Tabellenführer Braunschweig:Das Ende der Bleizeit

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Mit 11 Toren bester Braunschweiger Torschütze: Domi Kumbela (l.), hier mit Assistenztrainer Darius Scholtysik. (Foto: Thomas Starke/Getty Images)

Trotz des müden Nullnull in Karlsruhe kann die Eintracht auf Platz eins überwintern - und geht als Aufstiegsfavorit in die Rückrunde. Das liegt vor allem am Trainer - und an einem beigelegten Streit.

Von Tobias Schächter, Karlsruhe

Irgendwann, so erzählte es Torsten Lieberknecht, nach dem der krampfige Kick dann endlich vorbei war, habe er den Abpfiff herbeigesehnt. Am 0:0 hat sich auch in den letzten Minuten nichts mehr geändert, sein Team hat das letzte Spiel vor der Winterpause beim Karlsruher SC nicht gewonnen. Aber das war Lieberknecht an diesem Tag nicht so wichtig. Der Trainer, in der Republik durchaus als impulsiver Mensch bekannt, regte sich noch nicht mal darüber auf, dass ein regelkonformes Tor seiner Mannschaft zu Unrecht wegen Abseits aberkannt wurde. So weit ist es schon gekommen; so zufrieden sind sie bei Eintracht Braunschweig mit der Gesamtsituation.

Seine Mannschaft habe - mit 34 Punkten und somit zwei Zählern im Schnitt - eine "herausragende" Hinrunde gespielt, sagte Lieberknecht. Ob die Eintracht als Tabellenerster überwintert, hängt davon ab, wie am Sonntag die Verfolger aus Stuttgart (32 Zähler) in Würzburg und Hannover (31) gegen Sandhausen spielen. Auf die "linke Seite" der Tabelle will Lieberknecht ohnehin erst am letzten Spieltag schauen, denn: "Am Ende sieht man erst, was herauskommt." Aber gerade sieht es eben so aus, als könnte Eintracht Braunschweig im nächsten Sommer in die erste Liga zurückkehren.

Das Spiel beim motivierten Abstiegskandidaten aus Karlsruhe, habe gezeigt, so Lieberknecht, dass man "in der zweiten Liga nichts geschenkt" bekomme. Die Eintracht kann besser Fußball spielen als am Samstag, aber wenn die Mannschaft nicht an ihrer absoluten Leistungsgrenze agiert, dann tut sie sich gegen jeden Gegner schwer. Allerdings, findet Lieberknecht, habe seine Elf auch bewiesen, gegen die favorisierten und finanziell besser ausgestatteten Absteiger aus Stuttgart und Hannover "auf dem gleichen Level" mitspielen zu können. Und nicht nur in Hannover und Stuttgart stellen sich viele Menschen die Frage nach den Gründen für den Braunschweiger Erfolg.

Lieberknecht hat eine besondere Beziehung zu seinem Schlüsselspieler

Ein Grund ist ohne Zweifel: Lieberknecht. Im achten Jahr trainiert der Pfälzer nun schon den BTSV, für den er von 2003 bis 2007 als Spieler aktiv war. In jedem seiner Sätze und in jeder Geste ist seine Leidenschaft für diesen Beruf zu spüren. Erst jüngst hat er seinen Vertrag bis 2020 verlängert. Er selbst nennt als Hauptgrund für den sportlichen Aufschwung das "hohe Kaderpotenzial": "Wir haben uns in der Breite besser aufgestellt, das merkt man im Training."

In Gerrit Holtmann (Mainz) und Rafael Gikiewicz (Freiburg) verließen nur zwei Stammkräfte im Sommer den Klub. Und im vergangenen Januar kehrte in Domi Kumbela ein Stürmer zurück, der weder in der Türkei noch in Fürth glücklich wurde. Offenbar gehört der mittlerweile 32-Jährige zu jener Art von Kickern, die nur unter bestimmten Voraussetzungen Leistung bringen können. Lieberknecht wusste schon in der ersten Periode (2010 bis 2014) das Beste aus dem gebürtigen Kongolesen herauszuholen. Nun hat Kumbela bereits elf Mal in dieser Vorrunde getroffen.

Wie Lieberknecht ist auch Marc Arnold ein ehemaliger Eintracht-Profi, der im achten Jahr in leitender Funktion tätig ist. Auch der sportliche Leiter verlängerte seinen Kontrakt jüngst bis 2019. Mit diesem Duo stieg Braunschweig von der dritten in die zweite und in die erste Liga auf. Auch nach dem Abstieg 2014 blieben beide in der Verantwortung. Diese Kontinuität ist die Stärke in Braunschweig. Sie stand im Frühjahr auf dem Prüfstand.

Abenteuer auf dem Transfermakrt kann sich Braunschweig nicht leisten

Verbürgt ist, dass Arnold damals mit dem 1. FC Kaiserslautern, der einen Sport-Manager suchte, Gespräche geführt hat, in jeder Langzeitbeziehung gibt es euphorische und bleierne Zeiten. Doch Lieberknecht und Arnold haben sich wieder auf einen gemeinsamen Weg geeinigt. Die eine Saison in der Bundesliga nutzte der Klub dank der höheren Einnahmen zur Entschuldung und zum Ausbau der Infrastruktur, seither schreibt der Klub schwarze Zahlen. Abenteuer auf dem Transfermarkt gibt es weiterhin nicht.

Dass es sportlich nach dem Abstieg zunächst nicht sofort wieder hoch ging, sorgte mitunter für Frust. Aber bei seiner Verlängerung kürzlich sagte Lieberknecht: "Ich habe richtig Bock, weiter für diesen Verein zu arbeiten." Dass er während Spielen seiner Mannschaft wie in Karlsruhe den Abpfiff herbeisehnt, das bleibt wohl vorerst eine Ausnahme.

© SZ vom 18.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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