Tour de France:Wo ist Ulle? Wir gucken Alpe d'Huez!

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Sie litten. Sie weinten. Sie kämpften. Sie quälten sich über den Izoard und den Lautaraet - und dann die 21 Serpentinen hinauf nach Alpe d'Huez. Es ist die Königsetappe einer jeden Tour der France. Und wir guckten zu. Voller Ehrfurcht. Ein Ausfluss reinster Herzen.

16.50 Uhr: Zehn Sekunden haben Pereiro gefehlt, Landis fährt ab morgen in Gelb. Ein großes Rennen, eine tolle Etappe - eine Qual für die Fahrer. Die Fernsehkameras sind so indiskret, uns die Fahrer nach der Ankunft auf dem Höllenberg zu zeigen. Wir sehen: einen weinenden Schleck, einen keuchenden Klöden, eine etwas derangierten Pereiro. Sie haben alles gegeben. Und es ist unmenschlich viel. Zuschauer machen sich keinen Begriff davon, welche Leistung es bedeutet, überhaupt anzukommen - hier wurde ein Schnitt von weit über 30 km/h gefahren - während einer solchen Etappe. Das ist unglaublich.

Serpentine um Serpentine hinauf nach Alpe d'Huez: die Königsetappe der Tour. (Foto: Foto: AP)

Das Schöne an dieser Tour ist eben jetzt, dass man die Leistung bewundern kann - und nicht mehr nur die Stars. Die Tour macht wieder Spaß, heißt das. Wir fiebern mit bis Paris.

16.45 Uhr: Klöden auf fünf, knapp hinter Landis, der wohl gleich das gelbe Leibchen bekommen wird. Warten auf Pereiro. Anderthalb Minuten hatte der Vorsprung auf Landis. Die sind wohl weg. Bis aufs letzte Korn kämpft er um gelb.

Die Kamera hält erbarmungslos auf Klöden, der völlig ausgepumpt irgendwo hängt und sich kaum noch rühren kann.

16.42 Uhr: Frank Schleck heißt er, der Held des Tages. Ein Kilometer noch. Und 100 Höhenmeter, weiß das ZDF. Aldag gibt zu bedenken, dass Schleck sich konzentrieren muss, dass da noch ein Kreisverkehr kommt - na, rechts vor links wird er nicht beachten müssen.

25 Jahre ist der Schlaks Schleck und 1,85 Meter hoch. Hemd zu fürs Zielfoto, grimmig entschlossenes Gesicht und rein ins Glück: Sieg in Alpe d'Huez. Gratulation! Respekt!

16.38 Uhr: Mazzoleni wartet auf Klöden, lässt sich von ganz vorn zurückfallen, spendet Windschatten.

Jetzt geht unser Lieblings-Luxemburger ab! Lässt Cunego stehen. Noch zwei Kilometer. Seit wann fahren denn die Luxemburger so schnell?

Schlimme Bilder von Menchov. Ist der platt! Man sieht förmlich die Schmerzen.

16.29 Uhr: Landis-Klöden-Gruppe schluckt Ausreißer. Hincapie wird nach hinten durchgereicht. Seine Kollegen fliegen an ihm vorbei. Noch fünf Kilometer für die Spitze. Das gelbe Trikot ist mehr als eine Minute hinter Klöden. Klöden tritt an, setzt einen Akzent - wie es im Fachjargon heißt - Klöden lacht, Landis hängt im Windschatten dran. Auch Sastre kommt. Nun nach ganz vorn. Schleck und Cunego werden die Etappe für sich entscheiden. Bei den Verfolgern ist Sastre abgefallen, Landis und Klöden sind zu zweit.

16.26 Uhr: Die Fahrer müssen aufpassen. Kräfte einteilen. Der Kommentator sagt dazu: Sie tänzeln immer am Rande der Sauerstoffschuld dahin. Nun haut Landis ab, Klöden kann nicht folgen. Der Helfer Merckx reicht Landis noch einmal das Wasser. Aber sie kommen nicht richtig weg. Klöden, Leipheimer und Sastre sind nun auch wieder dabei.

16.22 Uhr: Landis klebt an Klöden, aber hintendran. Unverschämt. Soll er doch auch mal die Führungsarbeit machen. Nicht nur Klöden. Klassischer Hinterrad-Lutscher, der Landis. Ganz genau. 2 Minuten 20 sind Schleck & Co. entfernt.

16.18 Uhr: Eddy Mazzoleni von T-Mobile schließt zu den zweien ganz vorn auf. Mazzoleni - was für ein Name. Erinnert Mr. Culture an Frank Lampard. Wer ist das denn? Ein ganz wichtiger englischer Spieler. Fußball. Wir kommen nicht weg von der WM, obwohl sie schon seit zehn Tagen vorbei ist.

