Stadiondebatte:Mietrechtbremse

Lesezeit: 5 min

Wer zieht aus dem Grünwalder Stadion­ aus? Und wohin sollen­ FC Bayern, TSV 1860 oder Türk­gücü München überhaupt ausweichen? Eine Über­sicht der Spielorte.

Von Christoph Leischwitz und Philipp Schneider

Am Freitag gab es Nachrichten aus dem Münchner Rathaus. Oberbürgermeister Dieter Reiter ließ der SZ ausrichten, er freue sich "erst einmal über den tollen sportlichen Erfolg von Türkgücü". Damit endete allerdings schon der positive Teil seiner Botschaft. Denn "dass drei Profivereine im Grünwalder Stadion spielen", sagte Reiter, das "halte ich für ziemlich schwierig, was auch der DFB bereits thematisiert hat. Für eine der drei Mannschaften müsste also eine Alternative gefunden werden". Die drei Mannschaften, auf die er abhob, sind der überaus aufstiegswillige Regionalligist Türkgücü München sowie die Drittligisten TSV 1860 München und die zweite Mannschaft des FC Bayern München. Sollte kein Drittligist absteigen und es Türkgücü nach oben schaffen, müsste sich eine Mannschaft verabschieden von Giesings Höhen. Reiter kündigte an: "Ich habe deshalb die drei Vereine, das Sportamt und den Fußballverband zu Gesprächen ins Rathaus eingeladen." Zur Einstimmung auf das hoffentlich fruchtbare Gespräch folgt an dieser Stelle eine Übersicht der möglichen und unmöglichen Spielorte in München.

Grünwalder Stadion

Eine beliebte Frage unter den Freunden des Profifußballs in München lautet gerade: Warum eigentlich müsste zukünftig eine der Drittliga-Mannschaften aus dem Grünwalder Stadion ausziehen, wenn doch alle drei Mannschaften in der Gegenwart dort schon spielen? Die beliebteste Antwort auf diese Frage lautet: Weil die Spieltage der dritten Liga vom DFB terminiert werden, die des Regionalligisten Türkgücü erst im Anschluss daran vom Bayerischen Fußballverband. Das mag keine befriedigende Antwort sein. Es ist aber die Antwort, die der DFB gegeben hat - sie ist deshalb unumstößlich.

Dass ausgerechnet 1860 aus dem Städtischen Stadion an der Grünwalder Straße ausziehen wird, das die eigenen Fans aus alter Verbundenheit (und weil es mal dem Verein gehörte) "Sechzgerstadion" nennen, ist wohl die unwahrscheinlichste Variante. Der Verein ist nach Jahren der selbstauferlegten Erniedrigung als Untermieter der Arena des FC Bayern erst im Sommer 2017 wieder nach Giesing zurückgekehrt. Außerdem träumen die Verantwortlichen von einem zweitligatauglichen Ausbau des Stadions. Auch die Fans des FC Bayern, das sollte man nicht unterschätzen, hängen sehr an der Spielstätte ihrer zweiten Mannschaft, die sie in Anlehnung an deren ewigen Ausbildungsleiter "Hermann-Gerland-Kampfbahn" nennen. Bei Türkgücü wiederum sagen sie sich: Wir haben zwar noch keine Heimat in München. Aber seit diesem Jahr haben wir endlich etwas, das mal Heimat werden könnte. Warum sollten wir das aufgeben?

Olympiastadion

(Foto: imago)

Dritte Liga? Olympiapark-Sprecher Tobias Kohler bittet um Nachsicht. Mit der dritten Liga habe man sich noch nicht beschäftigt. Im Jahr 2014 habe der Olympiapark letztmals eine ernsthafte Anfrage erhalten, ob Profifußball im Olympiastadion möglich sei. Es waren Vertreter des TSV 1860 München, die sich aus einer Raus-aus-der-ungeliebten-Arena-Laune erkundigten, inwiefern das Olympiastadion für die zweite Liga umgebaut werden müsse. Aber wenn nun eine der drei Mannschaften, Türkgücü, 1860 oder Bayern II, seine Drittliga-Saison im Olympiastadion austragen wolle, seien die Hürden ähnlich wie damals: "Wir müssen das Stadion herrichten und wir müssen die Termine penibel abstimmen", sagt Kohler. Eines sei klar: "Im Vorjahr hatten wir so viele Open-Air-Veranstaltungen bei uns, dass ein regelmäßiger Fußballbetrieb nicht möglich gewesen wäre." In diesem Jahr ist die Belegung des Olympiastadions zwar etwas entspannter, "aber wenn hier ab dem Sommer Fußball gespielt werden soll, sind wir eigentlich schon fast zu spät dran mit der Terminplanung." Kontakt gab es am Donnerstag erstmals zu 1860 - von den Bayern oder Türkgücü hat sich noch niemand gemeldet beim Olympiapark.

