TSG gewinnt 1:0:Fernglas für Europa

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Leverkusen droht sein Minimalziel zu verfehlen. Sportdirektor Rudi Völler hadert: "Die Tabelle lügt nicht."

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Rudi Völler war wieder einmal unzufrieden. Gäbe es ein Bild, das die Saison der Leverkusener beschreiben müsste, wäre eines der vielen, in denen Rudi Völler grimmig dreinblickt, natürlich in der engeren Auswahl. Nur rund 20 Minuten nach der 0:1-Niederlage von Bayer Leverkusen bei der TSG Hoffenheim sagte der Sportdirektor Sätze wie diesen: "Nach diesem Spieltag verbietet es sich, an die Europa League zu denken." Oder: "Wir müssen nach hinten gucken." Und: "Die Tabelle lügt nicht - sie tut weh."

Mit jedem Wort wurde klarer, dass die Hoffnung auf die Wende für Leverkusen ziemlich stark gesunken ist. Der Trainerwechsel von Roger Schmidt zu Tayfun Korkut brachte bislang keine Ergebnisse. Nur ein 1:1 gegen Bremen, ein 0:0 in einem aussichtlosen Champions-League-Achtelfinal-Rückspiel bei Atletico Madrid (Hinspiel: 2:4) und nun die Pleite in Hoffenheim - das ist nicht die Bilanz, die sich Bayer nach dem Wechsel auf der Trainerposition vorgestellt hat.

Leverkusen hat erst 31 Punkte nach 25 Spieltagen. Für den Blick in Richtung des erklärten Saisonminimalziels Europa-League, auf Platz sechs liegt übrigens der 1. FC Köln, scheint sich Völler künftig ein Fernglas zulegen zu müssen. Der Sportdirektor hat schon Recht: Aktuell muss Leverkusen nach unten schauen, und gelingt nach der Länderspielpause kein Sieg gegen Wolfsburg steckt das Team sogar im Abstiegskampf. Völler sagt: "Gegen Wolfsburg muss die Hütte brennen, um uns von unten abzusetzen." Dazu bedarf es sicher mehr, vor allem eine bessere Chancenverwertung im Vergleich zum Auftritt in Hoffenheim.

Völler poltert: "Im Moment ist alles verflucht"

Spektakulär hin und her ging es in der ersten Halbzeit, aber Leverkusen konnte nicht eine seiner sechs guten Torgelegenheiten nutzen. Auch die TSG hatte gute Torchancen, aber die Leverkusener die klareren. "Wir haben das Spiel in der ersten Halbzeit verloren, nicht in der zweiten", klagte Trainer Korkut. In den zweiten 45 Minuten verlor seine Elf nur drei Tage nach dem Champions-Laegue-Aus in Madrid immer mehr Energie, Hoffenheim dominierte immer mehr, auch weil dessen Trainer Julian Nagelsmann durch Umstellungen einmal mehr entscheidend ins Spielgeschehen eingegriffen hatte.

Nagelsmann sicherte seiner in der ersten Hälfte noch so konteranfällige Elf, indem er den an diesem Tag schwachen Sebastian Rudy ab Minute 46 von der Sechserposition auf die rechte Verteidigerposition stellte und Pirmin Schwegler (eingewechselt für Rechtsverteidiger Jeremy Toljan) im zentralen Mittelfeld fortan für Stabilität und Ballsicherheit sorgte. Leverkusen hatte bis auf die Gelegenheit des eingewechselten Chicharito in der Nachspielzeit in der zweiten Halbzeit keine Torgelegenheit mehr. Der Sieg der Badener war am Ende verdient, auch wenn er glücklich zustande kam: Ein Pass des eingewechselten Nadiem Amiri, eine Hereingabe von Steven Zuber - und Sandro Wagner durfte sich über sein erstes Tor in der Rückrunde freuen (62.). Dabei hatte der Mittelstürmer den Ball nicht richtig getroffen: Hätte Bayer-Torwart Bernd Leno die Kugel nicht noch an die Hacke bekommen, wäre sie ins Toraus gerollt. "Im Moment ist alles verflucht", haderte Völler: "Gegen Bremen verschießen wir einen Elfmeter in der letzten Minute - und nun so ein Tor."

Diese von Roger Schmidt auf gnadenlosen Vorwärtsfußball getrimmte Leverkusener Mannschaft mag sich unter Korkut über ein bisschen mehr Stabilität und Struktur im Spiel freuen - Punkte bleiben aber aus. Und so klingt alles, was derzeit aus Leverkusen zu hören ist, fast schon wie eine Dauer-Durchhalteparole. Die Mannschaft ziehe auf seinem Weg voll mit, sagt etwa Korkut und: "Wir müssen es schaffen, unsere Chance so zu verwerten, dass wir gewinnen." Er beschäftige sich nicht mit der Tabelle ("Wir hängen da irgendwo zwischendrin"), sagt der Trainer, der nur einen Vertrag bis zum Saisonende besitzt, und fordert: "Wir müssen hartnäckig bleiben."

Ziemlich souverän rettete die TSG den Vorsprung über die Zeit. Wieder einmal. "Knappe Spiele für uns zu entscheiden, ist ein Entwicklungsschritt in die richtige Richtung", sagt Nagelsmann, dem es beeindruckend gelingt, einzelne Spieler immer besser und die Mannschaft als Ganzes immer gieriger auf Erfolg zu machen. "Wir stehen gut da und da wollen wir bleiben", sagt Torwart Oliver Baumann. Derzeit hieße das Rang vier und die Qualifikationsspiele für die Champions League, der nächste Gegner Hertha BSC Berlin auf Tabellenplatz fünf, hat bereits fünf Zähler weniger. Hoffenheims erste Europapokalteilnahme rückt also näher. Es geht womöglich nur noch um die Frage in welchem Wettbewerb. Mit solchen Aussichten braucht sich Leverkusen derzeit selbstredend nicht beschäftigen.

© SZ vom 19.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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