Tribünengast Niersbach:"Er liebt den Fußball" - und schweigt

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Zum ersten Mal seit Bekanntwerden der WM-Affäre schaut sich der DFB-Präsident wieder ein Bundesligaspiel an. Vor den Sitzungen von Präsidium und Amateurchef wächst der Druck auf Wolfgang Niersbach.

Er hat sich lange nicht mehr blicken lassen in einem Fußballstadion, jedenfalls nicht mehr, seit die WM-Affäre auch den Deutschen Fußball-Bund ins Wanken gebracht hat. Am Samstag aber war der DFB-Präsident, der für viele nicht mehr tragbar ist, zu Gast im Mainzer Stadion, er hatte seine Lebensgefährtin mitgenommen und neben Mainz-Präsident Harald Strutz Platz genommen. "Wolfgang Niersbach liebt ja auch den Fußball, und deshalb ist er häufiger bei unseren Spielen", sagt Strutz und stellte sich demonstrativ an die Seite des DFB-Präsidenten: "Es gibt ja auch keinen Grund, dass er sich versteckt."

Verstecken muss er sich nicht, aber erklären. An diesem Montag schon, bei der außerordentlichen Präsidiumssitzung und dem nicht minder brisantem Treffen mit den Chefs der Amateurverbände. Der Druck auf Niersbach wächst. Nach der Veröffentlichung eines Dokuments mit angeblich handschriftlichen Notizen von Niersbach aus dem Jahr 2004 im Spiegel gerät der DFB-Präsident noch mehr in Erklärungsnot. Eine Stellungnahme zu den neuen Vorwürfen gab es am Samstag weder von Niersbach noch vom DFB. "Wir kommentieren dies nicht", hieß es am Samstag auf Anfrage vonseiten des Verbandes.

Schweigen und Mainz gegen Wolfsburg schauen: Wolfgang Niersbachs erster Stadionbesuch nach den Korruptionsvorwürfen. (Foto: Michael Probst/AP)

Der Termin bei den Amateurchefs: Traditionell kein Heimspiel

Sollte die Notiz tatsächlich von Niersbach stammen, wäre belegt, dass der DFB-Präsident nicht wie von ihm behauptet erst in diesem Sommer von dem dubiosen Geldfluss im Zuge der Vorbereitungen zur WM 2006 erfahren habe. Niersbach hatte beteuert, in die Absprachen einer Rückzahlung der Summe von 6,7 Millionen Euro an den früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus nicht eingebunden gewesen zu sein. Am Montag befassen sich nicht nur die Mitglieder des DFB-Präsidiums mit dem neuen Sachstand im Skandal um die Macher des Sommermärchens. Anschließend muss sich Niersbach auch vor den Chefs der fünf Regional- und 21 Landesverbänden erklären - traditionell kein Heimspiel für den DFB-Boss. Beide Sitzungen waren einberufen worden, um die Lage nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen Niersbach, seinen Vorgänger Theo Zwanziger und den früheren DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt zu erörtern. Bislang galt ein Rücktritt Niersbachs am Montag als unwahrscheinlich. Vielmehr erhofften sich die Funktionäre von ihrem Vorsitzenden ein aktives Mitwirken an der Aufklärung der Anschuldigungen. Durch die Handschrift-Probe, die laut Spiegel Niersbach als Autoren enttarnen könne, hat sich die Lage allerdings nochmals verschärft.

Weder DFB-Präsidium noch die Amateurvertreter alleine können Niersbach laut Statuten von seinen Aufgaben entbinden. Ein Vertrauensentzug würde aber die Demission des 64-Jährigen unausweichlich machen. Sollte Steuerhinterziehung bewiesen werden, könnte dem DFB für das Jahr 2006 sogar die Gemeinnützigkeit aberkannt werden - eine Strafzahlung in zweistelliger Millionenhöhe könnte die Konsequenz sein, berichtet der Spiegel.

Niersbach reist als Delegationsleiter zur Nationalmannschaft

Alles halb so wild: Niersbach schäkert mit Harald Strutz, Präsident des 1. FSV Mainz. (Foto: Michael Probst/AP)

Die Reise mit der Nationalmannschaft nach Paris zum Testspiel gegen Frankreich am kommenden Freitag will sich Niersbach nicht nehmen lassen. Wie geplant solle er die Delegation des Deutschen Fußball-Bundes anführen, hieß es vom DFB. Offen sei jedoch noch, ob Niersbach mit der Auswahl von Bundestrainer Joachim Löw am Donnerstag von München aus nach Frankreich fliegt. Am Dienstag will Niersbach zu einer Uefa-Sitzung nach Nyon in die Schweiz reisen. Auf der Gästeliste des Sportpresseballes an diesem Samstagabend in Frankfurt stand Niersbach nicht mehr.

Er hatte ja schon seinen Auftritt in Mainz. Und den Geleitschutz Harald Strutz: "Ich glaube, dass Wolfgang Niersbach der Mann ist, der dem deutschen Fußball so viel durch sein Netzwerk bringt", sagte der FSV-Präsident. "Wir sollten vorsichtig sein, so gegen diesen Mann zu schießen."

© SZ vom 08.11.2015 / dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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