Sven Göran Erikkson vor dem Aus:Kalte Zeiten für den Liebhaber

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Englands Nationaltrainer Eriksson steht im Sturm einer Sex-Affäre, die ihn den Job kosten dürfte.

Christoph Schwennicke

Es sah zunächst aus wie eine dieser Geschichten, welche die Luft flirren lassen in den Großraumbüros der Zeitungsredaktionen Londons. Die Story hatte ja auch alle Bestandteile, die es braucht für guten Stoff: heimlicher Sex, Leidenschaft, Heldentum, Fußball, Kabale, Eifersucht. Ein ewiges Motiv.

In besagtem Fall geht die Geschichte so: Nationaltrainer Sven Göran Eriksson hat es mit attraktiver Sekretärin, verliert darüber seine ebenso attraktive Partnerin - und am Ende stellt sich raus, dass der Trainer mit seinem Boss, dem Präsidenten des englischen Fußballverbandes, die intime Kenntnis der hübschen Faria Alam teilt, weil dieser auch schon dem Appeal seines Vorzimmers erlag. Natürlich wussten Freundinnen von Frau Alam bald davon zu wispern, wie "fantastisch" der Sex mit Englands erstem Fußballlehrer war, besonders diese eine Technik, also wirklich meisterhaft...

Man gewöhnt sich auf der Insel an diese Geschichten, sie gehören zu jedem Zeitungsfrühstück. Auch an Wayne Rooneys sexuellen Ausrutscher mit einer Semi-Professionellen in einem "schäbigen Badezimmer" konnte man zuletzt lustvoll teilhaben. Während aber Rooney darüber nur seine Freundin verlor, (was ihn schon hart genug ankommt, weil er sie doch so liebt), steht für Eriksson plötzlich alles auf dem Spiel. Seit Mitte dieser Woche hat diese Schlüssellochiade einen sehr ernsten Kern, ja, man kann sagen, dass England nach Lage der Dinge bald einen neuen Nationaltrainer braucht.

Schlechte Karten für Eriksson

Die Wende ins ernste Fach nahm die Geschichte, seit es nicht mehr um die Frage geht, wer wann mit wem schlief, sondern wer wann wie viel Wahrheit hat walten lassen. Und da sieht es für den Verbandspräsidenten Mark Palios, Frau Alams ersten Liebhaber aus dem Zentrum des englischen Fußball, gut aus und für Eriksson finster. Palios nämlich ließ nach den Vorwürfen die Hosen runter, Eriksson dagegen dementierte knallhart, bis sich auf irgendeinem Umweg E-Mails fanden, die offenbar an Klarheit nichts zu wünschen übrig ließen.

Seither sitzt der 56-Jährige vor seinem Häuschen im schwedischen Sunne in der Sonne und schmort. Der Vorsitzende des englischen Fußballverbandes Geoff Thompson ließ am Dienstag eine Stellungnahme verbreiten, die Palios von allen Vorwürfen der Irreführung freisprach - und gerade deshalb auf Eriksson allen Druck ausübte.

Am kommenden Mittwoch wird das 12-köpfige Spitzengremium des Verbandes zusammenkommen, um nach einer bis dahin abgeschlossenen "dringlichen Untersuchung" die Affäre Eriksson zu beurteilen. Glaubt man den britischen Zeitungen, dann könnte die englische Nationalmannschaft schon beim Test gegen die Ukraine am 18. August ohne Eriksson auf der Trainerbank spielen. Interimslösungen sind auch schon ausgeguckt.

Und wie das so ist in Momenten der Schwäche: Mit einem Mal schwankt der ganze Boden, der eben noch so fest wirkte. Plötzlich werden Erikssons Leistungen in den vergangenen dreieinhalb Jahren in einem kritischen Licht betrachtet, und es kommt die Frage auf, ob man sich seit seinem fulminanten Einstieg mit einem 5:1 über Deutschland in München allzu sehr darüber hinweggetäuscht hat, dass seither kein richtiger Erfolg da war. Die Leidenschaft für Eriksson erkaltete darüber hinaus schon ein wenig, als er sich - obgleich unter Vertrag beim englischen Fußballverband - zweimal von englischen Fußballklubs, Manchester und Chelsea, intensiv umschmeicheln ließ.

Selbst das EM-Aus im Viertelfinale gegen Portugal, das bisher nach einhelliger Inselmeinung allein am Schweizer Schiedsrichter Urs Meier lag, könnte mit einem Mal auch mit Eriksson zu tun haben. Seine sechs Millionen Euro Jahresgage werden kritisch gesehen (eine "Obszönität", befindet die Daily Mail), und angeblich sucht der Verband schon nach juristischen Schlupflöchern, um ihm im Fall des Rauswurfs nicht die mehr als 20 Millionen Euro Abfindung zahlen zu müssen.

Die Geschichte schnurrt im Moment auf das zusammen, was ein ungenannter Verbandsvertreter in dankenswerter Deutlichkeit so formuliert hat: "Die Sache lässt uns wie Deppen aussehen. Erst wurde dementiert und dann erfuhren wir, dass das Ganze doch so gelaufen ist." Zu einer Frage der Ehre macht es folgerichtig der Independent: "Was die Nation erwarten kann von einer Spitzenfigur in einer Sportmannschaft dieses Ranges, sind ein gewisser Stil (...) und ein paar fundamentale Werte."

Wenn man die nicht besitze und keine "Wahrhaftigkeit im Auftreten" habe, dann habe man am Ende gar nichts. Die Daily Mail liefert "elf Gründe, ihn rauszuschmeißen". Die Sun kennt schon den "plot to sack Sven" - also den Masterplan, ihn loszuwerden. Und der Guardian wartet mit sechs Kandidaten auf, die Eriksson nachfolgen könnten, darunter Luiz Felipe Scolari, Ottmar Hitzfeld und - guess who? Otto Rehhagel.

© Süddeutsche Zeitung vom 29.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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