Systematisches Doping im Radsport:Die Schande versteckt sich hinter Platanen

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Die üblichen Abwehrreflexe werden das Ende des Radrennstalls Liberty Seguros nicht verhindern.

Andreas Burkert

Eigentlich wäre genug Platz vor dem Albergo Costantini, um den großen Reisebus und die kleineren Camions an der viel befahrenen Landstraße nach Udine abzustellen.

Radmannschaften haben selten Hemmungen, ihre mobilen Werbeflächen an markanten Stellen zu parken, ganz im Gegenteil, die aggressive Präsentation ist Teil ihres Geschäfts.

Doch die Equipe Liberty Seguros hält es an diesem Abend anders. Im Hinterhof haben sie die Fahrzeuge versteckt, einige mächtige Platanen verdecken die blauen Laster. Als ob sie mit diesem Manöver der heiklen Geschichte entkommen könnten.

Team Liberty Seguros ist noch unterwegs beim 89. Giro d'Italia, dabei hat sich der namensgebende Hauptsponsor, eine spanische Versicherungsgruppe, am Donnerstag offiziell von der Mannschaft distanziert - und die Zusammenarbeit für beendet erklärt. Zu konkret ist der Verdacht, der ungeheuerlich ist, aber alles andere als abwegig. Er lautet: systematisches Doping.

Die Equipe spürt die kritischen Blicke, seitdem ihr dominanter Teammanager Manuel "Manolo" Balbas Saiz offenbar auf frischer Tat beim Kauf von präparierten Blutkonserven erwischt worden ist. Doch Koen de Kort lächelt, der niederländische Liberty-Profi, steht im Hotelfoyer und sagt freundlich: "Ich glaube nicht, dass das Team etwas damit zu tun hat."

Der Hexer aus Gran Canaria

De Kort ist keiner der bekannten Fahrer, bekannt war vor allem Roberto Heras, der Vuelta-Sieger. Er ist jetzt für zwei Jahre gesperrt. Wegen Blutdopings. De Kort ist erst 23, aber den in der Branche verbreiteten Abwehrreflex hat er wohl mit dem Eintritt ins Profigeschäft aufgenommen. Er wolle nur den Giro zu Ende fahren, sagt er, alles andere interessiere ihn nicht.

Auf die Frage nach dem Dopingverdacht, der sich nun doch irgendwie auch gegen ihn richte, geht er nicht ein. Er lächelt ihn einfach weg und erwidert: "Wir haben jetzt nur noch vier Fahrer im Rennen, und das ist natürlich nicht gut für die Moral." Weiter kommt de Kort auch nicht, denn dann zieht ihn jemand weg. Es ist Neil Stephans, einer der Sportlichen Leiter.

Stephans, ein Australier, bleibt immerhin stehen, obwohl er beim Gespräch nicht so nett lächelt wie de Kort. Und er antwortet zunächst auch nicht auf Fragen, stattdessen stellt er Gegenfragen: "Von wem wissen Sie das?" - "Kennen Sie ihn? Wir haben uns jetzt die Hand gegeben - kennen wir uns jetzt?" Er kenne Eufemiano Fuentes, den mit Saiz ertappten Sportmediziner, kaum, betont Stephans, "nur flüchtig". Fuentes, bei dem Hausdurchsuchungen den kompletten Bestand einer Giftküche zutage förderten, und bei dem sich Listen mit vielen prominenten Kunden gefunden haben sollen, sei auch nicht Teamarzt bei Liberty. "Ich habe ihn nie im Team gesehen."

Entlastend dürfte sich dieser Umstand kaum auswirken. Schließlich soll Fuentes ("Der Hexer aus Gran Canaria") eher als freier Dienstleister zahlreiche Velo-Asse präpariert haben. Fest angestellt ist er allerdings früher beim Liberty-Vorgänger Once gewesen und bei Kelme - jenem Team, das vor drei Jahren wegen atemberaubender Dopingenthüllungen aufgelöst worden war. Am Ende trennte sich Fuentes offiziell von der Mannschaft, in seinem Sinne führte jedoch eine ihm gut bekannte Person die Dinge weiter: seine Frau, eine frühere Leichtathletin.

Sie wurde in ihrer Karriere positiv getestet. Das einstige Team Kelme heißt jetzt übrigens Comunidad Valenciana. Sponsoren gehen, doch das Inventar bleibt: Zu den vier verdächtigten Personen, die am Freitag in Madrid dem Haftrichter vorgeführt wurden, gehörte auch Ignacio Labarte. Er ist einer der Sportchefs bei Valenciana.

Neil Stephans, 42, kennt vermutlich diese Querverbindungen nur zu gut, die das nun enttarnte Dopingnetz stützten. Er ist ja selbst Radprofi gewesen, sieben Mal fuhr er die Tour de France. Seine Karriere endete 1998, mit dem Dopingskandal um das Team Festina. Stephans fuhr während der Tour 1998 für Festina, er wurde gesperrt. Heute spricht er nicht mehr über die Vergangenheit ("dann gehe ich"), sondern er philosophiert mit grimmiger Miene nur über das, was kommt.

Ob Liberty Seguros zur Tour zugelassen wird, ist fraglich

Er sagt: "Es gibt nur einen, der die Zukunft kontrollieren kann, und das ist Gott." Er wisse, dass nicht Liberty Seguros das Team betreibe, sondern die Aktiengesellschaft Active Bay, an der auch Saiz Anteile hielt. "Wir haben mehrere Sponsoren, es geht weiter", sagt Stephans am Donnerstagabend. Am Freitagnachmittag indes bereitete der deutsche Co-Sponsor Würth, ein Montagematerialhändler aus Künzelsau, bereits eine Pressemitteilung vor, die ebenfalls das Ende der Partnerschaft zum Inhalt haben sollte. Die Entscheidung darüber soll nun jedoch erst am Montag fallen.

Ob Liberty Seguros zur Tour zugelassen wird, ist fraglich. Die Société hat ihre Politik geändert und lädt verdächtigte Fahrer aus. Alexander Winokurow ist gerade von T-Mobile zu Liberty gewechselt, er möchte die Tour gewinnen. Jetzt sagt er: "Ich habe Angst wegen der Tour." Angeblich hat der französische Cofidis-Rennstall bereits um die Dienste des Kasachen geworben, und das belgische Team Unibet.com. hat vorsichtshalber mitgeteilt, man habe reichlich Geld und könne spielend den Platz von Liberty einnehmen. Das Versteckspiel geht weiter.

© SZ vom 27.5.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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