Tennisturnier in Halle:Heimatgefühle

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Alexander Waske hat völlig überraschend den French-Open-Sieger Rafael Nadal bezwungen - die anderen Deutschen schlagen sich auch nicht schlecht.

Von Ulrich Hartmann

Halle/Westfalen - Alexander Waske? "Nein", hatte Rafael Nadal vor dem Spiel gesagt, über den wisse er nicht viel, ihm sei allenfalls der Name geläufig.

Umgekehrt war das anders. Nadal hat am Sonntag die French Open in Paris gewonnen mit seinen gerade mal 19 Jahren, und deshalb wusste der 30-jährige Waske aus Frankfurt/Main am Mittwoch auch sehr gut, mit wem er es da in der ersten Runde des Rasenturniers im westfälischen Halle zu tun hatte.

Waske hat dem als Wunderkind apostrophierten Mallorquiner also mit waghalsigen Aufschlägen beizukommen versucht, und er hat es am Ende tatsächlich geschafft, den gerade erwachsenen Traum des Spaniers auf die alleinige Übernahme der Weltranglistenspitze gleich wieder zu zerstören.

Waske besiegte Nadal völlig überraschend mit 4:6, 7:5 und 6:3, machte damit allerdings weder seinem Kontrahenten noch dem Weltranglisten-Ersten Roger Federer eine rechte Freude, denn der Schweizer hatte schon auf das mögliche Halbfinalduell am Samstag gegen Nadal herbei gesehnt, in welchem er sich beim Spanier für die Semifinalniederlage von Paris zu revanchieren gedachte.

Die Favoriten tun sich schwer in dieser Woche in Halle. Federer wäre zum Auftakt beinahe gegen den Schweden Robin Söderling ausgeschieden, und auch der an Position zwei gesetzte Russe Marat Safin schaffte es nur deshalb ins Viertelfinale, weil sein französischer Gegner Fabrice Santoro im dritten Satz verletzt aufgeben musste.

Kleinkind auf Schlafentzug

Sehr viel besser fühlen sich dieser Tage in der ostwestfälischen und mit 659.000 Euro dotierten Tennisidylle die deutschen Spieler, die in Halle regelmäßig Heimatgefühle entwickeln. Rainer Schüttler hat es dort im ansonsten verkorksten Jahr 2004 bis ins Halbfinale geschafft, und auch diesmal hat er die für ihn oft problematische erste Runde erfolgreich überstanden - wenn auch vor allem deshalb, weil sein Kontrahent David Nalbandian sich während des Matches aufführte wie ein Kleinkind auf Schlafentzug.

Der 23-jährige Argentinier hat aus unerfindlichen Gründen erst das ihm zugewiesene Sitzmöbel malträtiert, denn seinen Schläger zertrümmert und das Spiel schließlich lieb- und kampflos hinter sich gebracht.

Jetzt muss er die Woche ohne weitere Praxis beenden und dem Veranstalter die lädierte Bank ersetzen. "So etwas habe ich noch nicht erlebt", sagte Schüttler, aber weit wichtiger war ihm der Verbleib im Turnier. "Einmal in der zweiten Runde zu sein, das ist wichtig, das ist schon ein paar Wochen her", hat er gesagt.

In Halle fühlen sich die deutschen Spieler wohl und betonen das gerne. "Das Turnier ist eine Sensation", sagt Schüttler. Stadion und Hotel stehen gleich nebeneinander auf einer schmucken Anlage mitten in ländlicher Provinz, die Aktiven werden rührend umsorgt und die dadurch geförderte Affinität zur Heimarbeit vor dem wohlgesonnenen Publikum weckt bei einigen Spielern sportliche Reserven.

Von sieben Deutschen haben es in Halle fünf in die zweite Runde geschafft. Im Achtelfinale trifft Waske heute auf den Spanier Juan Carlos Ferrero.

Eine Art Rasen-TÜV

"Auch in schwierigen Phasen ihrer Karriere können viele unserer Stars in Halle frisches Selbstbewusstsein tanken", sagt der Turnierdirektor Ralf Weber im Stile eines Kurdirektors und wittert schon positive Auswirkungen auf das Turnier von Wimbledon übernächste Woche und für das Relegationsspiel im Davis Cup im September in Tschechien.

Nach dem überraschenden Gewinn des World Team Cups vor drei Wochen in Düsseldorf gedeihen im Westen weitere Hoffnungen auf eine bessere deutsche Tenniszukunft und auf Erfolge bereits in Wimbledon.

Dort hatte im vergangenen Jahr nur Florian Mayer den Sprung ins Viertelfinale geschafft. Mayer ist auch in Halle noch im Geschäft, aber das könnte sich am heutigen Donnerstag schnell ändern, wenn er auf den zweimaligen Turniersieger und Titelverteidiger Roger Federer trifft.

Das Spiel dürfte für den 21-jährigen Bayreuther eine Art Rasen-TÜV werden, denn besser als gegen den Schweizer Weltranglistenersten ist die Form auf Gras nicht zu überprüfen.

Zeit zur Muße hat hingegen Nicolas Kiefer, der bei den French Open wegen einer Halswirbelverrenkung nicht zum Viertelfinale hatte antreten können und nun in Halle gleich in der ersten Runde am Serben Nenad Zimonjic gescheitert ist.

Der 27-Jährige war allerdings froh, dass er sein Spiel überhaupt hat absolvieren können. "Schon das war ein Riesenbonus", sagte Kiefer, der noch bis zum Ende der Woche in Halle verweilen will, weil er dort den chinesischen Akkupunkturservice des Veranstalters zu schätzen gelernt hat.

Mitte kommender Woche will sich Kiefer dann ausgeruht nach London begeben: "Um mich dort schon mal einzugewöhnen."

© SZ vom 9.6.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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