Torwartfrage:Der Wahlkampf geht weiter

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Jürgen Klinsmann hat angekündigt, die Torwartfrage um Oliver Kahn und Jens Lehmann weiterhin offen zu halten. Erst im Mai 2006 will der Bundestrainer das Wechselspiel beenden und den Posten für einen der Bewerber reservieren.

Von Philipp Selldorf

Dem bei Bayern München beschäftigten Verteidiger Lúcio werden trotz seiner fünf Jahre währenden, soliden Deutschland-Erfahrungen gewisse Verständnisprobleme nachgesagt, doch handelt es sich dabei womöglich um einen Irrtum. Am Samstag offenbarte Lucio, dass er verstanden hat, wann es heikel wird im hiesigen Fußballdiskurs.

Müssen sich noch bis Mai gedulden: Oliver Kahn und Jens Lehmann. (Foto: Foto: AP)

Die Frage, ob er sich wundere, dass sein Münchner Mitspieler Oliver Kahn nicht im Tor gestanden habe, schien er gleich als Aufruf zum Beitrag für die deutsche Torwart-Debatte zu deuten. Er antwortete vorsichtig: "Lehmann ist auch ein guter Torwart."

Man weiß ja nie, wie gefährlich eine exponierte Meinung in diesem explosiven Konflikt ist. "Kahn ist sehr emotional, er will immer gewinnen", fügte Lucio mit furchtsamem Blick an. Mindestens genauso dringend will Kahn außerdem seinen Platz im Tor der Nationalelf behalten, aber darum muss er nach Auskunft des Bundestrainers noch lange kämpfen.

Erst im Mai 2006 wollen Jürgen Klinsmann und Joachim Löw das Wechselspiel beenden und den Posten für einen der Bewerber reservieren, wie Klinsmann überraschend präzise eröffnete. "We keep on rotating", verkündete er dem internationalen Publikum. Erst zu Saisonschluss hat das Rotieren ein Ende.

Kahn quält sich

Deutet man den Ablauf des Turniers, ist Kahn, 36, neben den in Acht und Bann geratenen Mexikanern Carmona und Galindo sowie Otto Rehhagel einer der großen Verlierer des Confed-Cups. Nur: Er kann nichts dafür. Das Unglück ist über ihn hereingebrochen, während er lädiert auf der Reservebank saß, und wie zum Hohn ist er nun wieder für fit befunden worden - zum Spiel um Platz drei.

Kahn versucht sich zu trösten, indem er die Partie zur Jubiläumsfeier stilisiert ("Es ist mein 80.Länderspiel") und das Turnier zur Nebensache erklärt: "Ich glaube nicht, dass für mich der Confed-Cup der große Prüfstein geworden wäre."

Seit dem Trainingslager zur Vorbereitung auf das Turnier quält sich Kahn mit einer Verletzung, deren Diagnose ziemlich unspektakulär klingt, und die deswegen wohl noch etwas lästiger fällt: "Probleme im Adduktoren-Hüftbereich."

Es ist so schmerzhaft, dass es ihn in seiner Leistung beeinträchtigt, aber nicht heftig genug, um seine Abreise zu rechtfertigen. Also hat er die Tage seit seinem Einsatz beim Premieren-Spiel gegen Australien - als er drei Tore kassierte, was seine Stimmung empfindlich störte - auf dem Trainingsplatz und auf der Massagebank verbracht.

Lehmann nutzt seine Chance

Ansonsten musste er zuschauen, wie Widersacher Lehmann, 35, durch gute Auftritte und gewinnende Öffentlichkeitsarbeit punktete: In Köln hielt er tadellos und durfte sich am Beifall des Publikums aufbauen; auch am Samstag in Nürnberg zeigte sich Lehmann von der besten Seite. In der Schlussphase rettete er gegen konternde Brasilianer durch gute Paraden die dünne Hoffnung auf den Ausgleich.

Noch mehr gefiel er durch sein konstruktives Pass-Spiel, das ihn für gehobenes Mittelfeld-Niveau qualifizierte. Einmal gab es sogar Szenenapplaus, als er einen Rückpass aufnahm und mit einem gezielten 50-Meter-Zuspiel auf Bernd Schneider in einen vielversprechenden Angriff verwandelte. Der Ball fiel Schneider vor die Füße, dass es eine Pracht war. Der Wahlkampf der Torhüter geht also weiter bis Ende Mai.

Ob das alle Beteiligten glücklich macht, ist fraglich. Torwarttrainer Andreas Köpke hat schon Bedenken geäußert, Klinsmann aber trotzt der Gefahr. Er glaubt, das Duell sei "stimulierend für den Leistungswettkampf".

© Süddeutsche Zeitung vom 27.6.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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