Straßenrad-WM in Stuttgart:Affäre um Sprenger wird brisanter

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In einem neuen Bericht erhebt ein anonymer Zeuge schwere Vorwürfe gegen den BDR-Vize Udo Sprenger: Es geht um schwarze Doping-Kassen. Rudolf Scharping hält zu seinem Vize - kritische Journalisten versucht er einzuschüchtern.

Andreas Burkert

Am Abend, es ist oben in Degerloch schon dunkel gewesen, hat man ihn doch noch gefunden. Es ist in dieser Woche ziemlich nervenzehrend gewesen, in der WM-Stadt Stuttgart so jemanden zu finden wie diesen Stefan Schumacher.

Laut einem Bericht soll BDR-Vize Udo Sprenger schwarze Doping-Kassen verwaltet haben. (Foto: Foto: dpa)

Vielleicht wäre es also besser gewesen, gleich zu ihm nach Nürtingen zu fahren, es ist ja nicht weit, "nur 20 Kilometer bis zur WM-Strecke" seien es für ihn von daheim, sagt er.

Und der Radprofi Schumacher, 28, ist wohl ohnehin ein recht amüsanter Kerl, Harald Schmidt hat, als er noch regelmäßig arbeiten ging, Schumacher mal in seine Fernsehshow eingeladen. Ein Nürtinger saß damals einem anderen gegenüber.

An diesem Abend sitzt Schumacher im Hotel der deutschen Mannschaft, und nach den tristen Tagen, an denen wirklich niemand sonderliche Freude an der Stuttgarter Straßenrad-WM äußerte - da sagt er doch tatsächlich: "Eine Heim-WM, so eine Chance hast du nur einmal im Leben. Ich freu' ich mich riesig auf Sonntag, und das lass' ich mir auch nicht nehmen."

Sonntag findet das Profirennen statt, doch bis dahin wird wohl noch eine Weile debattiert und gestritten von denjenigen, die sogar das sonnigste Schwabengemüt in den Keller ziehen.

Der Weltverband UCI klagt beim Sportgericht Cas (erfolglos) gegen den WM-Start des dopingverdächtigten Spaniers Valverde; die Stadt Stuttgart klagt (erfolglos) per Einstweiliger Verfügung gegen den WM-Start des uneinsichtigen und neuerdings ebenfalls dopingverdächtigten Titelverteidigers Bettini; Stuttgart kündigt deshalb Regressklagen gegen die UCI an, wie Sportbürgermeisterin Susanne Eisenmann bestätigt; es gebe das "Gesprächsangebot", doch falls es keine einvernehmliche Lösung zur Übernahme des fast millionengroßen Defizites gebe, "werden wir Gerichte bemühen".

Stefan Schumacher sagt ganz allgemein: "Das hätte man alles schon vor Monaten klären müssen, aber jetzt wird es hier zum Thema gemacht."

"Sind Sie sich da ganz sicher?"

Schumacher spricht ganz ruhig, wie immer. Sein Verbandspräsident kann das bekanntermaßen auch, aber in Stuttgart sieht man Rudolf Scharping jetzt oft mit rotem Haupt. Der Sportbürgermeisterin unterstellt er schlechte Umgangsformen und "Profilneurosen", wie dies auch der UCI-Chef Pat McQuaid tat, als er sagte, Frau Eisenmann habe mit ihrer Maßnahme "die WM gekidnappt und der Stadt Stuttgart weltweit großen Schaden zugefügt".

Scharping hat sich hier allerdings selbst mehrfach unter die Presse gemischt, und als er wütet gegen die Politikerkollegin Eisenmann wegen der Affäre um den BDR-Vize Udo Sprenger, wird er noch ärgerlicher. Denn eine junge Reporterin fragt nach wegen Strenger, und Scharping entgegnet irgendwann, "für wen arbeiten sie denn?" Die junge Frau hält ein eigentlich gut sichtbares ARD-Mikrophon in der Hand, "für Tagesthemen und Panorama".