16.13 Uhr: Un-glaub-lich: Mr.Sports verabschiedet sich in den vorgezogenen Feierabend, Vorbereitungsspiel in Deggendorf - diese Halbprofis aber auch immer!

Klöden zieht an, der hat was vor heute. Sieht gut aus. Dumm nur, dass Landis ihm am Hinterrad klebt. Miss Immo motzt: "Der muss doch auch mal was machen, der kann doch nicht nur hintendrankleben."

Und jetzt: die Mainzelmännchen! Ist es wahr? Es ist. Mitten im Anstieg Werbung. Für ein Auto! Und für ein prickelndes Erfrischungsgetränk, das auch auf diversen Radldressen prankt.

16.09 Uhr: Und schon gibt Klöden Gas! Mit Matze Kessler, dem armen Sturzgeplagten von Sonntag. "Furchterregend, die Steigung", jammert Kommentator Peter Leissl. Dabei hockt er auch nur vorder Glotze wie wir. Wir haben keine Angst, sind guter Dinge, zählen auf Klöden.

Ganz vorne sind Cunego und der Luxemburger Schleck, unser Lieblingsname im Feld.

16.04 Uhr: Damen und Herren, es wird ernst. Ab jetzt geht's nur noch bergauf. Jens Voigt, der das Tempo der Ausreißergruppe hochgehalten hat, fällt zurück. Zehn Prozent steil ist es jetzt. Das so genannte Peloton liegt mehr als drei Minuten zurück, stürmt nun in den Berg. Klöden steckt im Hauptfeld, Teamkollege Mazzoleni fährt noch in der Spitzengruppe - so wird das nix mit dem Podium, Monsieur Klöden.

14.37 Uhr: "Das Rennen beruhigt sich", sagt Leissl. Stimmt. Auch Garzelli ist eingefangen.

Zeit auch für uns, ein wenig durchzuschnaufen. Wir melden uns wieder, wenn es "den Männerberg raufgeht", sagt Mr. Culture. Also am Fuß des Bergs nach Alpe d'Huez. Inzwischen können Sie sich am Liveticker informieren.

14.33 Uhr: An der Straße: Halbnackte Fans, die den Fahrern ihr Hinterteil präsentieren. Dabei wäre die Aussicht gerade so gut. Fünf Täler reihen sich aneinander. "Schon die Römer waren hier, auch Hannibal ging mit seinen Elefanten wohl hier durch", sagt Peter Leissl vom ZDF. Ja, Freunde des Radsports, wir sind in der Oberstadt von Briancon angekommen.

Mrs. Reise kommt herein. Aber sie will nicht gucken.

Wo ist eigentlich Fabian Wegmann? Laut Intranet der Tour der France hat er den Anschluss wieder gefunden.

14.27 Uhr: Immer noch vorne: Stefano Garzelli. Eine Minute dahinter: de la Fuente und auch Jens Voigt. Andreas Klöden und die anderen Favoriten haben sechs Minuten Rückstand auf Garzelli.

Sprinter Bobby McEwen liegt am Ende des Feldes: "Hauptsache ankommen", sagte er vor der Etappe. Vor dem Hinunterfahren hat er keine Angst: "Man muss nur erst einmal hinaufkommen." Das kann Mr. Culture nur bestätigen: "Wie sagte Carl Lewis so schön: Je schneller ich bin, desto eher bin ich fertig."

Floyd Landis hat ein Problem. Sofort halten er und seine Mannschaft an. Er wechselt sein Hinterrad selbst. Das bekommt er von seinem Kollegen. Der fährt dann zurück zum Materialwagen und holt sich ein neues. "Radfahrer sind da sehr sensibel", weiß Rolf Aldag. "Wenn man den Sattel von Erik Zabel drei Millimeter höher setzt, fährt der keine hundert Meter. Er sagt: Das ist nicht mein Rad."

14.21 Uhr: Nun ist alles klar: Mr. Culture kommt aus einer Radfahrerfamilie: "Mein Bruder ist ein echtes Tier." Und noch jünger als er. "Da könnt Ihr Euch alle wegpacken, vor allem auf Rädern!"

Das ZDF präsentiert ein atmosphärisches Stimmungsbild. Mit Gema-freier Musik. Es geht um die Frage, wer von den Zuschauern, die an den 21 Serpentinen warten, das Baguette kaufen muss. Der Reporter steigt in einen Wohnwagen und hält einem Zuschauer das Mikrofon an die Zahnbürste. Klar: Die deutschen Fans sind die besten. Sagt ein französischer Gendarm.

