Tennis:Unordnung im Becker-Land

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Deutschland glänzt international mit seiner reichhaltigen Turnier-Landschaft. Und trotzdem beklagt die deutsche Tennis-Szene ein negatives Image

Von René Hofmann

Die Woche hat schlecht begonnen. Am Montag regnete es, kein Ball flog. Am Dienstag verabschiedete sich Rainer Schüttler in Runde eins des Turniers, ihm folgte am Mittwoch Florian Mayer. Damit gab es nur noch einen Deutschen bei den BMW Open in München: Tommy Haas.

Am gestrigen Donnerstag setzte er sich im Achtelfinale gegen den Koreaner Hyung-Taik Lee durch. Drei Break-Chancen musste Haas abwehren, doch weil er sich im entscheidenden Moment konzentrierte, stand es nach 67 Minuten 6:3, 6:4, was Rudi Berger gefreut hat. "Die deutsche Bedeutung ist sehr hoch", sagt der Turnierdirektor.

Seit Berger das Amt vor vier Jahren von Niki Pilic übernahm, hat er konsequent auf einheimische Größen gesetzt und damit die Zuschauerzahlen nach und nach gesteigert. In diesem Jahr dürfte das wegen des Regens schwer werden, das Turnier auf der Anlage des MTTC Iphitos am Aumeisterweg steht dennoch auf einem soliden Fundament.

Negatives Bild in den Medien

Der Hauptsponsor hat seinen Vertrag 2004 vorzeitig um drei Jahre verlängert. Die Agentur, die dem Klub das Turnierrecht abkauft, wird mindestens ebenso lange dabeibleiben. Die Münchner eröffnen traditionell die deutsche Tennissaison, am Montag treten in Berlin die Frauen an. Darauf steht in Hamburg das Masters der Männer an, von denen viele direkt zum World Team Cup nach Düsseldorf weiterziehen. München ist ein guter Ort, um einen Seismograph aufzustellen. Was bewegt sich in der Szene?

Wenn man Rainer Schüttler fragt, schlägt der Seismograph gleich heftig aus. "Es ist erschreckend, wie wenig das Fernsehen sendet", sagt Schüttler, der auch Vorsitzender des Spielerrats ist: "Die Turniere sind gut besucht, aber das Tennis wird negativ dargestellt."

Stefan Füg, der Tommy Haas vermarktet, hat Zahlen: "1999 kamen in Deutschland mehr als 3800 Stunden Tennis im TV. Im vergangenen Jahr waren es kaum 300." An dem Verhältnis lässt sich ablesen, wie schwer das Geschäft geworden ist. Um für Sponsoren attraktiv zu sein, benötigt ein Sportler dreierlei: Präsenz, Charakter, Erfolg. In der Reihenfolge, weshalb es Tennisprofis hierzulande im Moment nicht leicht haben.

In Hamburg hat der NDR gerade einen vielsagenden Rückzieher vollzogen. Die Tatsache, dass der Deutsche Tennis-Bund einen privaten Radiosender fand, der sein Turnier präsentieren will, nutzten die öffentlich-rechtlichen Fernsehmacher zum Ausstieg.

Tendenz: abnehmend

Das Interesse der Zuschauer sei in den vergangenen Jahren "äußerst gering" gewesen, "mit abnehmender Tendenz", teilt Sprecher Martin Gartzke mit. Künftig wolle der Sender bei der Berichterstattung "rein journalistische Kriterien" anlegen. Der Rückzug ließ Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust zürnen ("keine lokalpatriotische Verantwortung"), weil er seinen Bemühungen entgegenläuft, Hamburg als Sportstadt zu etablieren.

Nach langem Tauziehen hat der Senat dem Tennis-Bund erlaubt, sein Stadion am Rothenbaum das ganze Jahr über zu nutzen. Angedacht sind Schwimm-Meisterschaften und Pavarotti-Konzerte, die dem Verband das Überleben erleichtern sollen. Allzu weit sind die Planungen aber noch nicht gediehen.

Der Club an der Alster, auf dessen Gelände das Stadion steht, hat sich im Erbpachtvertrag mit dem DTB ein Mitspracherecht zusichern lassen, das einem Mitverdien-Recht gleichkommt. In der jetzigen Form - Eigner: DTB; Chairman: Boris Becker - soll der Status des Hamburger Turniers bis zum Jahr 2007 gehalten werden. Neue Schulden will Verbands-Präsident Georg von Waldenfels dafür aber nicht anhäufen. Das Berliner Frauenturnier hat er deshalb bereits für gut 6,5 Millionen Euro nach Katar verkauft.

Weil die Frauentour WTA einen Umzug untersagte, wird es in diesem Jahr noch einmal in Berlin ausgetragen, als Katar German Open. Stellt sich die WTA quer, könnte es auch 2006 zu dem Kuriosum kommen. Für 2007 ist eine tiefgreifende Neuordnung des Turnierkalenders zu erwarten.

"Psachologisches Problem"

Der LTTC Rot-Weiß, auf dessen Anlage das Spektakel steigt, und der sich mit dem DTB in einem "Streitverhältnis" (Präsident Hans-Jürgen Jobski) über die Frage befindet, ob ihm noch Geld zusteht, würde anschließend gerne eine Team-WM für Frauen ausrichten. Georg von Waldenfels erwägt, den Scheichs ihr Turnier der zweiten Kategorie abzunehmen. Ein Vorkaufsrecht hat der DTB allerdings nicht. An Berlin wäre die Veranstaltung dann auch nicht mehr gebunden.

So geordnet wie in München sind die Verhältnisse also keineswegs überall. "Tennis befindet sich stabil unter den beliebtesten Fernsehsportarten", sagt Klaus Cyron. Der Geschäftsführer der Agentur, welche die BMW Open veranstaltet, ist sich sicher: "Die vermeintliche Krise ist ein psychologisches Phänomen, weil jeder noch den Hype aus der Becker-Zeit im Kopf hat."

Quo vadis Tennis - das war in dieser Woche auch Thema einer Podiumsdiskussion am Aumeisterweg. Dabei hat der Profi Alexander Waske einen hübschen Satz gesagt: "Die Suche nach einem neuen Boris Becker ist unglaublich schwer. Den gab's nämlich schon."

© SZ vom 29.04.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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