Trainingsauftakt:Die Kurzurlauber

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Als erster Bundesligist steigt Darmstadt 98 ins Training ein. Für 75 Minuten kicken kommen 1000 Zuschauer ans Böllenfalltor.

Ein normaler Arbeitnehmer hat ja in der Regel seine 30 Urlaubstage im Jahr. Mal mehr, mal weniger. Wenn jemand nur knapp vier Wochen - also 20 Urlaubstage hat - dann ist das normalerweise viel zu wenig. Es ist dann, so sagen eigentlich alle Studien, sehr schwierig, die Angestellten noch zu Höchstleistungen zu motivieren. Nur ein ausgeruhter Arbeitnehmer bringt das Unternehmen weiter. Wer am Urlaub spart, spart an der falschen Stelle.

"Es wird niemand bleibende Schäden behalten", sagte jedoch der leitende Angestellte Dirk Schuster, der die Spieler vom SV Darmstadt 98 an diesem Samstag zum frühesten Trainingsauftakt aller Fußball-Bundesligisten geladen hatte. Unklar, ob die knapp vier Wochen überhaupt reichten, damit der Biergeruch von der Aufstiegsfeier schon aus den Katakomben gezogen ist. Aber geklagt hat von den Spielern keiner. "Jeder freut sich", sagte etwa Stürmer Dominik Stroh-Engel ziemlich glaubhaft.

"Die Vorbereitungswochen werden eklig"

Und natürlich haben die Darmstädter auch einen Grund, ein bisschen mehr zu arbeiten als ihre Konkurrenten. Das Stadion ist aus er Zeit gefallen, der Etat winzig und der Kader besteht zu einem großen Teil noch aus den Spielern, die schon in der dritten Liga in Darmstadt gespielt haben. Sofern das möglich ist, ist Darmstadt in dieser Saison ein noch krasserer Außenseiter als der SC Paderborn im vergangenen Jahr. Also, dachten sich Trainer Schuster und sein Team, muss man jeden Vorteil nutzen, um in der deutschen Eliteklasse konkurrenzfähig zu werden. "Wir müssen das, was wir vielleicht spielerisch nicht draufhaben, körperlich wettmachen", sagte Stroh-Engel. "Ich denke, dass wir immer eine Mannschaft hatten, die zu den fittesten gehörte und bis zur 90. oder 95. ans Limit gehen kann", sagte Schuster. Marco Sailer wusste wohl, was genau diese Ankündigung bedeutet. "Die kommenden Vorbereitungswochen werden sicher eklig werden, aber wir sind trotzdem heiß darauf", sagte Sailer.

Was den ersten Arbeitstag zusätzlich zur Euphorie in der Mannschaft noch angenehmer machte? Die Euphorie in der Stadt. 1000 Fans kamen ans Böllenfalltor. Sie bildeten ein Spalier und beklatschten Spieler und Trainer. Kinder setzten sich bei den Trainingsspielen auf die Außenlinie und ältere Fans saßen mit Hut auf den Dächern. Wohlgemerkt: Es ging um ein Training, das nach 75 Minuten schon wieder vorbei war.

Sechs Abgänge, keine Neuzugänge

14 Profis standen nur auf dem Platz. Sechs Spieler haben die Lilien schon verlassen, darunter Stammkräfte wie Leon Balogun (zum FSV Mainz 05), Hanno Behrens (zum 1. FC Nürnberg) und Romain Brégerie (zum FC Ingolstadt). Zugänge gibt es noch keine. Trainer Dirk Schuster bringt das nicht aus der Fassung. "Ich bin optimistisch, dass wir eine konkurrenzfähige Mannschaft haben werden", sagte er. "Wir müssen noch warten, wen wir kriegen können. Einige müssen erst merken, dass sie in ihrem Verein keine Chance kriegen", erklärte Schuster in der Bild-Zeitung.

Die nächsten Bundesligisten sind der 1. FC Köln und Hannover 96, die vier Tage später mit dem Training beginnen. Und völlig unmenschlich ist Schuster auch nicht. Stand jetzt ist ein Kurzurlaub für die Spieler vom 1. bis zum 5. Juli geplant. Danach geht es aber direkt ins Trainingslager.

© SZ vom 21.06.2015 / sz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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