Tennis:0:6, 0:6

Lesezeit: 3 min

Die deutschen Tennisfrauen gaben beim Turnier in Filderstadt eine außergewöhnlich peinliche Vorstellung und machen den Deutschen Tennis-Bund (DTB)für die Misere verantwortlich.

Von René Hofmann

Filderstadt - Es war zum Davonlaufen, und genau das tat Marlene Weingärtner. 0: 6, 0:6. In 42 Minuten. Gegen eine Qualifikantin, die Kolumbianerin Fabiola Zuluaga von Weltranglistenplatz 25. Gerade einmal 20 Punkte gewann Weingärtner am Dienstagabend in der Tennishalle von Filderstadt. Ein so desolate Vorstellung hat das Publikum dort in den vergangenen zwanzig Jahren nicht geboten bekommen.

Lieferte in Filderstadt eine peinliche Vorstellung - Marlene Weingärtner. (Foto: Foto: dpa)

Trotzdem blieben die gut 800 auf den orangenen Sitzen freundlich. Aufmunternd klatschen sie, als Weingärtner vom hellgrünen Platz schlich. Zum Reden war ihr nicht zumute. Sie wollte einfach nur weg. Allein lief sie in die Dunkelheit.

Marlene Weingärtner weiß, wie Niederlagen schmecken. Alleine in diesem Jahr hat sie in 16 hinnehmen müssen - in 30 Matches. Das Desaster gegen Zuluaga jedoch war außergewöhnlich peinlich. Nachdem sie mit einer Wildcard mühevoll ins Turnier gehievt worden war, hatte sie sich am Montag noch weit aus dem Fenster gelehnt. In der Stuttgarter Zeitung - rund um Filderstadt das meistgelesene Blatt - attackierte sie den Deutschen Tennis-Bund (DTB): "Wir werden doch gar nicht mehr ernst genommen", klagte die 24-Jährige, die sich "von allen Seiten" in den Hintern getreten fühlt.

Kultur des Jammerns

Freund und Trainer Christian Vinck pflichtete bei: "Das Frauentennis spielt im DTB keine Rolle mehr." Beispiel: die verweigerten Olympia-Nominierungen für Weingärtner und Anca Barna. Dass die beiden sich mit ihren Leistungen im ersten Halbjahr für einen Auftritt in Athen nicht unbedingt empfohlen hatten und die Nominierung letztlich am Nationalen Olympischen Komitee scheiterte und nicht am DTB? Egal. Unter den deutschen Tennisspielerinnen hat sich in den vergangenen Jahren eine Kultur des Jammerns breit gemacht.

Neu mit im Chor: Anna-Lena Groenefeld. Die 19-Jährige will künftig nur noch Fed Cup spielen, wenn sich einiges ändert. Vor allem: der Chef, Klaus Eberhard. Der hatte Fräulein Groenefeld bei der letzten Begegnung in der Ukraine angewiesen, ihren privaten Coach und ihren Fitnesstrainer doch bitteschön für eine Woche zu Hause zu lassen - damit der Mannschaftsgeist besser wachsen könne. Von Weingärtner verlangte der Bundestrainer vor dem DTB-Turnier in Berlin ein Attest, nach der Devise: Eine Wildcard bekommt nur, wer alle Verletzungen auskuriert hat.

"Völlig normale Dinge", findet Eberhard, habe er von den Spielerinnen verlangt. Die sehen das aber offenbar anders. Unversöhnlich stehen sich die beiden Parteien gegenüber. Die nächste Fed-Cup-Begegnung steigt im April. Unwahrscheinlich erscheint, dass der Zuständige dann noch Klaus Eberhard heißt.

"Mutter der Kompanie"

Als Nachfolgerin wird Barbara Rittner gehandelt. Die gilt schon lange als "Mutter der Kompanie", als eine die behütet, nicht fordert. Die Personalie zeigt, worin die Misere der deutschen Tennis-Frauen gründet: Sie kommen mit Druck nicht zurecht. Zwei Wochen vor dem Drama gegen Zuluaga in Filderstadt hatte Marlene Weingärtner in Bali/Indonesien noch das Finale erreicht.

Im Frühling hatte sie nach drei Siegen bei den French Open in Paris bei den folgenden beiden Auftritten keine sieben Spiele gewonnen. Das Muster zieht sich durch ihr Jahr: Auf ein gutes Turnier folgte eine Serie von Niederlagen. Wie den meisten ihrer Kolleginnen mangelt es ihr nicht an Talent, sondern an Konstanz. In der Weltrangliste sind die Nationen Kolumbien, Griechenland und Venezuela an den Deutschen vorbeigezogen, und deren aktuelle Positionen lassen ahnen: Schnell werden sie nicht aufholen.

Marlene Weingärtner - Nr. 52. Anca Barna - 67. Anna-Lena Groenefeld - 71. Julia Schruff - 117. Martina Müller - 186. Angelika Bachmann - 220. Vanessa Henke - 228. Angelika Roesch - 230. Heillos überfordert scheiterten die meisten von ihnen in Filderstadt bereits in der Qualifikation.

Als einzige von sieben gestarteten Deutschen gewann Nr. 191, Stefanie Gehrlein, eine Partie. Als Letzte verabschiedete sich am Mittwoch Anna-Lena Groenfeld aus dem Turnier. Gegen die 21-jährige Russin Jelena Bowina von Weltranglistenplatz 17 mühte sie sich redlich, blieb am Ende aber chancenlos. Nach 56 Minuten stand es 2:6, 2:6.

Auch wenn Bundestrainer Klaus Eberhard jetzt darum bittet, das miserable Abschneiden beim Turnier in Filderstadt nicht als Spiegelbild der ganzen Szene zu sehen - wahrscheinlich ist es genau das.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: