Stuttgarts Trainer Armin Veh:Sie nannten ihn Nobody

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Er kam als Notlösung nach Stuttgart. Lange galt er als Wackelkandidat. Nun steht Armin Veh mit seiner Mannschaft an der Spitze der Tabelle. Ein Wunder? Mitnichten.

Marko Belser

Bevor Horst Heldt im "aktuellen Sportstudio" beim Torwandschießen Anlauf nahm, musste er sich von Wolf-Dieter Poschmann kritische Fragen gefallen lassen. Der VfB stand auf dem 15. Tabellenplatz. Logischerweise wurde auch das Festhalten des Sportdirektors an Trainer Armin Veh skeptisch beäugt.

Das war im September. Vor zwei Monaten erst. Seitdem hat sich viel verändert: Britney Spears hat sich scheiden lassen - und der VfB Stuttgart kein Spiel mehr verloren. Die Stuttgarter reisen als Tabellenführer zum Südgipfel nach München.

Die forschen Fragen von Poschmann kamen zu voreilig. Dabei war der ZDF-Mann mit seiner Einschätzung nicht allein. In Internet-Foren wurde heftig diskutiert, bei den Buchmachern stand Veh ganz oben auf der Liste der Abschusskandidaten. Selbst im Verein war die Skepsis groß.

Bereits bei der Verpflichtung Vehs als Nachfolger des teuer abgefundenen Giovanni Trapattoni hatte der mächtige Aufsichtsratvorsitzende Dieter Hundt den Übungsleiter öffentlich als Übergangslösung bezeichnet. Angeführt von Hundt wollten die VFB-Granden nach dem Intermezzo Trapattoni den verblassten Glanz des Vereins erneut mit einem klangvollen Namen auf der Trainerbank aufpolieren.

Notlösung Veh

Während sich Veh mit dem falsch zusammengestellten und nicht austrainierten Kader mehr schlecht als recht durch die Rückrunde quälte, flirtete Hundt ungeniert mit Erfolgstrainer Christoph Daum. Daum, der 1992 zum letzen Mal den Titel nach Stuttgart holte, zeigte sich durchaus empfänglich. Doch die Elefantenhochzeit platzte. Daum soll allein für Verstärkungen 15 Millionen Euro gefordert haben. Solche Zusagen konnten ihm die klammen Schwaben nicht bieten. Auch Ex-VfB-Spieler Ottmar Hitzfeld wollte sich nicht aus seinem Vorruhestand verabschieden.

Nach den Absagen der Schwergewichte wirkte die Vertragsverlängerung mit Veh Ende April wie eine Notlösung. So ist auch die Laufzeit zu verstehen: Ein Jahr plus ein weiteres beim Erreichen des Uefa-Cups.

Ein "Nobody", ein Unbekannter sollte den VfB zurück auf Europas Bühne führen? Das letzte Engagement Vehs lag anderthalb Jahre zurück, in der Fußball-Provinz beim FC Augsburg.

Völlig unbekannt war der 45-jährige Veh jedoch nicht. 1997 gelang dem gebürtigen Augsburger mit Greuther Fürth der Austieg in die 2. Liga, drei Jahre später schaffte er mit dem SSV Reutlingen das gleiche Kunststück. Diese Erfolge empfahlen ihn für höhere Aufgaben. In der Winterpause 2002 übernahm Veh den Bundesligisten Hansa Rostock - plötzlich spielte die Mannschaft ansehnlichen Fußball. Ein neuer Stern am Trainerfirmament? Es kam anders: Zwar sorgte Veh in der Szene für Aufsehen - jedoch für eines, auf das er wohl gerne verzichtet hätte.

"So einen gab's noch nie"

Veh beging einen Tabubruch: Die Saison 2003/04 war gerade acht Spieltage alt, da nahm er freiwillig seinen Hut. Veh ging zurück zu seinem Heimatverein FC Augsburg in die Regionalliga. Obwohl Rockstocks Clubführung auch nach vier Niederlagen hintereinander versichert hatte, weiterhin mit Veh zusammenarbeiten zu wollen, zog der Trainer selbst die Konsequenzen aus dem Abwärtstrend.

"So einen gab's noch nie", titelte daraufhin die Frankfurter Rundschau. Doch statt Anerkennung für seine konsequente Haltung erntete Veh Unverständnis. In der Trainerbranche, die Durchhalteparolen wie "Ich kämpfe bis zum letzten Tag" als Mantra pflegt, wurde der freiwillige Rücktritt als Ursünde verstanden. Armin Veh galt fortan als zu weich für das rauhe Bundesligageschäft.

Als er ein Jahr später wegen Erfolglosigkeit vom FC Augsburg entlassen wurde, drehte sich das Trainerkarusell eine Weile ohne Veh weiter. Wie schon als Spieler - Anfang der 80er absolvierte Veh 65 Bundesligaspiele für Borussia Mönchengladbach - schien ihm auch als Trainer der große Durchbruch verwehrt.

Dann kam das Angebot des VfB: Nach 17 Monaten in der Versenkung wohl selbst für Veh überraschend. Vom Überraschungskandidaten zum Wackelkandidaten - und nun möglicherweise ein Kandidat für die Auszeichnung "Trainer des Jahres": Armin Veh ist ein Beispiel für die Unberechenbarkeit und die Schnelllebigkeit des Geschäfts. Beim Tabellenführer aus Stuttgart sind die mäßige Rückrunde und der verhaltene Saisonstart längst vergessen.

Der VfB spielt wieder erfolgreich - und trägt die Handschrift ihres Trainers: Zusammen mit Sportdirektor Heldt stellte er eine Mannschaft zusammen, die seine Philosophie umsetzen kann. Er liebe das Kurzpassspiel, sagte Veh bereits zu Beginn seiner Tätigkeit. Dazu gelang es ihm, erfahrene und talentierte Spieler auf dem Platz zu einer Einheit zu formen. Mit da Silva installierte er wieder einen "10er", was dem Spiel sichtlich gut tut. Das ist nicht nur erfolgreich, sondern - und das freut die verwöhnten Stuttgarter Fans besonders - auch sehr ansehnlich.

Der VfB reist am Samstag als Ligaprimus zum FC Bayern. Und selbst bei einer Niederlage läge Stuttgart vor dem Starensemle aus München. Wann hat es solch eine Konstellation wohl zuletzt gegeben?

Gar nicht so lang her: drei Jahre. Am 16. Spieltag der Saison 2003/04 kam der VfB als Tabellenführer mit fünf Punkten Vorsprung nach München. Damals ging das Spiel mit 1:0 verloren. Am Ende wurde Bremen Meister. Die Mannschaft war damals noch zu grün für den Titel.

So ist es wohl auch in dieser Saison. Armin Veh wird dies verschmerzen können. Schließlich stehen die Chancen gut, dass sein Name in Zukunft mit der Wiedergeburt der "jungen Wilden" aus Cannstatt in Verbindung gebracht wird. Keine schlechten Aussichten für einen, der seinen Dienst als "Nobody" antrat.

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