürmer zu sein in dieser Mannschaft ist in etwa so dankbar wie Fellmützen in der Wüste verkaufen zu müssen. Es ist eine traurige und einsame Aufgabe, oft vergehen Minuten, in denen Benjamin Lauth nicht in die Nähe des Balles kommt. Der junge Stürmer ist der Mann, von dem es in der Winterpause hieß, er allein sei Garant gegen einen Abstieg der Löwen. Nun nimmt er am Spiel unfreiwillig nicht mehr teil.

Manchester-Bezwinger

Das einzige, was den Sechzigern Hoffnung machte, war der Name des Gegners. Torhüter Michael Hofmann bemerkte: "Die haben auch Manchester United geschlagen." Trainer Götz stellte fest: "Gegen Stuttgart kann man verlieren." Man kann das in der Tat, doch wenn man dabei lediglich zweimal in Richtung des Stuttgarter Tores schießt, sich daraus in 90 Minuten genau eine Torchance ergibt und von einem konstruktiven Spielaufbau nichts zu sehen ist, dann ist die Niederlage aus Sicht der Münchner viel beunruhigender als es das schmeichelhafte Ergebnis ausdrückt.

Immerhin war Stuttgarts Trainer Felix Magath so freundlich zu behaupten: "Das war schwieriger, als es ausgesehen hat." Anschließend machte er sich über die Stuttgarter Journalisten lustig, die während der Saison stets von ihm gefordert hatten, er solle offen die Meisterschaft anpeilen. "Wir wollen Meister werden", sagte er, es gelang ihm, dabei vollkommen ernst zu bleiben, rhythmisch tunkte er einen Teebeutel in eine Tasse mit heißem Wasser.

"Ich bin guter Dinge, dass wir in diesem Jahr Deutscher Meister werden", führte Magath weiter aus. Nicht alle begriffen, dass Magath scherzte, schließlich beträgt der Rückstand auf Tabellenführer Bremen zwölf Punkte. Doch Falko Götz begriff, dass Magath gerade Witze machte, und dass er nur dabeisitzen konnte und warten, dass die Pressekonferenz ein Ende findet.

Einsamer Götz

Witze, Siege, heißer Tee - Welten lagen zwischen Magath und Götz, der sich in diesem Moment so einsam gefühlt haben mag, wie seine Stürmer zuvor auf dem Platz.

Götz schaute ein wenig abwesend als Magath sprach, er hörte nicht mehr richtig zu. Die Worte werden nicht mehr einzeln an sein Ohr gedrungen sein, eher als monotones Geräusch, als ein ruhiger Klang, der von allem kündete, was den Münchnern derzeit fehlt: Gelassenheit, Zuversicht, Perspektive und eine Prise Humor.

© SZ v. 16.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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