Trainer-Debüt:Mehr 2015 wagen

Lesezeit: 3 min

Maik Walpurgis startet als Coach des abstiegsgefährdeten FC Ingolstadt mit einem maximal wichtigen Spiel - und vertrauter Taktik.

Von Christopher Gerards

Von Christopher Gerards aik Walpurgis hat ein bisschen geschimpft, aber am Ende hat er alles mitgemacht. Er stand im Erdgeschoss der Ingolstädter Geschäftsstelle, Donnerstagmittag, Foto-Shooting für die Vereinshomepage, zwei Fotografen arbeiteten eng am Mann. Kann er eben die Hände in die Hüfte stemmen? Den Kopf ein bisschen heben? Mag er die Arme vor der Brust verschränken? Und jetzt bitte die Fäuste hochnehmen! Walpurgis stöhnte, "das ist das Schlimmste", rief er, aber dann nahm er auch die Fäuste hoch, lächelnd. Dutzende Aufnahmen hatten die Fotografen am Ende gesammelt, sie alle zeigten einen großen Mann mit kurzen, roten Haaren, schwarzem Polo-Shirt, schwarzer Trainingshose, darauf die Buchstaben "MW". Und das war jetzt also der endgültige Beweis: Nein, der neue Trainer des FC Ingolstadt heißt nicht Ralph Hasenhüttl.

Hätte man aber glauben können, wenn man ihn vorher auf der Pressekonferenz über seine Sportart hatte reden hören.

Ein interessantes Timing hat sich das Schicksal da überlegt. Da ist also dieser Trainer, den man bislang eher nur dann kennen konnte, wenn man zufällig in Ostwestfalen-Lippe, Westfalen oder Süd-Niedersachsen wohnt. Und dann: Startet derselbe Trainer, Maik Walpurgis, 43, vormals im Amt in Lotte und Osnabrück, an diesem Samstag (15.30 Uhr) mit einem Spiel in die Bundesliga, für das Reporter das schöne Wort Sechspunktespiel erfunden haben. Fünfzehnter gegen Siebzehnter, Darmstadt gegen Ingolstadt: "Ein wichtiges Spiel, aber letztlich nur eines von noch 24" werde das, hat Walpurgis gesagt, aber wenn man ehrlich ist, ist dieses Spiel noch ein bisschen wichtiger als wichtig.

"Ein wichtiges Spiel, aber letztlich nur eines von noch 24": Gegen Darmstadt sitzt Maik Walpurgis erstmals als FCI-Coach auf der Bank. (Foto: Stefan Bösl/imago)

Zwei Unentschieden und acht Niederlagen hat der FCI bislang in der Akte stehen, und wenn er irgendwo anfangen sollte, Siege zu sammeln - dann in Darmstadt. Er wolle "einige Veränderungen vornehmen", hat Walpurgis am Donnerstag gesagt. Sein Team solle "guten und mutigen Fußball" spielen, sagte er und dass sie sich nicht "verschanzen" wollten. Die Sätze kamen unauffällig daher. Aber sie enthielten, versteckt zwischen ein paar Füllwörtern, die Zusatzinformation, dass Walpurgis eine ernsthafte Konterrevolution starten könnte. "Das, was war, funktioniert nicht mehr" - diesen Satz hatte sein Vorgänger Markus Kauczinski Anfang Oktober gesagt, nach einem 1:2 gegen Hoffenheim. Kauczinski hatte ausnahmsweise so spielen lassen wie Ralph Hasenhüttl in der Saison zuvor, mit intensivem Anlaufen, Pressing, einem 4-3-3. Aber dann ging das Experiment derart daneben, dass Kauczinski die Taktik ein für allemal für gescheitert erklärte.

Vier Spieltage ging das so, vier Spieltage versuchte es Ingolstadt wieder lieber mit einem defensiverem Ansatz, allerdings auffallend wenig erfolgreich. Und nun ist Walpurgis da, und so wie es aussieht, bekommt die Kulturgeschichte des Spielstils in Ingolstadt mal wieder ein neues Kapitel.

Wobei: So neu ist es auch wieder nicht. Das, was war, funktioniert nicht mehr? Walpurgis hat das seinerseits nie gesagt, aber es spricht einiges dafür, dass er dem Satz schon zustimmen würde, nur halt auf andere Weise als Kauczinski. "Sicherlich" seien Pressing und Gegenpressing "erfolgsorientierte Mittel", sagte er, und Mittelfeldspieler Pascal Groß präzisierte das noch. Er sagte: "Die Spielidee soll sein, dass man aggressives Pressing/Gegenpressing, einfach wieder mutig Fußball spielt." Wenn man diese Sätze richtig interpretiert, ist Walpurgis als eine Art Hasenhüttl in unbekannt angetreten, er will wieder mehr 2015/16 wagen, mutig spielen lassen, aggressiv, und, das nur nebenbei, gern darf er auch den Abstieg vermeiden. Er habe "seine Idee von Fußball, die spiele ich seit Jahren", sagte Walpurgis noch, letztlich gehe es darum, dass die Mannschaft von seiner Idee überzeugt sei. Natürlich sei das System nach einer Woche Training nicht ausgereift, er glaube aber, dass man gegen Darmstadt die Grundzüge erkennen werde.

Spannend wird zudem sein, wie Walpurgis mit den Sommer-Zugängen umgeht. Unter Kauczinski hatte lediglich Innenverteidiger Marcel Tisserand dauerhaft von Anfang an gespielt, einer von zehn neuen Spielern. Er werde "die eine oder andere Veränderung" vornehmen, hat Walpurgis nun gesagt. Was das heißt? Dazu sagte er: nichts. Romain Brégerie und Dario Lezcanos Einsätze seien fraglich, ansonsten schwieg Walpurgis. Wäre ja blöd, wenn sie seine Ideen in Darmstadt in der Zeitung lesen würden. Es war ein bisschen, als wolle er seinen anfänglichen Nachteil einfach umdeuten. Sollen die Leute ruhig darüber nachdenken, dass er nicht die allererste Wahl gewesen ist in Ingolstadt. Soll ihn ruhig keiner kennen; solange dann auch keiner weiß, wen er aufstellen wird, ist ihm das herrlich willkommen.

Er hat stattdessen ein bisschen von sich selbst erzählt. Dass er noch keine Wohnung gefunden habe, aber ohnehin meist im Büro sei oder auf dem Trainingsplatz; dass er neulich eine Biografie über Ottmar Hitzfeld gelesen habe; dass er sich zuletzt viel um seinen Rasen gekümmert habe; und dass er sich mal am Klavier versucht habe. Solche Sachen. Man solle kein "Hexenwerk" von ihm erwarten, sagte Walpurgis noch. Nach Lage der Dinge braucht Ingolstadt aber genau das.

© SZ vom 19.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: