Tour-Direktor Christian Prudhomme:Ein hasenfüßiger Chef

Lesezeit: 2 min

Die Nachrufe werden schon geschrieben, aber Prudhomme mag den Totenschein nicht ausstellen. Der Generaldirektor der Tour de France scheut sich davor, Konsequenzen zu ziehen.

Gerd Kröncke

Nun ist die Stimmung endgültig gekippt. Bislang hatten die Franzosen, wenn man die Einschaltquoten als Maßstab nahm, sich die Tour einfach nicht vermasseln lassen wollen, was nicht ohne Schizophrenie ist: Fast acht von zehn Befragten glauben nicht mehr an die Sauberkeit der Tour de France, wie sie die Veranstalter versprochen hatten, allen voran Christian Prudhomme, der Generaldirektor.

Tour-Chef Prudhomme: immer noch zuversichtlich. (Foto: Foto: AP)

Prudhomme, 56 Jahre alt, ist ein typischer Vertreter seines Standes: stark in seinen Formulierungen, er ist von Haus aus Journalist, aber hasenfüßig, die Konsequenzen zu ziehen.

Die Nachrufe werden schon geschrieben, aber Prudhomme mag den Totenschein nicht ausstellen. Die Tageszeitung Libération hat am Donnerstag auf Seite eins den "Tod der Tour" beklagt und verzichtet ab sofort darauf, Etappenprofil und Klassement zu veröffentlichen, weil Drogenaffären dem Ereignis "jeden sportlichen Wert" genommen hätten.

Vielleicht war dies seit dem Festina-Skandal der neunziger Jahre die krummste Tour, die je geradelt wurde. Noch vor zehn Tagen war Präsident Nicolas Sarkozy dem Peloton vorausgefahren. Er winkte stolz, und Prudhomme, neben ihm am Lenkrad, sammelte Wertungspunkte für seinen Orden der Ehrenlegion.

Prudhomme sucht Ausflüchte

Als die Vorwürfe gegen Michael Rasmussen erstmals vom dänischen Radsportverband vorgetragen wurden, war es Prudhomme, sonst gern den Anti-Dnächst weniger, dass Rasmussen sich den Tests entzogen hatte, sondern eher, dass die Dänen ihre Vorwürfe während der laufenden Tour veröffentlichten.

Erst als Rabobank den Mann, dem die Fans schon das Gelbe Trikot bespuckt hatten, davonjagte, war dies für Prudhomme plötzlich "das Beste, was der Tour seit acht Tagen passiert ist".

Das Rennen müsse schon deswegen weitergehen, weil die Ehrlichkeit so vieler Fahrer außer Frage stehe. Außerdem ist die Tour ein Teil der französischen Geschichte und trägt zum Prestige der Nation bei. Sie gehört, wie Sarkozy sagt, zu den "kleinen Glücksmomenten unserer Mitbürger".

Jetzt erlebt die Tour mit Rasmussens Abstieg einen neuen Tiefpunkt. Wem nützt der Betrug, fragt sich Prudhomme, und der Ex-Fernsehjournalist, der im Gegensatz zu seinem Vorgänger nie Radprofi war, weiß, dass Doping die Quoten drückt.

Die Zuschauer lieben das Klischee von der Tour der Leiden. "Der Mythos Radsport besteht jedoch darin, diese Leiden zu sehen. Und nicht darin, dass einer nach einer Etappe mit fünf Bergen kaum erschöpfter ist als nach zweien."

Der Sieger steht schon heute unter Verdacht

An griffigen Metaphern fehlt es dem Tourchef nicht. Wer mag ihm widersprechen, wenn er Dopingsündern russisches Roulette unterstellt. Dass sich die Mentalitäten geändert haben, dass die Fahrer selbst massiv gegen Betrüger auftreten, ist für ihn ein Mentalitätswechsel, fast die Revolution, die er stets gefordert hat.

Deswegen sieht er auch in der tiefsten Krise eine Chance. Falls die Tour es noch zu den Champs-Élysées schafft, geht auch für Prudhomme in seinem zweiten Jahr als Generaldirektor ein Albtraum zu Ende. Der Sieger, wer immer es auch sein mag, steht schon heute unter Verdacht.

© SZ von 27.07.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: