Torjäger:Das Beste aus zwei Welten

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Halil Altintop ist einer der heftigst umworbenen Bundesliga-Stürmer. Sieben Tore in den ersten fünf Spielen gerdmüllerte der Angreifer bereits. Am Saisonende ist er ablösefrei.

Tobias Schächter

In den entscheidenden Fragen seiner jungen Sportlerkarriere vertraute Halil Altintop bislang auf die Erfahrung seines großen Bruders Hamit. Das ist nicht ohne Ironie, hat der Zwillingsbruder doch genau zehn Minuten mehr Lebenserfahrung, seitdem die beiden vor etwas mehr als 22 Jahren das Licht der Welt in einem Krankenhaus in Gelsenkirchen erblickten. Wie schon bei der Geburt ist der jüngere Halil der Spätzünder der beiden Fußballprofis mit dem Namen Altintop.

Borussia Dortmund, Schalke 04, Besiktas und Fenerbahce Istanbul buhlen um den neuen Torjäger der Liga: Halil Altintop. Der Türke schoss in fünf Spielen sieben Tore für Kaiserslautern. Der FCK wird seinen Star wohl nicht halten können. (Foto: Foto: dpa)

Während Hamit gleich in seinem ersten Bundesligaspiel für den FC Schalke 04 vor zwei Jahren durch zwei Tore im Revier-Derby gegen Dortmund der Durchbruch gelang, musste sich Halil beim 1.FC Kaiserslautern lange gedulden. Doch nun ist er in aller Munde. Sieben Tore in den ersten fünf Spielen gerdmüllerte der Angreifer. Er führt die Torschützenliste der Liga alleine an.

Die Leistungsexplosion kommt wie bestellt: Halils Vertrag läuft am Ende der Saison aus, ein ablösefreier Wechsel ist möglich. Längst ist er einer der am heftigst umworbenen Spieler der Liga und Rat holt sich das Talent nicht mehr nur bei Bruder Hamit.

Seit einiger Zeit wird Halil von der Firma Rogon des Spielerberaters Roger Wittmann gemanagt - ein Schwergewicht der Branche. Rogon ist dafür bekannt, finanziell das Optimum für sich und seine Mandanten herauszuholen. "Ob und wohin ich wechsle, entscheide ich im Winter", erklärt Halil Altintop. Auf die Frage, die ihm in dieser Saison bisher nach jedem Spiel gestellt wurde - ob er sich den vorstellen könne Torschützenkönig zu werden - antwortet Altintop stur mit einer Gegenfrage: "Warum denn nicht?"

Junge mit Riesenpotential

Halil Altintops Selbstvertrauen ist ein gewachsenes Selbstvertrauen, kein dem Moment geschuldeter Übermut. Vor zwei Jahren wechselte er für 500.000 Euro vom Regionalligisten SG Wattenscheid in die Pfalz. Nach einem Lehrjahr hinter dem Sturmduo Klose/Lokvenc erkämpfte er sich erst in der Rückserie der letzten Saison einen Stammplatz.

Für seinen derzeitigen Erfolg liefert Halil eine für ihn typische, nämlich sachliche Erklärung: "Mit mehr Einsätzen steigert sich die Treffsicherheit und damit auch das Selbstvertrauen." Geduld hat er bewiesen in Zeiten, in denen er auf der Bank saß. Heute beschleunigt der technisch versierte Athlet wie ein Hundertmetersprinter, trifft abgeklärt wie ein Routinier auf dem Bolzplatz und besitzt Anerkennung wie kaum ein Zweiter beim FCK. "Er ist der beste Spieler mit dem ich je zusammengespielt habe", schwelgt Spielmacher Ervin Skela und auch Trainer Michael Henke schwärmt: "Der Junge hat ein Riesenpotential."

Disziplin von den Deutschen, von den Türken das Herz

Schritt für Schritt gehe er seine Ziele an, sagt Altintop und betont, dass er sich in dieser Eigenschaft von seinen in der Türkei geborenen Nationalmannschaftskollegen unterscheidet: "Die sehen oft nur das Ziel, nicht aber den Weg dorthin." Der wie sein Bruder im Umgang mit den Medien scheue Halil hat geschafft, was nur wenigen Einwanderkindern gelingt - er bündelt das Beste aus beiden Welten für seinen Weg: "Von den Deutschen habe ich die Disziplin und von den Türken das Herz."

Halil und Hamit haben noch drei ältere Schwestern. Der Vater ist früh gestorben. Zusammen mit der Mutter suchte dieser in den siebziger Jahren aus Ostanatolien kommend sein Glück im Ruhrgebiet.

Für Halil Altintop entscheidet sich in dieser Saison vieles. Noch besteht für die Türkei und die beiden Brüder die Chance an der WM in Deutschland teilzunehmen. Für Halil (zwei Länderspiele) wäre das ein Traum. Keinen Hehl macht Halil auch aus seinen Ambitionen, einmal bei einem Spitzenklub auf den großen internationalen Bühnen zu reüssieren.

Das Interesse vom Schalke und Dortmund ist bekannt, auch die großen Istanbuler Vereine Besiktas und Fenerbahce buhlen um seine Gunst. Ein Wechsel zu Schalke und Bruder Hamit erscheint logisch. Nach dem angekündigten Weggang von Ebbe Sand wird ein Platz im Schalker Angriff frei. Halils Berater haben beste Kontakte zum Revierklub. Zuletzt wechselten von Rogon Rafinha, Kevin Kuranyi, Marcelo Bordon, Lincoln und Fabian Ernst nach Schalke.

Klasnic zu Schalke, Altintop zu Werder?

Hamit Altintop lässt sich übrigens nicht von Rogon beraten. In der Szene kursiert aber auch folgendes Gerücht: Die Schalker wollen den Bremer Ivan Klasnic nach Schalke lotsen und Halil Altintop wäre dann wohl ein Kandidat für Werder. Werder-Manager Klaus Allofs sagte nach dem 5:1 Sieg der Bremer in Kaiserslautern vor zwei Wochen zwar, Altintop sein kein Thema, fügte aber einschränkend hinzu: "Zum jetzigen Zeitpunkt."

Vermutlich hat der FCK beim Poker um Halil Altintop die schlechtesten Karten. "Ich bin keiner, der bei der Bank Geld aufnimmt, um einen Spieler zu halten", erklärte jüngst der FCK-Vorstandsvorsitzende René C. Jäggi nach den ersten Gesprächen mit Altintop und Rogon. Vor Ablauf der Wechselfrist am 31. August lehnte der Schweizer ein mit "fünf Millionen Euro taxiertes Angebot eines europäischen Spitzenklubs" für Altintop ab.

Solange es Jäggi nicht gelingt, Investoren zu gewinnen, wird der Klub Altintop keine internationale Perspektive aufzeigen können. Jäggi weiß: Für Altintop kommt die Leistungsexplosion des Stürmers zum besten Zeitpunkt - für den FCK zum Schlechtesten.

Wenn Halil Altintop, der heute Abend im Südwestderby mithelfen will, dem Rivalen Mainz die sechste Niederlage zuzufügen, im nächsten Sommer den Verein wechseln sollte, verliert der FCK nicht nur seinen besten Stürmer. Der 1. FC Kaiserslautern sieht dann auch keinen einzigen Cent, um einen ähnlich starken Nachfolger zu verpflichten.

© SZ vom 21.09.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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