"Sind Sie sich da ganz sicher?" - "Ja, natürlich." - Scharping nochmal: "Sind Sie sich da wirklich ganz sicher?" Am Rande der Traube steht Scharpings BDR-Sportdirektor Burckhardt Bremer, sein Kopf ist in Stuttgart immer dunkelrot, und er raunt Journalisten zu: "Schlimmer als in der DDR."

Einige Journalisten nicken.

Als Clique und von sehr weit oben herab, das ist in Stuttgart der Eindruck, ereifert sich der Radsport über die Eiseskälte bei dieser WM, an der angeblich nur Frau Eisenmann schuld sein soll. Und nicht die UCI, die die Unterschrift des Weltmeisters Bettini unter eine von 600 Fahrern signierten "Ehrenerklärung gegen Doping" seit dem Sommer nicht eingetrieben hat. Und auch nicht Scharping, dessen Auftreten und Festhalten gerade nicht nur an Sprenger die Stimmung weiter geschürt hat.

Anzeige gegen unbekannt

Sprenger läuft in Degerloch weiter fröhlich über die Hotelflure. Als sei da nichts gewesen. Dabei hat der WM-Obmudsmann, Rainer Buchert, den Veranstaltern einen Bericht über ihn abgeben, in dem ein anonymer Zeuge erneut schwere Vorwürfe erhebt. Das frühere Mitglied der Nürnberger-Mannschaft hatte schon Ende Juni in einem ARD-Beitrag anonym ausgesagt, bei dem Team sei gedopt worden, und der damalige Teammanager Sprenger habe dafür schwarze Kassen verwaltet. Sprenger bestreitet das.

Dass nun allerdings der Ombudsmann Buchert, ein früherer BKA-Beamter und Polizeipräsident, den Zeugen als "ohne Abstriche glaubhaft" einschätzt, müsste Scharping zu denken geben. Und in Bucherts Bericht steht nach SZ-Informationen auch dieses neue Zitat: "Sprenger hat wiederholt Medikamentenrechnungen von Apotheken mit Personen abgerechnet, die die Mittel in ausländischen Apotheken besorgt hatten."

Auch Sprenger kennt Bucherts Schreiben, er hat es seinem Anwalt übergeben. Er hat ja Anzeige gegen unbekannt gestellt bei der Staatsanwaltschaft Wiesbaden, die wiederum auch ein Verfahren gegen Strenger eröffnete. Der zuständige Staatsanwalt sagte am Freitag der SZ, das Verfahren laufe noch, man sei erst am Anfang der Ermittlungen.

Er sagte auch: "Der Anfangsverdacht gegen Herrn Strenger besteht weiterhin." Er werde nun Kontakt zum Ombudsmann Buchert aufnehmen, denn dessen Amt bei der WM "rechtfertigt allein nicht das Zeugenverweigerungsrecht".

Scharping belässt seinen Vize im Amt. Er zieht ihn auch nicht von der WM ab. Er wütet nur. Über Eisenmann, die ihr Begehr, Sprenger möge abreisen, nicht ihm persönlich übermittelt habe. "Wenn wir alles kaputt machen wollen im Radsport, müssen wir nur so weiter machen wie diese Bürgermeisterin", hat Scharping gerufen, als Stefan Schumacher ein paar Plätze weiter saß und trotz alledem an seinen Traum vom Weltmeistertitel beim Heimrennen dachte.

Später Abend. "Du musst auf Toilette", sagt Hans-Michael Holczer zu Schumacher, der mit angestrengtem Gesichtsausdruck vorbei kommt. "Den Blick kenn' ich!" (Schumacher muss wirklich, er findet das aber gar nicht lustig).

Auch Holczer, der meist noch viel besser gelaunt ist als Schumacher, hat Sonntag übrigens ein Heimrennen, er kommt aus Herrenberg. In seinem Radgeschäft wollte er am Freitagabend die WM feiern, "bei uns in der Halle, auf der Rampe und so 'n Zeug", schwäbelt er. Die Party fällt aber aus. Sonntag, wenn vielleicht Schumacher antritt, werde "wahnsinnig was los sein", glaubt Holczer. Doch feiern wolle er nicht. "So viele Querelen, da hat mich die Lust verlassen."

© SZ vom 29.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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