Testspiel:Späte Rettung durch Ramelow

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Mit einem glücklichen Tor in der Schlussminute sichert der Leverkusener Carsten Ramelow den glanzlosen 2:1-Arbeitssieg der deutschen Nationalelf in Kroatien.

Kroatien ist kein Gegner der ersten europäischen Kategorie mehr, deshalb reichte der deutschen Fußball-Auswahl gestern Abend in Split eine teilweise ordentliche Arbeitsleistung sowie ein Aufbäumen in der Schlussphase, um den 2:1 (1:0)-Sieg sicherzustellen.

Oliver Kahn segelt unter einem kroatischen Eckball hindurch, Mato Neretljak steigt hoch unt köpft unter entsetztem Staunen der Herren Lahm, Baumann und Nowotny (von links) zum 1:1-Ausgleich ein. Zur Ehrenrettung sei gesagt, dass die deutsche Mannschaft ohne ihren Torwart kaum als Sieger vom Platz gegangen wäre (Foto: Foto: dpa)

Vor 15.000 Zuschauern hatte Miroslav Klose die DFB-Elf in Führung gebracht, nach Neretljaks Ausgleich gelang Carsten Ramelow der Siegtreffer in der letzten Spielminute. Für Teamchef Rudi Völler war das gelungene Debüt des Stuttgarters Philipp Lahm die wichtigste Erkenntnis aus einem mäßig-soliden Gesamtauftritt.

Kroatiens Fan-Tross hatte den Weg gen Dalmatien nur in geringer Stückzahl gefunden - hatte sich das Volk schon so an die Heimspiele in der Hauptstadt Zagreb gewöhnt, oder ist in Vergessenheit geraten, dass es sich bei der deutschen Auswahl immerhin um den WM-Zweiten handelt?

Erste Großtat des Neulings

Der Auftakt ließ jedenfalls nicht vermuten, dass hier die Stützen der zeitgenössischen Fußballkunst versammelt sein könnten: Ein schleppendes Viertelstündchen voller Ballgestochere, von Kombinationsspiel war auf beiden Seiten nichts zu sehen. Dann hatte der Debütant aus Stuttgart seinen ersten großen Auftritt: Philipp Lahm beförderte einen Kopfballaufsetzer Simunics von der eigenen Torlinie, vorausgegangen war der erste Eckball für Kroatien.

Eingedenk der strengen Völlerschen Arbeitsthese, hier in Split wolle er erkennen, auf wen er sich auch bei der Europameisterschaft im Sommer in Portugal verlassen könne, wirkte das deutsche Kollektiv zunächst erstaunlich lethargisch. Wenig bis nichts zu sehen war von der Mittelfeldachse Frings, Hamann, Freier, Baumann, dafür war Torwart Kahn bald mehr und mehr am Brüllen. Besonders in der 24. Minute, als ihn erst Klasnic aus 15 und dann Rosso aus 20 Metern zu Flugeinlagen zwangen, die nachfolgenden Eckbälle brachten nichts ein.

Erst Kahns Kollege Pletikosa auf der Gegenseite gelang es schließlich, die DFB-Auswahl wachzurütteln. Kroatiens Torwart unterlief ohne Not einen Freistoß von Freier, doch Kuranyi brachte das unerwartete Geschenks derart aus der Fassung, dass er den Ball aus fünf Metern neben das leere Tor köpfte (29.). Immerhin, ein Anfang war gemacht.

Ereignisloser Trott nach dem Führungstreffer

Und nur fünf Minuten später ging Völlers Team überraschend in Führung: Klose hatte den Ball ziellos vors Tor geköpft, Kuranyi legte ihn - gleichfalls per Kopf - noch einmal quer, der durchgestartete Klose erwischte das Spielgerät diesmal mit der Kniespitze und drückte zum 1:0 (34.) ein. Es folgte noch ein rasanter Sololauf von Lahm, dann fiel die Partie in den ereignislosen Trott zurück.

Kroatiens Trainer Otto Baric reagierte in der Halbzeitpause, ließ den als Unruheherd in der eigenen Abwehr identifizierten Bayern-Verteidiger Robert Kovac in der Kabine und brachte Dario Simic, Bankdrücker vom AC Mailand ohne aktuelle Spielpraxis. Trotzdem übernahmen zunächst wieder die Gastgeber die Regie, und wieder stand Kahn im Brennpunkt. Einen Freistoß aus 23 Metern von Srna ließ er von der Brust abprallen, dem Nachschuss von Niko Kovac warf sich im letzten Moment Wörns in die Flugbahn (51.).

Müheloses Verwalten der Partie

Diesmal kam allerdings auch Völlers Team besser in die Gänge. Nach 56 Minuten zog Kuranyi mit einem feinen Pass von Freier davon, spitzelte den Ball aber nicht nur knapp an Torwart Pletikosa vorbei, sondern auch an dessen Gehäuse. Ramelow kam für Frings, als gälte es schon nach einer Stunde, den knappen Vorsprung über die Zeit zu bringen. Doch von den Kroaten ging kaum noch Gefahr aus, immer häufiger brachten sie sich mit Fehlpässen selbst in Bedrängnis und die deutsche Auswahl in die komfortable Situation, die Partie ohne viel Aufwand verwalten zu können.

Bobic kam für Kuranyi, Schauplatz der nächsten Großchance war jedoch der deutsche Strafraum: Der eingewechselte Olic lief allein aufs Tor zu, erschrak dann aber so sehr vor Kahns Gestalt, dass er dieselbe nur aus 18 Metern anschoss, statt weiter zu laufen und das Duell zu suchen. Der Nachschuss landete weit über dem verlassenen deutschen Tor (69.).

Spätestens jetzt waren die Kroaten zum idealen EM-Aufbaugegner mutiert. Hamann drosch einen Freistoß aus 30 Metern knapp neben den Pfosten (76.), den Rest versuchten Rudis Mannen mit Routine über die Zeit zu bringen gegen ein kroatisches Team, das zwar ebenfalls zur EM nach Portugal fährt, aber seinen großen Individualisten der vergangenen Jahre nachtrauern muss.

Völler brachte Lauth für Klose, mehr Aufregung in die Partie brachte allerdings nur die deutsche Abwehr, die sich mit pomadigen Aktionen aus dem Rhythmus brachte. Noch einmal rannten die Kroaten an, Kahn hielt gegen Babic (83.), doch Neretljak profitierte nach Kovacs Eckball vom einzigen Fehlgriff des DFB-Torhüters und köpfte den Ausgleich (86.). Immerhin, die DFB-Elf blieb unbeeindruckt, sie kam gleich wieder ins Spiel zurück. Und hatte Dusel, dass Tomas einen 18-m-Schuss von Ramelow unhaltbar ins eigene Tor abfälschte (90.).

© SZ vom 19.02.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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