Trapattoni ist zurück und gewinnt:In der gefrorenen Zeit

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Georgien muss im "Exil" in Mainz antreten - und unterliegt der von Giovanni Trapattoni gecoachten Nationalmannschaft Irlands nur knapp.

Tobias Schächter

Auch am Sonntagnachmittag hegte Nodar Akhalkatsi keinen Groll. "Das wäre eine Diskussion in die falsche Richtung", sagt der Präsident des georgischen Fußballverbandes und fügt hinzu: "Aber es ist klar, dass bei einem Spiel in Tiflis alles ganz anders ausgesehen hätte." Am Abend zuvor hatte Georgiens Nationalelf ihr erstes Spiel zur Qualifikation für die WM 2010 gegen Irland 1:2 verloren. In Mainz. Weil der irische Verband bei der Fifa aus Sicherheitsgründen Vorbehalte gegen eine Austragung der Partie in Tiflis anmeldete, beschied der Weltverband, dass das Spiel statt in Georgiens Hauptstadt auf neutralem Boden stattfinden müsse. Nach der Absage Karlsruhes fiel die Wahl auf Mainz.

Gestikulierend zum Erfolg: Irlands Nationaltrainer Giovanni Trapattoni. (Foto: Foto: Getty)

Noch im Januar hatten sich die Georgier gefreut, dass drei ihrer ersten vier WM-Qualifikationspartien als Heimspiele terminiert wurden. Nun aber waren zum Auftakt statt 50.000 Menschen in Tiflis nur 4500 im Mainzer Stadion. Und weil davon 3000 Iren waren, bestand für Georgien der Heimvorteil nur auf dem Papier. Trotz Einmarsch des russischen Militärs und trotz der noch immer nicht ganz stabilen Lage im Land hätte man in Tiflis aber spielen können, versichert Akhalkatsi und betont: "Wenn wir sauer sind, dann auf die russischen Okkupanten."

Der 33 Jahre alte Jurist kam 1997 zum Studium nach Deutschland, erst nach Regensburg, dann nach Heidelberg, wo seine Frau und die zwei Kinder noch immer leben. Als russische Panzer in Georgien einmarschierten, befand sich die Familie in Tiflis zum Sommerurlaub. Erst Mitte August konnte seine Familie ausreisen. Er blieb in Tiflis, weil "es meine Pflicht war, dort zu sein", wie er sagt.

Cuper für Toppmöller

Akhalkatsi gehört zu den Vertrauten von Staatspräsident Micheil Saakaschwili, und nicht wenige in Georgien glauben, dass er nur deshalb noch im Amt ist. Als im Mai 2007 Georgi Nemsadze Akhalkatsi ablösen wollte, sollen hochrangige georgische Politiker ihren Einfluss geltend gemacht haben. Auch der damalige, populäre Nationaltrainer Klaus Toppmöller hatte sich für Akhalkatsi stark gemacht. Toppmöller ist nicht mehr Trainer des Landes. Zurückgetreten ist er angeblich deswegen, weil sein Gehalt lange nicht bezahlt wurde. Akhalkatsi soll dies inzwischen erledigt haben.

Nun ist Hector Cuper, 52, Trainer im unruhigen Land. Nach dem Auswärtsspiel am Mittwoch in Udine gegen Italien will der Argentinier sich im Gegensatz zu seinem Vorgänger einen festen Wohnsitz in Tiflis zulegen. Am Samstag war Cuper, der 2001 als Trainer des FC Valencia das Champions-League-Finale im Elfmeterschießen gegen den FC Bayern verlor, traurig darüber, dass seine Elf die Menschen in Georgien mit einem Sieg nicht "kurzzeitig hat glücklich machen können".

Georgiens Fußball soll sich endlich für ein großes Turnier qualifizieren, aber Ahkalkatsi betont: "Das wird schwer." Wenigstens hofft er, die Heimspiele im Oktober gegen Zypern und Bulgarien in Tiflis austragen zu dürfen. Langsam scheint wieder etwas Normalität in Georgien einzukehren, die dortige Liga startet gleich nach der Länderspielpause. "Die eingefrorene Zeit", sagt Akhalkatsi, sei fast vorbei.

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Doch nicht nur die weltpolitischen Turbulenzen behindern die Entwicklung des Fußballs in Georgien. Zwischen der aus der Bundesliga bekannten Generation der Kobiaschwilis (Schalke) und Iaschwilis (KSC) und der der Talente wie Levan Kenia klafft eine Lücke. Es fehlt an guten Spielern zwischen 20 und 30 Jahren. Kenia, der bei Schalke unter Vertrag steht, ist erst 17. Am Samstag erzielte er in der 90. Minute das 1:2, sein drittes Tor in den letzten vier A-Länderspielen.

Beim Sieger, den Iren, ist derzeit nur die Besetzung des Trainerpostens schillernd. Und Giovanni Trapattoni, 69, war bester Laune. Trapattoni spricht mittlerweile eine Sprache, die sich aus deutschen, englischen und italienischen Worten sowie typisch trapattonischen Lauten zusammensetzt. Beispielsweise die Bedeutung des Satzes "The ball nimmt bum, bum flieg" zu erklären, ist selbst für erfahrene Trapattoni-Sprech-Übersetzer hartes Brot.

"Vertraue Assistente"

Und diesen Satz in Zusammenhang mit der Frage zu der Leistung des Spielers Glenn Whelan zu bringen, ist schwierig. Aber fast eine Kunst ist es, bei all dem so ernst zu bleiben wie Trapattonis Übersetzerin Manuela Spinelli. Die Reporter wussten nicht, ob sie mehr über den Mut Trapattonis staunen sollten, sich in einer fremden Sprache ausdrücken zu wollen, oder über den komischen Effekt des Unterfangens.

Auch wenn der Respekt vor seiner Biographie groß ist, werfen irische Kritiker Trapattoni vor, nicht in Irland zu leben und nur seine Assistenten Liam Brady und Marco Tardelli nach England zur Beobachtung der 20 irischen Profis zu schicken. "Vertraue Assistente. Ich looke außerdem twenty, dreißig DVDs, knowe alles von my players", kontert der Mister. Und auf die Frage, ob es ein Vorteil gewesen sei, in Mainz statt in Tiflis zu spielen, antwortet der ehemalige Trainer der Bayern und des VfB Stuttgart gekonnt: "Habe spiele dort mit Juventus, Milan und andere. Tiflis ise eine schöne Stadt, sehr schön. Hoffe man kann dort bald wieder spiele Fußball." Tobias Schächter

© SZ vom 08.09.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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