Testspiel Schweiz - Deutschland:Wie Holland, nur mit Bergen

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Das letzte Testspiel gegen die Schweiz brachte den deutschen Fußballern den Titel "schlechteste Nationalelf seit Menschengedenken" ein. Die darauf folgende Europameisterschaft wurde ein Fiasko. Jetzt erwartet Völlers Mannschaft wieder die Schweiz und wieder eine EM - doch diesmal soll alles anders werden.

Von Ludger Schulze

Vier Jahre, einen Monat und vier Tage ist es her, dass sich letztmals eine deutsche Nationalmannschaft mit den Fußballkollegen aus der Schweiz gemessen hat. Damals, in Kaiserslautern, kickten bereits fünf Mann aus dem aktuellen DFB-Kader für die Europameisterschaft mit, und die Fünfe würden sich vermutlich wünschen, bitte, bitte nie mehr daran erinnert zu werden.

2:1 endete das Spiel Deutschland gegen die Schweiz - bei der zur Zeit in Deutschland stattfindenden U21-Europameisterschaft. (Foto: Foto: dpa)

Speziell der Torwart Jens Lehmann (daneben Wörns, Ballack, Ziege, Hamann) dürfte viel darum geben, wenn dieser Pfälzer Abend aus seiner Vita getilgt würde. Einen an Harmlosigkeit kaum zu übertreffenden Kullerball ließ er so grotesk durchrutschen, dass die Böcke, die sein Vormann Oliver Kahn in letzter Zeit schoss, dagegen als torhüterliche Glanznummern zu betrachten sind.

"Ein Bällchen das jeder Sesselfurzer mit der Mütze gehalten hätte"

Lehmann, so schrieb das Streiflicht der SZ, habe "ein Bällchen in sein Tor gelassen, das jeder von uns Sesselfußballern und -furzern (wie untrainiert und verfettet auch immer) ohne Mühe, sozusagen mit der Mütze gehalten hätte!" Lehmann wurde fortan in einer Weise niedergebuht und ausgepfiffen, als hätte das Publikum ihn für alle Ewigkeit aus dem Kasten verbannen wollen.

Zwar gewannen die Deutschen, nur Gott allein weiß warum, 2:1, aber die Londoner Daily Telegraph schrieb nach diesem Ausfluss sportlichen Grauens treffend, diese Nationalelf sei "die schlechteste seit Menschengedenken". Eindrucksvoll bestätigte das Team des Herrn Ribbeck dieses vernichtende Urteil in der nächsten Instanz bei der EM in Belgien und den Niederlanden.

Es ist also ein wenig mutig, wenn Rudi Völler sich an diesem Mittwoch (20.45 Uhr, live im ZDF) gegen den selben Testgegner wagt, noch dazu auf fremdem Terrain in Basel. Zur Pressekonferenz im Schwarzwald-Trainingslager in Winden schickte er vorsichtshalber seinen Kompagnon Michael Skibbe, der zu berichten wusste, man habe sich gemeinsam mit den Spielern ein Video der zwei letzten Schweizer Spiele angesehen.

Fast wie Holland

Das Fazit: "Die taktische Ausrichtung ähnelt der der Holländer" - mit Viererabwehrkette, deren Außen starken Offensivdrang zeigen, einem rautenartigen Vierer-Mittelfeld mit dem offensiven Hakan Yakin (VfB Stuttgart) und zwei Stürmern, von denen einer der alte Bekannte Stephane Chapuisat (einst Torjäger bei Borussia Dortmund) sein wird.

Nach Aussage seines Trainers Jakob "Köbi" Kuhn erlebt "Chappi", 34, gerade "seinen vierten, oder was weiß ich wievielten Frühling", auf jeden Fall in Basel sein 100.Länderspiel. In Reihen der Eidgenossen, die bei der EM in ihrer Gruppe vor einer nicht ganz leichten Aufgabe gegen Frankreich und England stehen, sind vier Gehaltsempfänger aus der Bundesliga: neben Yakin der Torwart und Kapitän Jörg Stiel (zuletzt Mönchengladbach), Bruno Berner (SC Freiburg) und Raphael Wicky (Hamburger SV).

Man kennt einander also bestens, weshalb Bundestrainer Skibbe sich ein wenig windet bei der Erklärung, dass die taktischen Parallelen keine personelle Entsprechung finden: "Man darf sagen, dass die individuellen Stärken der Holländer stärker einzuschätzen sind."

Die Niederländer sind zum EM-Auftakt am 15. Juni in Porto Gegner der DFB-Auswahl. In der geht es, wie der sid schrieb, derzeit zu wie in einer "Wechselstube". Diverse Spieler wie Kahn, Frings, Ballack und andere sind in tatsächliche oder nur vermeintliche Transfer-Affären verstrickt, was laut Skibbe jedoch den Blick aufs Wesentliche nicht verstellt: "Es ist nicht erkennbar, dass die Spieler sich nicht hundertprozentig konzentrieren würden."

Wie einst bei der WM 02

Im Gegenteil, ihn erinnert die Haltung des Kaders an die WM 2002, als ein ebenfalls unterschätztes Team ins Finale einzog. Und jetzt, wenige Tage vor dem nächsten Turnier? "Wir sind in der Lage, uns da wieder heranzuspielen." Der Großteil der Mannschaft, die in Basel aufläuft, wird dies auch gegen die Niederländer tun. Acht, neun Spieler seien für die Wunschelf gesetzt, was die Herren Kahn, Wörns, Nowotny, Friedrich, Lahm, Frings, Hamann, Ballack, Schneider beruhigen dürfte. Aus etwa sechs weiteren Kickern wird sich die Erstbesetzung für die EM herausschälen.

Die Aufstellungen:

Schweiz: Stiel (Borussia Mönchengladbach/36 Jahre/17 Länderspiele) - Haas (West Bromwich Albion/26/27), Müller (Olympique Lyon/27/46), Murat Yakin (FC Basel/29/40), Berner (SC Freiburg/26/14) - Huggel (FC Basel/26/5), Vogel (PSV Eindhoven/27/63), Hakan Yakin (VfB Stuttgart/27/30), Wicky (Hamburger SV/27/51) - Frei (Stade Rennes/24/25), Chapuisat (Young Boys Bern/34/99)

Deutschland: Kahn (Bayern München/34/67) - Friedrich (Hertha BSC/25/18), Wörns (Borussia Dortmund/32/54), Nowotny (Bayer Leverkusen/30/41), Lahm (VfB Stuttgart/20/4) - Schneider (Leverkusen/30/35), Hamann (FC Liverpool/30/53), Ballack (Bayern München/27/39), Frings (Dortmund/27/27) - Klose (1. FC Kaiserslautern/25/36), Kuranyi (Stuttgart/22/11) Schiedsrichter: Messina (Ita).- Anpfiff: 20.45 Uhr (ZDF).

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