Streit im Handball:Der Hammer wird abgehängt

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Jahrelang ein gutes Verhältnis, und nun der Streit mit dem THW über das Vertragsende: Christian Zeitz. (Foto: Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

Christian Zeitz, Langzeit-Profi beim THW Kiel, wird nach dem heftigen Bruch mit dem Klub aus der Ahnengalerie getilgt.

Von Carsten Scheele, Hannover/Kiel

Es ist wieder Platz unter dem Hallendach des THW Kiel. Oben an der Wand, wo die Trikots und Bilder der hochverdienten THW-Spieler hängen, ist nach wie vor Magnus Wislander verewigt, der schwedische Welthandballer des Jahrhunderts, der von 1990 bis 2002 an der Förde spielte. Auch die Konterfeis von Hein Dahlinger und Klaus-Dieter Petersen hängen hier, ebenfalls von Stefan Lövgren, Marcus Ahlm und Thierry Omeyer. Als bislang letzter Spieler wurde 2016 Dominik Klein hinzugefügt - all diese Spieler haben den Handball in Kiel gelebt, über Jahrzehnte geprägt.

Aber ein Gesicht fehlt nun. Abgehängt am Montagabend.

Christian Zeitz, 37, ist über Nacht, aber offiziell aus der Ahnengalerie des erfolgreichsten deutschen Handballklubs entfernt worden. Es ist ein beispielloser Vorgang in einer Stadt, in der Handball nicht irgendeine Randsportart ist, sondern das Gesprächsthema Nummer eins darstellt. Zeitz und der THW haben sich heftig überworfen, sie führen sogar einen Rechtsstreit, und bei alledem muss man sich fragen, wie es zwischen dem Spieler und dem Verein nach elf sehr erfolgreichen gemeinsamen Jahren zu einem solchen Ende kommen konnte.

Für den Coach ist er die "größte menschliche Enttäuschung" - viele Fans denken da anders

Es ging um Zeitz' letzten Vertrag in Kiel. 2016 hatte der THW den Spieler noch einmal aus Veszprem verpflichtet, Zeitz war schon 35 Jahre alt, es sollte sein letztes Arbeitspapier im Profihandball sein. Laut THW war es ein Zweijahresvertrag, den der Verein in diesem Sommer - Zeitz war nun schon 37 - auslaufen lassen wollte. Zeitz aber zweifelte die Rechtmäßigkeit dieser Befristung an, wollte die unbefristete Weiterbeschäftigung erreichen, kündigte eine Klage an. Daraufhin wurde Zeitz im Februar dieses Jahres suspendiert, der Fall ging vors Kieler Arbeitsgericht. Im Fußball gab es einmal einen ähnlichen Fall, den des Mainzer Torhüters Heinz Müller, der ebenfalls gegen die Befristung seines Arbeitsverhältnisses klagte. Müller sollte Mainz 2014 verlassen, weil er nicht die erforderliche Anzahl an Pflichtspielen erreicht hatte, bei der sich sein Vertrag automatisch verlängert hätte. In der Revision erklärte das Bundesarbeitsgericht Zeitverträge im Fußball schließlich aber für rechtens.

Im Fall Zeitz einigte man sich auf eine Entschädigung von 75 000 Euro (aufgerundet drei Monatsgehälter), der Vertrag wurde aufgelöst. Die Reaktion des THW Kiel wirkt nun wie ein offizieller Liebesentzug. All die anderen Spieler, deren Trikots weiter unter dem Hallendach hängen, "waren und sind auf und neben dem Platz Vorbilder", heißt es in einer Vereinsmitteilung: "Sie alle eint neben den herausragenden sportlichen Leistungen vor allem eines: die Loyalität zum und der Respekt gegenüber dem THW Kiel." Über Zeitz steht dort knapp: "Christian Zeitz hat sich im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden nicht mehr an diesen Werten orientiert." Schon zuvor hatte Trainer Alfred Gislason den Fall Zeitz als "größte menschliche Enttäuschung meines Lebens" bezeichnet.

Die Fans waren sich nicht so einig. In einer Umfrage der Kieler Nachrichten votierten zuletzt 52 Prozent dafür, das Zeitz-Trikot hängen zu lassen. In den Kommentaren unter dem Artikel ist von Undankbarkeit die Rede. "Was hat Zeitz nicht alles für den THW geleistet", schreibt einer.

Denn "Zeitzi" war über viele Jahre der Publikumsliebling in Kiel. Ein unkonventioneller Handballer, dessen Aktionen häufig der reinen Trainingslehre widersprachen, aber von den Zuschauern umso mehr gefeiert wurden. Zeitz war ein Spieler, der über die Kraft kam, ausgestattet mit einem überaus gewaltigen linken Wurfarm. Ließ Zeitz den Ball bei Heimspielen nach einem flinken Wackler mit einem Stemmwurf ins Tor zischen, wurde bei jedem Treffer "So geht der Hammer und der Hammer, der geht so" eingespielt - so ging das jahrelang.

Ohne Christian Zeitz hätte der THW Kiel manches Finale nicht gewonnen

Zeitz ist ein Stück THW-Geschichte, geboren wurde er 1980 und kam über Östringen und Wallau-Massenheim nach Kiel. Er blieb elf Jahre, wurde Nationalspieler und Handball-Weltmeister 2007. In Kiel feierte er neun Meisterschaften und drei Champions-League-Titel. Oft war er es, der die knappen Spiele in der Bundesliga oder der Champions League in engen Phasen an sich riss. Manches Finale hätte Kiel ohne Zeitz nicht gewonnen.

Doch Zeitz war nie ein einfacher Spieler. Seine Trainer, ob Noka Serdarusic oder Gislason, brachte er zur Verzweiflung, wenn er mit einer einzigen Aktion die gesamte Teamtaktik über den Haufen warf. Typisch Zeitz war auch sein Weggang zum ungarischen Spitzenklub Veszprem, als er seinen Wechsel in Ungarn bereits offiziell verkündete, in Kiel aber niemand von Zeitz' Plänen wusste. Gemeinsam feierte man 2014 trotzdem eine große Abschiedsparty. Viele Weggefährten waren gekommen, am Ende wurde Zeitz' Trikot mit der Rückennummer 20 unter dem Hallendach entrollt - ein emotionaler Moment. Als Zeitz in Veszprem dann nicht glücklich wurde, holte Kiel ihn zurück. Es war die klassische Geschichte des verlorenen Sohnes, der nach Hause kehren durfte. Bis zum Rechtsstreit und der schmutzigen Scheidung.

Kiel und Zeitz gehen nun endgültig getrennte Wege: Der THW will nach einer titellosen Saison wieder angreifen - nur Platz fünf in der vergangenen Saison, das hat schon arg an der Vereinsehre gekratzt. Zeitz spielt künftig bei der SG Nußloch in der dritten Liga.

© SZ vom 16.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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