Todesfall im Profifußball:"Vermutlich war es eine Herzrhythmusstörung"

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Am Dienstag starb der 22-jährige spanische Fußballer Antonio Puerta, nachdem er auf dem Platz kollabiert war. Sportarzt Folker Boldt über mögliche Ursachen für den plötzlichen Tod eines Spitzensportlers.

Lars Spannagel

Folker Boldt, 61, ist Ärztlicher Leiter des Zentrums für Sportmedizin in Berlin. Während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 war er Medizinischer Leiter des WM-Standorts Berlin.

Folker Boldt: "So etwas macht mich als Sportarzt ausgesprochen hellhörig." (Foto: Foto: Zentrum für Sportmedizin)

sueddeutsche.de: Herr Boldt, am Samstag brach der spanische Fußballer Antonio Puerta vom FC Sevilla bei einem Punktspiel nach 30 Minuten auf dem Spielfeld ohnmächtig zusammen. Nach mehreren Herzstillständen und drei Tagen im künstlichen Koma starb er gestern im Krankenhaus. Wie kann so etwas einem 22-jährigen Profisportler passieren?

Boldt: Ein plötzlicher Tod bei einem jungen Sportler lässt sich meist auf eine Herzerkrankung zurückführen, die nicht erkannt wurde. Auch in Tests kann Puerta sehr, sehr gute Leistungen gezeigt haben und sich kerngesund gefühlt haben. Augenscheinliche Fitness ist keine Garantie für Gesundheit.

sueddeutsche.de: Was könnte der Auslöser für Puertas Zusammenbruch gewesen sein?

Boldt: Vermutlich eine Herzrhythmusstörung. Das Herz schlägt unkoordiniert und rasend schnell. Bei diesem Kammerflimmern wird aber kein Blut mehr durch den Körper gepumpt, im Gehirn kommt kein Sauerstoff mehr an, man wird bewusstlos.

sueddeutsche: Puerta konnte zwar noch einmal aufstehen, erlitt in der Kabine aber noch mehrere dieser Herzstillstände. Die Klinik gab als Todesursache den dadurch enstandenen Sauerstoffmangel im Gehirn und multiples Organversagen an. Was könnte die Störungen verursacht haben?

Boldt: Die häufigste Todesursache bei jungen Sportlern ist eine Erkrankung des Herzmuskels, die Kardiomyopathie. Die kann geerbt oder erworben sein. Eine von mehreren weiteren Möglichkeiten ist eine Gefäßanomalie. Die Herzkranzgefäße oder Koronararterien sind von Geburt an verengt. Auch eine Herzklappenerkrankung ist denkbar. Die hätte man allerdings eigentlich bei einem routinemäßigen Herz-Check-Up entdecken müssen.

sueddeutsche.de: Profifußballer werden bestens medizinisch betreut. Wieso bleiben solche Defekte unerkannt?

Boldt: Selbst bei regelmäßigen Belastungstests mit EKG und Herzschalluntersuchungen besteht ein Restrisiko von rund fünf Prozent, dass man so etwas nicht bemerkt. Eine weitere Möglichkeit ist außerdem, dass sich der Herzmuskel entzündet hat, zum Beispiel nach einer normalen Grippe. Das kann zunächst ungefährlich sein, aber wenn der Sportler zu früh ins Training einsteigt und sich zu früh zu stark belastet, kann sich das zu einer ernsten Sache entwickeln. Als Profi steht man natürlich unter dem Druck, so schnell wie möglich wieder zu spielen.

sueddeutsche.de: Könnten auch Dopingmittel im Spiel gewesen sein?

Boldt: Das halte ich für unwahrscheinlich. Amphetamine können zwar auch zu einem Herzstillstand führen, aber auf diese Stoffe werden die Spieler inzwischen getestet. Auch Epo kann das Blut so verdicken, dass das Herz stehen bleibt. Da muss man jetzt entsprechende Tests abwarten. Ich tippe aber eher auf eine unerkannte Herzerkrankung als Todesursache.

sueddeutsche.de: Spanische Zeitungen berichten, Puerta sei schon zweimal bei Spielen ohnmächtig geworden, man habe das aber auf große Hitze zurückgeführt.

Boldt: So etwas macht mich als Sportarzt ausgesprochen hellhörig. Wenn ein Patient von einem Kollaps beim Sport berichtet, muss man ihn längerfristiger und aufwendiger untersuchen.

sueddeutsche.de: Sind Zusammenbrüche die einzigen Hinweise auf eine Herzerkrankung?

Boldt: Auch ein Engegefühl in der Brust und Atemnot bei normaler körperlicher Aktivität sind Warnsignale. Häufig wird das als Trainingsmangel fehlinterprentiert - und der Sportler trainiert noch härter. Aber das sind Zeichen, die man unbedingt ernst nehmen sollte. Eine eingehende Untersuchung bei einem Sportarzt ist dringend zu empfehlen, drei Kniebeugen beim Hausarzt reichen nicht.

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