Start der Volleyball-EM:Dabeisein wird schwer

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Die deutschen Volleyballerinnen hoffen trotz schlechter Chancen auf die Olympiaqualifikation. Zuvor müsste sich allerdings das nach Rücktritten geschwächte Team zusammenfinden - mit einer starken Leistung bei der Europameisterschaft.

Von Ulrich Hartmann, Bratislava/München

Kurz vor der Europameisterschaft hatte man dem Trainer der deutschen Volleyballerinnen eine Gewissensfrage gestellt: Wenn er sich entscheiden müsste, würde er dann lieber eine EM-Medaille nehmen oder die Qualifikation für Olympia 2020? Felix Koslowski, 35, hätte diplomatisch antworten können - erst die Medaille und dann noch Olympia, hätte er sagen können - aber weil er ja nur eins von beidem antworten durfte, sagte er ganz ehrlich: "Olympia."

Nun ist es nicht so, dass die deutschen Volleyballerinnen bei der an diesem Freitag mit 24 Nationen in vier osteuropäischen Ländern beginnenden EM ein ernsthafter Kandidat für eine Medaille wären; und bei der im Januar stattfindenden kontinentalen und letzten Olympia-Qualifikation sind die Chancen auch überschaubar. Aber Koslowskis Antwort machte einmal mehr deutlich, dass Volleyballerinnen in Deutschland immer noch eher um Aufmerksamkeit kämpfen als um Medaillen, und diese Doppelaufgabe stellt sich ihnen auch in den beiden wichtigsten Turnieren des nächsten halben Jahres.

Mit fünf Gruppenspielen in Bratislava (Slowakei) beginnt das EM-Abenteuer, und wenn die Deutschen womöglich bloß gegen Russland verlieren und Gruppenzweiter werden, dann spielen sie mit einer realistischen Siegchance ein Achtelfinale in Ankara (Türkei), Lodz (Polen) oder Budapest (Ungarn). Dieses Achtelfinale zu gewinnen, ist Koslowskis Minimalziel, er nennt das Erreichen des Viertelfinals aber eine Herausforderung. "Dafür müssen wir wahrscheinlich über Maximum spielen", sagt er. Und das hat Gründe. Erstens sind sechs der 14 Deutschen EM-Debütantinnen und zweitens fehlen in der zurückgetretenen Libera Lenka Dürr sowie in der mit muskulären Problemen verletzten Außenangreiferin Hanna Orthmann zwei extrem wichtige Spielerinnen. Die Außenangreiferin Ivana Vanjak, die Koslowski überraschend in den EM-Kader berufen hatte, konnte nach einem Kreuzbandriss zuletzt neun Monate nicht mehr spielen.

Ein bisschen Erfahrung und Power aber braucht so ein junges Team; das Durchschnittsalter liegt bei 24 Jahren. In der Vorbereitung funktionierte das Timing beim Block eher schlecht, und den Angriffen fehlte das Tempo. Es hing und hängt vieles an der Ausnahmespielerin Louisa Lippmann, die so gut schmettern kann, dass sie nach der EM für viel Geld bei einem Klub in Shanghai spielen darf. Auch Lippmann nennt als EM-Ziel das Viertelfinale, die Einzige, die sich ein bisschen weiter aus dem Fenster lehnt, ist die Kapitänin Denise Hanke, sie will ins Halbfinale.

Das könnte daran liegen, dass Hanke schon dabei war, als das deutsche Team bei der Heim-EM 2013 Silber gewann. So etwas vergisst man nicht. 2011 und 2013 war Deutschland nacheinander das zweitbeste Team des Kontinents, aber nachdem anschließend eine ganze Reihe guter Spielerinnen aufgehört hatte, kam das Team bei den EM-Endrunden 2015 und 2017 nicht mehr über das Viertelfinale hinaus. In der europäischen Rangliste ist Deutschland zurzeit Sechster.

Der erste Gegner ist die Schweiz (Freitag, 14.30 Uhr, Sport1). Danach folgen Spanien, Russland, Slowakei und Weißrussland. Als Einer von Vieren ins Achtelfinale kommen die Deutschen trotz aller Defizite aber ganz gewiss.

© SZ vom 23.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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