Stuttgart wird Deutscher Meister!:Wer zuletzt lacht, ...

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Keiner rechnet mit dem VfB. Und das ist gut so. Warum der VfB, wie anno 1992, am letzten Spieltag doch noch die Meisterschaft holt.

Wenn man einen Satz anfängt mit "Der VfB Stuttgart wird in diesem Jahr Meister, weil...", wird man in der Redaktion nicht nur vom Sportchef und ausgewiesenem Werder-Fan mit einem milden Lächeln bestraft. Zugegeben: Diese Behauptung hört sich zunächst an, als wäre sie nicht plausibel. Doch wie so oft: Der erste Schein trügt.

Befasst man sich näher mit der Materie, springen einem die Anzeichen, warum der VfB heuer den Titel holt, geradezu ins Auge. Die Schwaben haben seit Saisonbeginn mit Tasci, Osorio, Boka, Pardo, Hilbert und da Silva gleich sechs Neue in die Stammelf eingebaut. Im Vergleich zur Neuformation des VfB wirkt der Umbau des FC Bayerns, den die Vereinsoberen vor Saisonbeginn alibimäßig angekündigt hatten, eher wie das Renovieren des Gästeklos.

Und dennoch, trotz der vielen Neuzugänge, harmonierten die Stuttgarter bereits in der Hinrunde erstaunlich gut. Da kann man sich ja vorstellen, wie gut erst das Zusammenspiel nach der Feinabstimmung im Wintertrainingslager klappt. Je länger die Saison, desto besser das Spielverständnis und desto größer die Titelchancen. Deshalb die Prognose: Punktlandung am letzten Spieltag. So wie anno 1992, als die Schwaben im Schlusspurt Eintracht Frankfurt die Meisterschaft wegschnappten.

Vor allem im Gottlieb-Daimler-Stadion wird dem VfB das verbesserte Zusammenspiel zu Gute kommen. Schließlich soll die Heimmannschaft das Spiel machen. Der VfB wird seine Serie - zuletzt fünf Heimsiege - in der Rückrunde fortsetzen. Da trifft es sich ganz gut, dass mit Bremen und Bayern noch zwei direkte Titelkonkurrenten die Reise an den Neckar antreten müssen.

In der Hinrunde musste der VfB die meiste Zeit auf seinen Leitwolf verzichten. Lediglich sechs Begegnungen spielte Ferando Meira über die volle Distanz. Nun ist der Portugiese körperlich wieder völlig hergestellt. Mit dem Kapitän auf der Brücke stabilisiert sich das Spiel der jungen Mannschaft beim Kommando "Angriff auf die Meisterschaft". Der andere international überaus erfahrene Spieler, der in der Vorrunde weitgehend ausfiel, war Jon Dahl Tomasson.

Vorne mehr, hinten weniger Tore

Beim dänischen Nationalspieler lag es allerdings weniger an Verletzungen. Vielmehr hat Tomasson an seiner nicht vorhandenen Form gelitten. In der Winterpause wurde sogar über einen Wechsel zum FC Turin gemunkelt. Doch was will einer wie Tomasson beim Tabellenvierzehnten der Seria A. Der Däne will den sparsamen Schwaben vielmehr endlich beweisen, dass er sein fürstliches Gehalt wert ist. In der Rückrunde würden den Stuttgarter also neben Gomez und Cacau dritter treffsicherer Stürmer zur Verfügung stehen.

Apropos Wechsel: Timo Hildebrand wird Stuttgart verlassen. Das wird den VfB auf seinem Weg zur Meisterschaft weiter stärken. Warum? Ganz einfach, weil der Torhüter - nach seiner eher schwachen Vorrunde - den Verantwortlichen und Fans des VfB zeigen will, dass es ein Fehler war die Sperenzchen seines umtriebigen Beraters Dusan Bukovac nicht mitzumachen und ihn ziehen zu lassen. Außerdem will sich Timo Hildebrand nach elf Jahren mit einer Meisterschaft aus Cannstatt verabschieden. Diese zusätzliche Motivation lässt ihn in der Rückrunde an gute Leistungen der ferneren Vergangenheit anknüpfen.

Vorne mehr, hinten weniger Tore. So wird man Deutscher Meister. Zu diesen ohnehin schon überzeugenden Argumenten, kommt ein vielleicht entscheidender Aspekt hinzu. Im Gegensatz zu den anderen Titelaspiranten aus Bremen, Gelsenkirchen und München, die alle offen ihre Meisterambitionen akklamieren, übt sich der VfB in typisch schwäbischer Zurückhaltung. Die Stuttgarter haben es bisher nicht nur vermieden die Meisterschaft als Zielsetzung auszugeben. Nein, die bescheidenen Schwaben haben überhaupt noch kein Saisonziel formuliert.

Ohne Ziel und folglich ohne Druck wird der VfB in Lauerstellung verharren, ehe er am letzten Spieltag zum großen Schlag ausholt. Sie wissen schon, wie einst, anno 1992, in Leverkusen.

Ist das Unerwartete erst vollbracht, wird sich nicht nur der zuvor milde lächelnde Sportchef der alten Weisheit erinnern: "Wer zuletzt lacht, lacht am besten."

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