TSV 1860 im Abstiegskampf:Singen statt siegen, singen statt reden

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Nach dem miserablen 1:3 gegen Heidenheim dürfen die Münchner Löwen keine Interviews mehr geben, stimmen aber gemeinsam an: "Lasst uns froh und munter sein!"

Von Johannes Kirchmeier, München

So ganz, wie sie sich das vorstellen, klappt es derzeit nie bei den Sechzigern: Um Punkt 18.60 Uhr sollte am Samstagabend Anstoß beziehungsweise Ansingen beim dritten Adventssingen der Münchner Löwen im Stadion an der Grünwalder Straße sein. Tatsächlich begonnen hat es dann um 19.03 Uhr, also 18.63 Uhr - mit dem "Sechzger Marsch", den Trainer Benno Möhlmann und seine Spieler vor den Fans angestimmt haben. Was ja schon eine etwas seltsame Situation in diesen Tagen ist, in denen die Spieler keine Interviews geben sollen. Das Giesinger Kontrastprogramm lautet: singen statt reden. Es ist eine eigene Art, mit einer bislang äußerst schwachen Saison umzugehen.

Noch skurriler wird es dann, als Möhlmann, sein Team, eine Blaskapelle und ein paar Hundert Anhänger lächelnd im Kerzenschein das zweite Lied des Abends anstimmen: "Lasst uns froh und munter sein!" Zur Erinnerung: Der TSV 1860 München ist aktuell Vorletzter der 2. Bundesliga, sein Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz beträgt fünf Punkte, am Freitagabend spielte der Knabenchor des TSV richtig schlecht gegen den FC Heidenheim und verlor 1:3. Froh und munter dürften im Umfeld der schon wieder stark abstiegsbedrohten Münchner Löwen aktuell nicht mehr viele sein. Wieder verlor die Mannschaft ein Heimspiel, wieder wäre der Gegner schlagbar gewesen (wie in der Vorwoche der FSV Frankfurt) und wieder hat es der TSV 1860 dem Gegner durch eigene Fehler leicht gemacht.

"Klare taktische Fehler - das darf nicht passieren"

Ganz besonders gewurmt hat die Pleite Trainer Benno Möhlmann. Als ihn am Samstagvormittag vor dem Training ein Anhänger fragt, ob er sie denn schon verdaut habe, schaut Möhlmann in den Boden und knurrt: "Ne, noch nicht." Es hat gebrodelt im 61-Jährigen nach der Pleite, und es brodelt noch nach: "Die ersten beiden Tore sind durch klare taktische Fehler aufgetreten. Das darf nicht passieren", sagt er zerknirscht. Zweimal - jeweils zu Beginn der Halbzeiten - ließen seine Spieler die Heidenheimer frei durchlaufen, zweimal schlossen die stark ab, erst stand es 0:1, dann 1:2.

"Wir müssen auf dem Platz enger zusammenrücken. Da muss man sehen, das ist ein Team, das mit allem was ihm zur Verfügung steht, die Liga halten will. Und das fehlt mir", sagt Möhlmann. Er zieht die Zügel an, beließ es am Samstag nicht beim obligatorischen Auslaufen. Ein Teil des Teams absolvierte eine Trainingseinheit am Morgen. Eine Standpauke hat er seiner Mannschaft aber nicht gehalten: "Die Jungs sind selber enttäuscht." Zögernd fügt er an: "Sie sind mental nicht auf der Höhe."

Vorletzter! Was hilft da das Pokal-Achtelfinale?

Anfangs zeigten die Löwen am Freitagabend noch Gegenwehr, kamen zum Ausgleich durch Rubin Okotie, in Halbzeit zwei ließen sie diese jedoch komplett vermissen - es war eine Offenbarung der Schwäche. Möhlmann musste sich erst einmal sammeln: "Ich habe gehofft, dass wir uns vielleicht in den beiden vergangenen Heimspielen von den direkten Abstiegsplätzen befreien können." Es hat nicht geklappt. Auch der neue und vor allem zweitligaerfahrene Coach vermag derzeit ein altes Problem der Sechziger nicht lösen: Sie sehen nur gegen spielerisch stärkere Gegner gut aus, gegen gleichwertige oder vermeintlich schlechtere blamieren sie sich immer wieder. Einem Tabellenvorletzten hilft es dann auch nicht viel, dass er zwei Bundesligisten (Hoffenheim und Mainz) aus dem DFB-Pokal gekickt hat und am Mittwoch das Achtelfinale gegen Bochum bestreitet - wenn er null Punkte gegen die direkten Liga-Konkurrenten Heidenheim und Frankfurt holt.

Es hapert gewaltig. Aber es ist ja nicht so, dass es bei den Sechzigern nur an denen hapert, die da sind. Es hapert auch an denen, die (noch) nicht da sind. Möhlmann selbst weiß noch nicht, ob er im Winter Verstärkung für den Kader bekommt. Er glaubt fest daran, zwei bis drei Neuverpflichtungen zu tätigen. Sicher ist aber noch kein Transfer. Und wie lange das dauert mit den Zugängen beim TSV 1860, davon weiß Möhlmanns Vorgänger Torsten Fröhling das ein oder andere Lied zu singen. Er musste im Sommer wochenlang auf eine neue Offensivkraft warten: Michael Liendl kam dann kurz vor dem Einkaufsschluss aus Düsseldorf, seine Integration dauerte noch einmal Wochen.

Möhlmann sagt schon mal vorsichtshalber: "Ich kann nicht versprechen, dass wir alles umsetzen." Dass gewisse Dinge geändert werden müssen, wüssten jedoch alle im Verein, und "wenn wir Neuverpflichtungen machen, brauchen wir da einfach Erfahrung, Typen". Typen, die den Münchner Knabenchor anführen sollen - also noch mehr Liendls. Und die benötigen sie dringend, sonst scheint die Negativserie schwer umzukehren zu sein. Den Sechzigern sollte daher ein Lied des Adventssingens Mahnung genug sein: "Es wird scho' glei' dumpa." Finster ist's beim Löwen.

© SZ vom 13.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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