"Tiger" ging erstmals K.o.:Michalczewski vor endgültigem Karriereende

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Sein Gesicht war von den harten Schlägen des Gegners schwer zerschunden, doch sein Kämpferherz wehrte sich noch, als er den Ring längst verlassen hatte. Minutenlang saß Dariusz Michalczewski nach der ersten K.o.-Niederlage seiner Karriere in der Kabine und haderte mit dem Ausgang des Kampfes.

Trotz der Beulen und Blutergüsse, die seine klare Unterlegenheit im WM-Fight gegen Halbschwergewichts-Champion Fabrice Tiozzo (Frankreich) widerspiegelten, bestand der Ex-Weltmeister darauf, letztlich nur durch einen einzigen unglücklichen Treffer verloren zu haben.

In den Seilen und angezählt: Dariusz Michalczewski (Foto: Foto: AP)

Dass die Hoffnungen des "Tigers" auf den WM-Gürtel der World Boxing Association (WBA) keineswegs durch einen "Lucky Punch" zerstört wurden, stellte sein Manager Klaus-Peter Kohl später klar: "Wir gewinnen zusammen und wir verlieren zusammen, und diesmal haben wir gegen einen Besseren verloren", erklärte der Hamburger Promoter unmissverständlich.

Michalczewski selbst beurteilte den technischen K.o. in der sechsten Runde anders: "Ich dachte in dieser Phase, dass ich den Kampf kippen kann. Deshalb bin ich wohl etwas leichtsinnig geworden und habe mir die entscheidende Rechte gefangen."

Ob die zweite Niederlage des Deutsch-Polen im 50. Profikampf zugleich auch sein Karriereende bedeutet, ließen Michalczewski und sein Lager offen. "Ich möchte über diese Niederlage schlafen, dann werden wir darüber reden", sagte der 36-Jährige.

Der frühere WBO-Weltmeister hatte sich nach eigenem Bekunden "so konsequent wie lange nicht" auf sein Comeback nach 16 Monaten vorbereitet. Vor dem sportlichen Tiefpunkt in seinen mehr als 13 Jahren als Boxprofi bewahrte ihn das nicht. "Ich habe viele enttäuscht, meine Freunde und das Publikum, das mich toll unterstützt hat. Es tut mir auch für sie sehr leid."

16.500 Zuschauer hatten die seit Wochen ausverkaufte Hamburger ColorLine Arena restlos gefüllt und den "Tiger" begeistert empfangen. Am Ende blieb wie schon bei Michalczewskis erster Niederlage am 18. Oktober 2003, als er an gleicher Stätte dem Mexikaner Julio Cesar Gonzalez klar nach Punkten unterlag, überall nur Ernüchterung.

Hatten die Fans, darunter mehrere Tausend Polen, ihren "Darek" die ersten fünf Runden noch frenetisch nach vorne gebrüllt, so sorgte der erste Niederschlag Mitte der sechsten Runde nach drei aufeinander folgenden Rechten von Tiozzo für lähmende Stille. "Tiozzo hat dann gleich nachgesetzt, ehe ich mich erholen konnte - das hat er gut gemacht", erkannte der Verlierer an.

Sein Trainer Fritz Sdunek machte vor allem die offensive Kampfführung seines Schützlings für die Niederlage verantwortlich. "Dariusz war darauf aus, selber auszuteilen, da hat er nicht so auf die Verteidigung geachtet. Beide haben sehr offen gekämpft, da kann es immer sein, dass ein Schlag entscheidet." Bis zu Tiozzos krachender Rechter war Michalczewski in seiner Profikarriere nur einmal 1995 bei seinem Sieg über den Spanier Roberto Dominguez angezählt worden.

Seine Perspektiven für einen weiteren Kampf sind nach der verpassten WBA-Weltmeisterschaft sehr beschränkt. Der ehemalige IBF-Champion Glen Johnson, der zurzeit den unbedeutenden Titel der IBO trägt, gilt zwar als stärkster und damit interessantester Halbschwergewichtler, doch für den US-Amerikaner dürfte es weitaus lukrativere Duelle geben.

So liebäugelt Mittelgewichts-Weltmeister Bernard Hopkins bereits mit einem Aufstieg um zwei Gewichtsklassen, um sich mit Johnson zu messen. Kaum vorstellbar ist bei Universum auch ein Stallduell um den WBO-Titel, den der Ungar Zsolt Erdei im Vorprogramm des Michalczewski-Fights umstritten mit 2:1 nach Punkten gegen Hugo Hernan Garay (Argentinien) behauptete.

So bliebe angesichts der derzeit vakanten Titel der Verbände WBC und IBF, in denen sich Michalczewski hinten anstellen müsste, als namhafter Gegner nur der seit Jahren immer wieder ins Spiel gebrachte Roy Jones Jr. (USA). Doch der 36-Jährige verlor seinerseits zuletzt zweimal durch K.o., was einen Kampf gegen den "Tiger" automatisch zum Duell der Verlierer machen würde.

© von Oliver Görz, sid - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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