Tödliche Attacke auf Linienrichter in den Niederlanden:"Wie können die Sicherungen bei 15-Jährigen so durchknallen?"

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Der Tod eines Linienrichters im Amateurfußball erschüttert die Niederlande: Nach der brutalen Prügelattacke durch mindestens drei Jugendspieler zeigen sich die betroffenen Vereine und der Verband schockiert.

Richard Nieuwenhuizen stand oft auf dem Platz, mehrmals pro Woche begleitete er seinen Sohn Mykel auf das Trainingsgelände des niederländischen Klubs SC Buitenboys und schaute ihm beim Fußballspielen zu. Bei den Spielen assistierte er als Linienrichter, am Sonntag in Almere bei Amsterdam zum letzten Mal. Der 41-Jährige wurde nach der Partie von mindestens drei Spielern der gegnerischen Mannschaft vom SV Nieuw Sloten angegriffen - und von den Jugendlichen so schwer verprügelt, dass er später verstarb.

"Wir sind zutiefst schockiert und traurig über den Tod des Schiedsrichter-Assistenten", sagte Anton Binnemars, Direktor für Amateurfußball im niederländischen Verband KNVB, "es ist unmöglich, Worte dafür zu finden, dass jemand beim Ausüben seines sportlichen Hobbys Opfer eines derartigen Angriffs wird." Auch die Sportministerin Edith Schippers reagierte entsetzt: "Das hat nichts mit Sport zu tun und kann unter gar keinen Umständen toleriert werden."

Auslöser der Attacke war vermutlich eine umstrittene Abseitsentscheidung, wie die Tageszeitung De Telegraf berichtet. Nach dem Spiel sollen mindestens drei Fußballer im Alter von 15 und 16 Jahren Nieuwenhuizen angegriffen und mit ihren Stollenschuhen auf den Kopf des Linienrichters eingetreten haben. "Er flüchtete, doch die Jungs liefen ihm hinterher und misshandelten ihn weiter", sagte ein Polizeisprecher. Stunden danach klagte Nieuwenhuizen über Unwohlsein und wurde ins Krankenhaus eingeliefert.

Marcel Oost, Vereinspräsident von SC Buitenboys, hat Nieuwenhuizen noch im Krankenhaus besucht. "Er erkannte mich und sagte 'Hey Marcel, alles okay?'", wird Oost in der Tageszeitung De Volkskrant zitiert. Der verletzte Mann habe einen leicht verwirrten, aber positiven Eindruck auf ihn gemacht und etwas vom "verdammten Fußball" gesagt. "Ich dachte, er würde sich wieder erholen", sagte er.

Die Kopfverletzungen des Schiedsrichters waren dann aber so schwer, dass Nieuwenhuizen am Montag um 17:30 Uhr im Beisein seiner Familie verstarb. "Das ist nicht nur eine Tragödie für Almere und unseren Klub, sondern für den gesamten niederländischen Fußball. Das darf auf einem Fußballplatz nicht passieren", sagte Oost.

"Die Buitenboys wünschen der Familie viel Kraft", heißt es nun auf der Homepage des Klubs. Der Verein hat zudem den Trainingsbetrieb aller Mannschaften eingestellt. Noch am Montag versammelten sich etwa 50 Spieler und Eltern der betroffenen Mannschaft im Klubhaus, um über die Ereignisse zu sprechen. Ein Vater, der ebenfalls ehrenamtlich als Linienrichter tätig ist, erzählte von seiner Angst, überhaupt noch die Fahne zu heben, wenn es nötig ist.

Die mutmaßlichen Täter wurden am Montag festgenommen, sie werden wegen Totschlags angeklagt. Am Donnerstag sollen sie dem Richter vorgeführt werden. Weitere Verhaftungen seien möglich, teilte die Polizei mit. Für die Ermittlungen wurde eine Sonderkommission eingesetzt. Der SV Nieuw Sloten hat die Jugendlichen bereits aus dem Verein ausgeschlossen und die gesamte Mannschaft aus dem laufenden Wettbewerb genommen. Auf der Internetseite bekundet der Verein ausführlich sein Beileid für die Angehörigen des Verstorbenen. Wie der SC Buitenboys setzt auch der SV Nieuw Sloten alle Aktivitäten in dieser Woche aus.

"Wie können die Sicherungen bei 15- und 16-jährigen Jungs so durchknallen? Wir müssen etwas tun, denn das ist verrückt", sagte Frank de Boer, Trainer von Ajax Amsterdam zu dem Vorfall. Der niederländische Rekordmeister spielt am Dienstag in der Champions League gegen Real Madrid. Der niederländische Verband plant derweil, eine Schweigeminute bei den kommenden Fußballspielen durchführen zu lassen.

Auf den niederländischen Fußballplätzen kommt es immer wieder zu gewalttätigen Zwischenfällen. In der vergangenen Spielzeit registrierte der KNVB insgesamt 873 Vorfälle, wobei jedoch nur die schlimmsten Attacken gemeldet werden. Allein in der vergangenen Spielzeit wurden 105 Amateurmannschaften aus den Ligen genommen, wie eine Studie des Verbands zeigt. Im Sommer hatte der KNVB die Sanktionen für Jugendliche gelockert, er verhängt nun nur noch dreijährige statt lebenslängliche Sperren. Damals hieß es vom Verband: "Nach vielen Reaktionen der Vereine haben wir beschlossen, den Jugendlichen noch eine zweite Chance zu geben."

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