Testspiel gegen Frankreich:Ein Wendepunkt, womöglich

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Die deutsche Trainerin Steffi Jones (M) klatscht ab mit der Doppeltorschützin Alexandra Popp (r). (Foto: dpa)

Kantersieg gegen einen der WM-Favoriten: Den Bewährungstest für die Trainerin Steffi Jones meistert Deutschland imposant. Aber war das 4:0 gegen Frankreich mehr als ein einzelnes Highlight?

Von Anna Dreher, Bielefeld

Almuth Schult musste sich aufwärmen. Sie zog die Beine an, lief von einer Seite auf die andere, dann kreiste die Torhüterin in großen Bewegungen die Arme und schüttelte sich. Mitten im Spiel. Mitten in ihrer Hälfte. Immer wieder. Es war ein gutes Zeichen, ihre Aufwärmübungen sagten viel über diesen Fußballabend in Bielefeld aus. Denn was sollte Schult auch anderes machen? Sie hatte sonst nun mal wenig zu tun. Das deutsche Frauennationalteam spielte im Länderspiel gegen Frankreich am Freitagabend wieder den Fußball, den sie schon seit Monaten zeigen wollte, aber nicht konnte: mit einer stabilen Defensive, dominant und selbstbewusst, vorne schlagkräftig. 4:0 stand am Ende auf der Anzeigetafel in einem Spiel, das nicht nur ein Test, sondern auch eine Bewährung war - und womöglich ein Wendepunkt.

Reinhard Grindel, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hatte das letzte Länderspiel des Jahres an ein Ultimatum geknüpft. Die Leistung gegen Frankreich werde als Gradmesser dafür gesehen, ob sich Deutschland mit Bundestrainerin Steffi Jones nach einer enttäuschenden Europameisterschaft und mäßigen Leistungen in den ersten Qualifikationsspielen zur Weltmeisterschaft 2019 auf einem guten Weg befinde. "Es kommt jetzt darauf an, dass wir das Gefühl bekommen, dass wir die Qualifikation schaffen können", sagte er vor ein paar Wochen. Nach dem deutlichen Sieg der DFB-Frauen, den er lange Zeit regungslos im Stadion mit verfolgte, zog er es vor zu schweigen.

"Das Spiel hat gezeigt, wer wir wirklich sind"

Dafür sprachen andere, die Spielerinnen, die ihre Antwort auf die vom Präsidenten geweckte Trainerfrage gegeben sahen. "Die Leistungen waren zuletzt nicht nur schlecht, sondern ganz schlecht. Das Spiel heute hat gezeigt, wer wir wirklich sind", sagte Alexandra Popp. "Es ist nicht an uns als Mannschaft, dem Präsidenten zu sagen, dass er sich zurückhalten soll. Wir haben heute auf dem Platz ein gutes Signal gezeigt, für uns stand Steffi nicht zur Debatte." Popp war es, die an diesem Abend den Grundstein für einen Sieg legte, der nicht nur das Selbstvertrauen der Mannschaft gestärkt hat, sondern auch die Position der Bundestrainerin. Deutschland begann gegen Frankreich von Beginn an konzentriert, nutzte Lücken im Spiel der schwach auftretenden Französinnen und ließ mit der eigenen defensiven Kompaktheit kaum welche zu. Jene Unsicherheit, die zuletzt so oft das Auftreten kennzeichnete, war verdrängt worden von Spielfreude.

Nach einem Freistoß von Spielführerin Dzsenifer Marozsan köpfte Popp zum 1:0 ein (21. Minute) und gab schließlich nach einer Ecke von Verena Faißt die Vorlage zum 2:0, das die an diesem Abend zu den auffälligsten Spielerinnen zählende Svenja Huth eher zufällig mit dem Rücken erzielte (39.). Über die gesamte Spielzeit kam Deutschland zu guten Chancen, meist eingeleitet durch die in der 4-2-3-1-Grundformation im Mittelfeld dirigierenden Marozsan und Tabea Kemme. Die Konstellation funktionierte gut, Marozsan war mit ihrer technischen Präzision mehr für die Offensive zuständig, während Kemme die Abräumerin gab. "Keine von uns war zuletzt zufrieden, wir haben uns alle hinterfragt, und jetzt sind wir im positiven Sinne explodiert", sagte Kemme. "Wir wussten um die Situation, umso mehr war das Spiel heute eine Genugtuung. Wir sind wieder in den Flow reingekommen."

Die Trainerin sagt, sie hätte nie gezweifelt

Warum dieses große Potenzial während und nach der EM im Zusammenspiel nicht abgerufen werden konnte und nun wie selbstverständlich wieder da war, obwohl neun Spielerinnen verletzt fehlten, blieb den Akteuren selbst jedoch auch nach der Leistungssteigerung gegen Frankreich ein Rätsel. Auf die Niederlage gegen Island - die erste in einer WM-Qualifikation seit 19 Jahren - hatte es eine mannschaftsinterne Aussprache gegeben. Jede, hieß es am späten Freitagabend, sei noch mal in sich gegangen und von Wochenbeginn an sei eine ganz andere Spannung zu spüren gewesen. Der neue Fokus jedenfalls führte zu einer Dominanz, die Frankreich weitgehend überforderte. Nur zwei Mal kam die Mannschaft von Corinne Diacre vor 6505 Zuschauern zu gefährlichen Chancen. In der 44. und 53. Minute waren es dann erneut Popp und Huth, die trafen. Ausgerechnet jene Stürmerinnen, die bei der EM im Sommer verletzt gefehlt hatten. Eugénie Le Sommer sorgte dafür, dass die Deutschen an diesem Abend makellos blieben: Kurz vor Schluss schoss die Französin einen Foulelfmeter links am Tor vorbei.

Die Bundestrainerin wird also wohl auch im neuen Jahr Steffi Jones heißen. Ein Umstand, der für die 44-Jährige selbst gar kein Thema war. "Ich habe nie drüber nachgedacht, dass irgendwas passieren könnte, wenn wir heute verlieren. Ich habe das nicht so verstanden vom Präsidenten", sagte Jones zufrieden bei der Pressekonferenz. Man habe sich nicht beeindrucken lassen von dem, was von außen an das Team herangetragen wurde: "Es war wichtig, dass wir uns als Team bestätigt und gezeigt haben, was wir können", sagte Jones - mit dem Lächeln eines Menschen, der genau weiß, dass er gerade gestärkt aus einer heiklen Situation herausgekommen ist.

© SZ vom 26.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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