Tour de France:Landis gibt sich keine Blöße

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Phonak-Kapitän Floyd Landis ist in einer komfortablen Situation: Auf den mutmaßlich stärksten Widersacher Andreas Klöden besitzt er zweieinhalb Minuten Vorsprung. Doch der Deutsche will kämpfen.

Andreas Burkert

Andreas Klöden hustet ein paar Mal schwer, er kippt eine Flasche Wasser in seinen ausgetrockneten Rachen und lässt sich schließlich von Teambetreuer Eule Ruthenberg mit einem Handtuch durch das Gesicht waschen.

Der neue Mann in Gelb: Floyd Landis. (Foto: Foto: Reuters)

Das alles geschieht auf der Zielgeraden von Alpe d'Huez, wo der Kapitän des T-Mobile-Rennstalls ein durchaus beherztes Rennen gezeigt hat, wenn ihm auch der große Coup verwehrt geblieben ist.

Platz fünf hat Klöden erreicht, was ihm nun in der Gesamtwertung den Aufstieg auf den sechsten Rang einbringt mit 2:29 Minuten Rückstand auf Floyd Landis, den neuen Mann in Gelb.

Klöden ist sich deshalb nicht ganz sicher, wie er den Tag bewerten soll, doch am Ende gibt er sich so kämpferisch wie zuvor auf den berühmtesten Serpentinen des Radsports: "Noch ist nichts entschieden, denn es kommen noch zwei schwere Bergetappen und ein Zeitfahren", sagt er, "ich habe mich jedenfalls sehr stark gefühlt - mal sehen, was noch geht."

Alpe d'Huez hat am Dienstag mehrere Gewinner und auch mehrere Verlieren erlebt. Die meisten Emotionen verbreitete der Luxemburger CSC-Pilot Frank Schleck, der vor drei Jahren beinahe aufgehört hätte mit dem Radfahren - und der nun in dieser Saison nach dem Amstel Gold Race auch noch die prestigeträchtigste Etappe der Tour gewonnen hat.

Schleck hatte zu einer umfangreichen Ausreißergruppe gehört, die sich früh am Tag gebildet hatte. Während seine Begleiter im Schlussanstieg nach und nach von der aufkommenden Spitzengruppe mit Landis und Klöden geschluckt wurden, kamen Schleck und der Tageszweite Damiano Cunego durch. Das Hauptrennen fand jedoch gut eine Minute hinter dem Duo statt, denn dort verabschiedeten sich einige hoch gehandelte Kandidaten überraschend früh aus dem Wettbewerb um die vakante Tourkrone.

Klöden gibt sich noch nicht geschlagen

Als erstes machte der Russe Denis Menschow schlapp, der bisherige Gesamtdritte von Rabobank verlor mehr als zwei Minuten und kämpft nun allenfalls noch um einen Platz auf dem Pariser Podium. Die weiteren Verlierer hießen Carlos Sastre (1:35 Minuten) aus Spanien und Cadel Evans, der Australier verlor fast drei Minuten auf Schleck. Dagegen hielten sich der bisherige Mann in Gelb, der Spanier Oscar Pereiro (jetzt Zweiter mit nur zehn Sekunden Rückstand auf Landis) sowie der bislang unbekannte Franzose Cyril Dessel (immer noch Dritter, 2:02 Minuten hinter Landis) achtbar.

Doch diese beiden Herren - wie auch Menschow und Sastre - dürfte Andreas Klöden an den letzten Tagen der Rundfahrt wohl noch überflügeln, wenn er sich in einer ähnlichen Verfassung wie gestern präsentiert.

Nachdem Kollege Matthias Kessler am Fuße des Anstiegs mit einer enormen Tempoverstärkung die Spitzengruppe markant verkleinert hatte, übernahmen schließlich Klöden und Landis die Szene. Zweimal versuchte Landis davon zu ziehen, doch der Deutsche setzte zweimal recht spielend nach und schloss wieder auf.

Fortan übernahm Klöden die Tempoarbeit, was ihn nicht überraschte, wie er hinterher äußerte: "Denn Landis musste ja auch nicht führen, weil er ja zweieinhalb Minuten vor mir liegt."

Fünf Kilometer vor dem Ziel hatte er zwar seinerseits einen Vorstoß probiert, doch der Amerikaner gab sich ebenfalls keine Blöße. Auf der Zielgeraden sprinteten die beiden noch gemeinsam um die Zeitbonifikation für Rang drei, doch die holte sich schließlich der Italiener Stefano Garzelli, der lange zu Schlecks Begleitern gezählt hatte.

Ein Etappensieg ist die Kür, der Tour-Sieg die Pflicht

Phonak-Kapitän Floyd Landis ist nun in einer komfortablen Situation, denn auf den mutmaßlich stärksten Widersacher Klöden besitzt er weiterhin zweieinhalb Minuten Vorsprung. Nur ein nicht zu erwartender Einbruch auf den beiden noch folgenden Alpenabschnitten heute nach La Toussuire sowie am Donnerstag nach Morzine könnten dem starken Zeitfahrer aus Kalifornien noch am größten Erfolg seiner Karriere hindern.

Entsprechend gelöst gab der 30-Jährige hinterher. "Ich hatte nie das Gefühl, dass ich den anderen Jungs noch mehr Zeit geben müsste", sagte Landis und kündigte für die nächsten Aufgaben eine ähnliche Fahrweise an.

"Ich werde mich sicher konservativ verhalten, und ich brauche auch keine Etappe zu gewinnen - ich möchte nur in Gelb in Paris ankommen." Vermutlich wird Klöden dort das Gruppenbild als Zweiter ergänzen, und auch Landsmann Markus Fothen hat gute Chancen, zur Ehrung geladen zu werden: Als 15. von Alpe d'Huez verteidigte der Gerolsteiner-Profi das Weiße Trikot des besten Youngsters.

© SZ vom 19.07.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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