Nun sind wir wieder live dabei. Rolf Aldag sagt, dass die deutschen Fans trotz des Ausfalls von Ullrich zahlreich vertreten sind. Inzwischen gab es einen Angriff auf das gelbe Trikot. Ein Fahrer warf die Verpackung seines Kuchens einfach auf die Seite. Das fliegt schnurstracks auf Pereiro zu. Das war knapp.

14.14 Uhr: Garzelli fährt den Berg hinunter. Mit 100 Stundenkilometern. Das ZDF zeigt noch einmal den Sturz von Matze Kessler im vergangenen Jahr. Aua, sieht das heftig aus. Gerade, als wir hoffen wollen, dass heuer nichts passiert, legt es einen hin. Mr. Culture hat auch dazu einen Spruch: "Die einzige Knautschzone eines Radfahrers ist sein Nasenbein." Er selbst blieb bei seiner Radtour vergangene Woche unverletzt.

Er hört übrigens nicht auf, davon zu erzählen: "Als der Tacho 73 (sic!) zeigte, dachte ich mir: Wenn jetzt der Reifen platzt, hab' ich nur noch mein Nasenbein."

Lady Immo, bekennender Ulle-Fan, ist erstaunlich ruhig in diesem Jahr. "Neben der Strecke ist immer ein Radweg", sagt sie.

Nun fährt einer mti einem schleim-gelb-grünen Trikot durchs Bild. Wahrscheinlich fürht er in mehreren Wertungen. Wir recherchieren das mal nach.

14.08 Uhr: Mr. Culture ist mittlerweile beim Trappistenbier angelangt, made in Belgium, versteht sich. Schwelgt noch in vergangenen Zeiten.

Wir sind mehr so im Hier und Jetzt und fragen uns: Wer ist eigentlich Matze? Steht dick und fett auf dem Asphalt. Mehrfach. Klärung: Matthias Kessler, aha. Also doch nicht Materazzi.

Mr. Culture erzählt wieder vom Krieg: "Wusstet ihr eigentlich, dass die früher gar keine Bremsen hatten?" Kopfschütteln im Rund. "Das verwechselst du mit der Gangschaltung", meint Miss Immo. "Genau, hatten die auch nicht. Und keinen Leerlauf."

14 Uhr: Jetzt erzählt unser Aachener auch noch von den Ardennen! Aber nicht vom Krieg Vierzehnachtzehn, sondern von seinen Radtouren durchs belgische Mittelgebirge. "Rauf und runter geht's da, das glaubst du nicht." Und erst die Steigungen in Holland! Und um den Drilandenpunkt. Sachen gibt's.

Miss Immo schreckt uns auf: "Da pinkelt einer!" Am Berg! So was. Und noch einer. Was ist denn da los? Sextanerblasen? Zuschauer kommen mit den Kameras. Mr. Culture fragt: "Ist das überhaupt die richtige Tour de France? Oder ein Ausflug zu Monty Pythons Flying Circus?" Mr. Sports meint: "Jetzt fehlt nur noch, dass Lance Armstrong im Teufelskostüm an der Straße steht." Bewahre! Der Gute sitzt doch angeblich im Mannschaftswagen seines Discovery-Teams.

13.51 Uhr: Wir sind kurz vor dem Col d'Izoard. Garzelli hat sich aus der Ausreißergruppe losgeradelt. Vier Mann können noch einigermaßen folgen. Im ZDF redet Rolf Aldag, unser Held ungezählter Tourtage, von "langfaserigen Muskelfasern". Richtig: Fasern, nicht Faseln. Es ist ja auch eine Menge Zeit, die da versendet werden muss.

Mr. Culture fragt, ob wir Sport-Redakteure überhaupt schon mal "mannhaft Radsport" betrieben hätten. Will uns damit sagen: Er hat! Und wie! Erst vergangenen Woche: München-Starnberg-Seeshaupt-Bad Tölz-Dietramszell-München - und das mit Steigungen der 38. Kategorie! Mindestens! Ganz großer Sport! Und nicht weniger als vier Wochen hat er dafür gebraucht, das Tier! "Hast ja auch eine richtige Radler-Figur", meint Mr. Sports.

Die Zahlen alleine reichen, um jedem Hobbyradfahrer einen Schauer über den Rücken laufen zu lassen: 21 Serpentinen. 1100 Höhenmeter. Im Schnitt 7,9 Prozent Steigung. Und das ist nur der Schlussanstieg. Zuvor hat jeder Fahrer schon 170 Kilometer schwierigstes Gelände hinter sich. Den Col d'Izoard auf 2360 Metern, den Col du Lautaret auf 2058.

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