Tennis-Masters of Legends:Wütende alte Männer

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Boris Becker hat einige seiner früheren Konkurrenten zum Altherren-Tennis eingeladen. Im Gepäck hatten sie: ihre bekannten Schimpftiraden.

Yasmin Schulten, Düsseldorf

Mit voller Wucht knallt der rote Tennisschläger gegen die Bande. Der Jähzorn des John McEnroe ist ausgeprägter denn je. Gegen Deutschlands Liebling Boris Becker zeigt der ehemalige amerikanische Tennisprofi McEnroe seine gewohnte, wenn auch nicht beste Seite: impulsiv und laut fluchend. Natürlich müssen da auch einige Bälle und Schläger wild durch die Luft fliegen.

Höhepunkt des Turniers: Boris Becker trifft auf John McEnroe. (Foto: Foto: dpa)

Rund 3000 Zuschauer sind am Mittwochabend in die nahezu ausverkaufte Arena Burg-Wächter-Castello nach Düsseldorf gekommen, um die Tennishelden längst vergangener Zeiten zu bestaunen. Auf Einladung des erfolgreichsten deutschen Tennisspielers, Boris Becker, duellieren sich hier bis Samstag die Tennisgrößen der achtziger und neunziger Jahre im Länderturnier Masters of Legends. Bis Samstag spielen die Teams Deutschland, USA, Schweden, Frankreich und Kroatien um ein Preisgeld von 250.000 Euro. Und außerdem um die Reputation, auch als Tennissenioren noch immer volle Power zu besitzen. Auch wenn sie im Einzel nur einen Gewinnsatz spielen, im Doppel sogar nur zwei oder maximal drei Tiebreaks.

Nach verletzungsbedingten Absagen von Björn Borg, Patrik Kühnen und Patrick McEnroe, treffen Boris Becker, Carl-Uwe "Charly" Steeb, Eric Jelen, Michael Stich, Marc Kevin Göllner, John McEnroe, Justin Gimelstob, Jan Gunnarsson, Anders Jarryd, Henri Leconte, Cédric Pioline, Goran Ivanisevic und Goran Prpic im Duell der Ex-Giganten aufeinander.

Die Mätzchen des Franzosen

Den Auftakt machte der Franzose Leconte gegen den Kroaten Ivanisevic. Nach einem pompösen Einmarsch mit bunter Diskobeleuchtung, Popmusik, Flagge und Hymne, führte der Franzose ein paar seiner bekannten Mätzchen vor. Das anfangs verhaltene Publikum reagierte begeistert, nicht zuletzt weil Leconte so darüber hinwegtäuschte, dass er mit einem sichtlich unterm T-Shirt spannenden Bäuchlein keine Chance hatte.

Immerhin unterhielt Leconte die Zuschauer. Einen Fehler kommentierte Leconte mit französischem Akzent auf Deutsch: "Schade, schade." Nach dem 2:6 erklärte er seine Taktik: "Meine Strategie war es, Gorans Aufschläge zu returnieren. Das lief, wie man sah, total schief."

Revanche für Hartford

Den ersten Höhepunkt aus deutscher Sicht sollte dann Charly Steeb liefern, gegen den 30-jährigen und erst vor kurzem von der ATP-Tour zurückgetretenen US-Amerikaner Justin Gimelstob. Doch auch wenn Steeb nach dem Match einräumte, dass er besser spielen könne - es war offensichtlich, dass der Altersunterschied von zehn Jahren zu groß war.

Die Zuschauer ließen sich dennoch nicht entmutigen, denn das Highlight des Abends, vielleicht des gesamten Turniers stand noch bevor. Und wurde vom Fernsehsender ProSieben ab 22:35 Uhr live übertragen: Boris Becker gegen John McEnroe.

Es sollte eine Revanche für ein Spiel vor rund zwanzig Jahren werden. Damals im Jahr 1987 lieferten sich die beiden beim Daviscup-Spiel im amerikanischen Hartford einen wahren Matchmarathon, den Becker nach sechs Stunden und 21 Minuten für sich entscheiden konnte. Boris konnte den Erfolg allerdings nicht wiederholen und verlor nach einem Gewinnsatz im Tiebreak mit 6:7.

Der acht Jahre ältere Amerikaner McEnroe zeigte sich von Beginn an flinker auf den Beinen. Auch mit 48 Jahren wirkte der ergraute McEnroe athletisch und fit, nicht zuletzt weil er bis heute aktiv auf der Senioren-Tour aufschlägt und 2006 sogar noch im Doppel auf der ATP-Tour mit seinem Partner Turniersiege feiern durfte. Aber er wäre nicht John McEnroe, wenn er sich nicht auch an diesem Abend lautstark mit Schiedsrichter und Publikum angelegt hätte. Für ihn zählt jeder Punkt und so überraschte es nicht, dass er während der ersten Ballwechsel beim Stand von 30:30 laut "what?" durch die Halle schrie, als der Schiedsrichter seinen ersten Aufschlag im Aus sah. Tiraden gegen Schiedsrichter Roland Herfel ("Betrüger") und gegen das Publikum ("Ihr seid echt scheiße") folgten.

Einzigartige Haltung beim Aufschlag: John McEnroe, wie früher. (Foto: Foto: Getty)

Was zunächst wie die perfekte Inszenierung alter Zeiten aussah und das Publikum unterhielt, schlug jedoch beim Stand von 5:5 um. Als die Linienrichterin hinter "BigMac" einen Ball für Boris Becker entscheidet, rastet der 48-jährige New Yorker vollkommen aus und schmettert einen Ball nur wenige Zentimeter neben die Linienrichterin an die Bande. Die Stimmung im Saal kippt schlagartig und Buh-Rufe und Pfiffe schallen aus dem Publikum.

Empörte Zuschauer

Ein Zuschauer fordert empört: "Schickt McEnroe nach Hause" während ein anderer dem Wüterich auf dem Platz empfiehlt "Kauf dir eine Brille John, dann siehst du, wenn die Bälle im Aus sind und wann nicht." Für "Bobbele" ist das Match zu diesem Zeitpunkt so gut wie verloren. Obwohl Becker eindrucksvoll bewies, dass er sein legendäres Serve-and-Volley-Spiel noch perfekt beherrscht, brachten die Wutausbrüche McEnroe zurück ins Spiel und er scheuchte den etwas fülliger wirkenden, gerade 40 Jahre alt gewordenen Becker von einer Platzecke zur anderen. Nach einem Ass im Tiebreak sicherte sich McEnroe schließlich vier Matchbälle und verwandelte direkt den ersten.

Im anschließenden Doppel zwischen Becker und Eric Jelen gegen McEnroe und Gimelstob blieben die Deutschen chancenlos. Rund die Hälfte des Publikums hatte das Burg-Wächter-Castello bereits nach dem Supermatch Becker/ McEnroe verlassen und konnte nicht mehr miterleben, wie die Deutschen nach nur dreizehn Minuten mit 4:7 und 2:7 verloren und in der Gesamtwertung den USA mit 0:3 unterlagen. Die Zeiten als begeisterte Tennisfans bis in die frühen Morgenstunden vor dem Fernseher ausharrten, um mit ihren Helden mitzufiebern, sind eben doch vorbei. Selbst wenn die alten Helden noch einmal ihre Show bieten.

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