Tiger Woods:Wieder gefürchtet und geachtet

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Dank eines klugen, konsequent befolgten Spielplans beendet British-Open-Sieger Tiger Woods das Gerede um die Vormachtstellung im Golf.

Die Verhältnisse sind zurechtgerückt, alle Spekulationen, Prophezeiungen über neue Machtverhältnisse im Profigolf ad acta gelegt. Mit dem Beginn der British Open auf dem Platz von Royal Liverpool in Hoylake hat Tiger Woods am Sonntagabend all jenen, die glaubten, an seiner Vormachtstellung kratzen zu können, einen Denkzettel erteilt.

Wieder an der Spitze: Tiger Woods. (Foto: Foto: dpa)

Gradlinig und konsequent hatte er im Verlauf der Finalrunde, die er als Führender begann, sein Ziel verfolgt. Nie wich er von der gewählten Strategie ab, nie zauderte er. Immer wieder griff er zu seinen Eisenschlägern, verzichtete bewusst auf Länge, um den tiefen englischen Bunkern zu entgehen. Während sein Spielpartner Sergio Garcia am Sonntag von einer Sandgrube zur nächsten stolperte, vollzog Woods einen Slalom jenseits aller Fallen - innerhalb von vier Runden leistete er sich nur einen Ausflug in die Bunker. Während der Spanier immer wieder versuchte, mit dem Driver die Hindernisse zu passieren (oft erfolglos), kam Woods mit den Eisen nie in ihre Nähe. Er wollte aber auch gar nicht. "Ich hatte das Gefühl, der konservative Ansatz sei der richtige", erklärte Woods. "In meinen Testrunden sind einige Bälle 400 Yards weit geflogen, und weil die Plätze so trocken waren und die Bälle unberechenbar durch die Gegend sprangen, habe ich davon abgesehen, den Driver zu benutzen - man konnte ihn nicht kontrollieren." Sergio Garcia mag ihm da im Nachhinein Recht geben. Aus einem Schlag Abstand zu Woods waren für ihn am Ende des Tages sieben geworden.

Die Lehre, die er daraus ziehen könnte, ist, dass Konsequenz eine der vielen Stärken von Woods ist, die ihn von seinen Kollegen trennt. "Man entwickelt einen Spielplan", sagte Woods, "und dann hält man sich daran. Es gibt Zeiten, da muss man ihn anpassen, aber ich habe mich an meinen die ganze Woche lang gehalten." Das Ergebnis war ein Spiel, wie man es in dieser Perfektion selten gesehen hat. "Ich habe keinen einzigen Schlag schlecht getroffen", resümierte Woods zufrieden. "Sie waren alle satt getroffen, und das ist ein ziemlich schönes Gefühl, wenn man fähig ist, das zu tun." Es waren die besten Schläge mit langen Eisen im Verlauf seiner Karriere.

Derart überzeugtes Eigenlob hört man von Woods selten. Unnahbar und zurückhaltend sitzt der Weltranglisten-Erste üblicherweise nach der Runde bei Pressekonferenzen. Gefühle zu beherrschen hat ihn die permanente Konfrontation mit der Öffentlichkeit gelehrt. Umso einzigartiger ist diese British Open am Ende gewesen. Kaum hatte er auf dem 18.Grün seinen Par-Putt gelocht, lag er nacheinander Caddie Steve Williams, dann Ehefrau Elin und schließlich Trainer Hank Haney lange in den Armen und weinte. Auch bei der Siegerehrung konnte er sich die Tränen nicht verbeißen: "All die Emotionen sind auf einmal durchgekommen", erklärte er später. "Ich vermisse meinen Vater so sehr, und ich wünschte mir so sehr, er hätte hier dabei sein können. Er hat es immer so genossen, wenn ich mir einen Major-Sieg herausgearbeitet habe." Earl Woods, der Mann, der Woods im Alter von drei Monaten zum ersten Mal einen Golfschläger in die Hände legte, war im Mai gestorben. Beim Masters im April hatte Woods versucht, für ihn einen Sieg zu erspielen. "Da habe ich mir den Sieg herbeigewünscht, weil ich wollte, dass er mich noch einmal so sieht", erklärte er am Sonntag. Dieser Druck war sogar für Woods zu groß, so dass er dem Sieger Phil Mickelson nie wirklich gefährlich wurde.

All jene, die seitdem verkündeten, Phil Mickelson sei zurzeit der beste Spieler, hat Woods in Hoylake zum Schweigen gebracht. Energisches Training zu Hause in Orlando mit Coach Hank Haney machte am Wochenende selbst die Tatsache wett, dass Woods seit April nur sechs Turnierrunden bestritten hatte. Klar wurde der Unterschied zwischen Mickelson und Woods aber nicht deshalb, weil Mickelson abgeschlagen auf dem 22. Rang endete, sondern weil man ähnlich souveräne, ruhige Vorstellungen von dem Weltranglisten-Zweiten kaum erwartet - bei Mickelson hängt im Verlauf einer Runde stets die Ahnung eines selbst verschuldeten Debakels in der Luft.

Am liebsten unter Druck

Woods hingegen bleibt meistens cool, vor allem wenn er als Führender die letzte Runde eines Majors beginnt. So auch am Sonntag, als er mit drei Birdies in Serie auf den Löchern 14 bis 16 den einzigen echten Vorstoß eines Konkurrenten (Chris di Marco war auf einen Schlag herangerückt) abwehrte. "Dass ich am Ende so oft vorne liege, hat damit zu tun, dass ich mich in diesen Situationen wohl fühle", sagte Woods. "Ich bin oft genug in solchen Situationen gewesen. Ich habe genügend Erfolg gehabt, um mich in dieser Situation wohl zu fühlen." Genau genommen hat der 30-Jährige solche Situationen ausschließlich erfolgreich beendet. Bei elf Majors lag er vor dem Schlusstag an der Spitze - alle elf Turniere hat er gewonnen. Sein dritter British-Open-Titel nach 2000 und 2005 hat ihn in der Liste der erfolgreichsten Major-Sieger auf Platz zwei gehievt, den er sich mit Walter Hagen teilt. Allein Jack Nicklaus mit 18Titeln gilt es noch zu überholen.

"Hey Tiger, kann ich nicht wenigstens einmal nur eine kleine Chance haben", rief ihm der Zweitplatzierte Chris di Marco am Sonntag zu, als sich ihre Wege nach dem Ende der Runde neben dem Klubhaus kreuzten. Di Marcos Hoffnungen auf den ersten Major-Titel scheiterten nach dem Masters 2005 nun bereits zum zweiten Mal an Woods. Sein Satz weckte ein breites Lächeln auf dem noch von den Tränen gezeichneten Gesicht des Siegers. Ein Lächeln, das zeigte, wie gut es tut, von den Kollegen gefürchtet und geachtet zu werden.

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