Tennis:Der von ganz unten kommt

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James Blake im Halbfinale des Masters Cups. Und das, obwohl er sich erst als Achter für das Turnier qualifizierte.

Menschen mit wenig Selbstvertrauen ziehen gern Kraft aus ihrer Rolle als Außenseiter. Zu dieser Spezies der Underdogs zählt der US-Tennisprofi James Blake, 26, und so wurde er Anfang dieser Woche nicht müde zu betonen, dass er nach Schanghai ja nur als Kanonenfutter gereist sei.

Er hat sich als achter und letzter für den Masters Cup qualifiziert, verdankt seinen Platz unter den besten Acht des Jahres nicht zuletzt der Magen-Darm-Infektion, die Thomas Haas in Paris-Bercy die letzte Chance raubte, Blake abzufangen. Blake fühlte sich also ,,als der Typ, der hier am leichtesten zu schlagen ist'', der sich der Aufnahme in diesen elitären Kreis erst würdig erweisen muss. ,,Ich würde sagen, das ist mir gelungen'', sagt er nun. Und gern bestätigt man ihm das. Als erster Spieler hat sich Blake für das Halbfinale qualifiziert, schon vor seinem letzten Gruppenspiel gegen Tommy Robredo.

Der Amerikaner war mit ein 6:4, 7:6 über das spanische Wunderkind Rafael Nadal in den Masters Cup gestartet und hat sich den Platz unter den besten Vier am Mittwochabend durch ein 2:6, 6:4, 7:5 gegen Nikolai Davydenko gesichert. Was die Beobachter erstaunte: Blake rang Nadal trotz eines 0:4-Rückstands im zweiten Satz nieder und drehte das Match gegen Davydenko, obwohl er im ersten Satz kein Aufschlagsspiel gewann. Erst jetzt, mit 26 Jahren, sei er fähig, solche Krisen in seinen Matches zu meistern, sagt Blake. Und man kann nicht umhin, an dieser Stelle auf ein paar wirkliche Krisen im Leben des James Blake zu sprechen zu kommen.

Zunächst erschien James Riley Blake ja als Günstling des Schicksals, ausersehen, in der Nachfolge von Arthur Ashe die Tradition des schwarzen Tennis in den USA fortzuschreiben. Der New Yorker, Sohn eines schwarzen Amerikaners und einer weißen Engländerin, hatte für Tennis Feuer gefangen, als er eine Rede von Arthur Ashe hörte.

Bedeutung von Tennis schwindet

Mit 21 spielte er Davis Cup, hätte bei den US Open 2001 um ein Haar den späteren Turniersieger Lleyton Hewitt düpiert. Blake sackte dicke Sponsorenverträge ein und tauchte in Männermagazinen auf. Der Mann mit den Rastalocken, nebenbei Harvard-Student, machte gute Figur, doch sportlich kam er nicht mehr recht vor - bis er im Mai 2004 um ein Haar einer Katastrophe entging.

Beim Training stürzte er gegen einen Netzpfosten und brach einen Halswirbel; die Ärzte erklärten ihm, nur knapp sei er einer Querschnittlähmung entgangen. Sechs Wochen später starb Blakes Vater an Magenkrebs, und zwei weitere Wochen später erkrankte James Blake an einer Gürtelrose. Wochenlang litt er an Schwindelanfällen, eine Hälfte seines Gesichts war gelähmt.

Die Bedeutung eines Tennismatches relativiert sich vor dem Hintergrund von Krankheit und Tod. Und natürlich interpretiert James Blake jenes Unglücksjahr 2004 als Wendepunkt seiner Karriere. Bei den US Open 2005 war schon der neue Blake zu bestaunen; am Endes eines atemberaubenden Halbfinales scheiterte er erst im Tiebreak des fünften Satzes an Andre Agassi.

Wie Agassi trägt Blake Glatze, wie Agassi zelebriert er sein Arbeitsethos und seine Demut vor dem Sport. Mit fünf Turniersiegen fuhr er dieses Jahr, dem besten seiner Karriere, die Ernte ein. Blake ist stolz, doch fühlt er sich weiterhin am wohlsten in der Rolle des Mannes, der von unten kommt.

Im Halbfinale wird er entweder auf Roger Federer oder David Nalbandian treffen. Und James Blake sagt: ,,Ich werde unglaubliches Tennis spielen müssen, um gegen einen von denen zu gewinnen.''

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