Eine Hürde sind auch die notwendigen Umbaumaßnahmen: Die Rasenheizung muss komplett erneuert werden. Und die Flutlichtanlage leistet nicht die geforderte LUX-Stärke. "Die Techniker sagen, dass Planung und Einbau einer neuen Rasenheizung im laufenden Betrieb ein Jahr dauert", sagt Kohler. Dafür wäre es also schon zu spät. Eine Genehmigung für Drittliga-Betrieb ohne Rasenheizung dürfte nach SZ-Informationen einzig Türkgücü erwirken: als Aufsteiger hätten sie Anrecht auf ein Jahr Übergangszeit. Die Beleuchtung ließe sich mit einer mobilen Flutlichtanlage ermöglichen, sagt Kohler. Langfristig soll zwar auch die alte Lichtanlage ertüchtigt werden. Weil diese unter Denkmalschutz steht, müssten ihre runden Leuchtkörper als Sonderanfertigungen bestellt werden. "Es gibt nur eckige LED."

Eines ist Kohler wichtig: Seit es die Arena in Fröttmaning gibt, besteht die vertragliche Regelung, dass Profifußball nur in der Arena, Konzerte nur im Olympiastadion stattfinden dürfen. "Dieser Vertrag müsste in jedem Fall geändert werden. Aber nicht so, dass uns eine Konkurrenz im Open-Air-Betrieb erwächst."

Campus

(Foto: Robert Haas)

Das Horror-Szenario für den FC Bayern: pöbelnde, gar randalierende Gästefan-Gruppen auf dem vereinseigenen Campus. Und in der Tat wäre das wahrscheinlich nur mit einer hermetischen Abriegelung des Stadions vom Rest des Geländes zu verhindern, sollten an der Ingolstädter Straße Drittliga-Spiele ausgetragen werden. Das zeigt, dass die Bayern per se schon einmal keine Lust haben, ihre U23 dort spielen zu lassen. Ein ganz spontaner Umzug im kommenden Sommer ist aber sowieso ausgeschlossen. Zum einen reicht das Fassungsvermögen (aktuell 2500 Zuschauer) für die DFB-Auflagen nicht aus, dieses ist für U23-Teams auf 5001 Zuschauer festgelegt. Außerdem wäre schon bei der Anreise keine Fantrennung gewährleistet, weil es keinen zweiten Eingang auf das Gelände gibt. Und diese Fans hätten obendrein ohne Auto oft gar keine Möglichkeit, zum Stadion zu kommen: Weil sonntags nämlich nicht einmal ein Linienbus zum Campus fährt.

Trotz allem gilt die Aufstockung auf 5000+ nicht als Unmöglichkeit. Dem Vernehmen nach würde der eigentliche Ausbau keine großen Mühen bereiten. Interessant wäre das aber wohl nur, wenn eines fernen Tages Türkgücü München wie auch Sechzig in die zweite Liga aufsteigen sollten: Sollten zwei Zweitligisten im Grünwalder Stadion spielen, müsste Bayern II tatsächlich ausziehen.

Dantestadion

(Foto: NPH/Imago)

Große Amateurschlachten wurden hier schon geschlagen, es war die Heimat des FC Wacker, auch der SV Türk Gücü spielte hier vor einer fünfstelligen Zuschauerzahl. Kein Wunder, dass gerade von älteren Fußball-Interessierten in der Stadt immer wieder die Frage kommt: Ja, was ist denn eigentlich mit dem Dante? Die Frage ist nicht ganz unbegründet. Als vor einem Jahr Türkgücü vor dem Aufstieg in die Regionalliga stand, begann man auch schon darüber nachzudenken, das fast 100 Jahre alte Stadion wieder fußballtauglich zu machen. Bald steht eine Sanierung an. Doch bisher weist nichts darauf hin, dass im Zuge dieser Umbaumaßnahme die Stadt auch noch die Drittliga-Auflagen des DFB in Angriff nehmen will. Offiziell heißt es aus dem Sportamt sowieso: "Profi-Fußball ist im Städtischen Stadion an der Dantestraße nicht möglich." Im Detail müsste eine Rasenheizung und eine stärkere Flutlichtanlage eingebaut werden, außerdem müssten "die technischen Voraussetzungen zur Fan-Trennung installiert sowie die Zuschauerkapazität erhöht werden. Dazu sind weitere technische und räumliche Voraussetzungen nicht gegeben." Mit "räumlichen Voraussetzungen" dürften aber nicht die umliegenden Gebäude, sondern deren Bewohner gemeint sein. Diese gelten nämlich als besonders lärmempfindlich. Außerdem müssten bei einem Einzug von Fußballern zahlreiche Football-Mannschaften und Leichtathleten ausweichen - die Stadt hätte dann ein ähnliches Problem wie schon jetzt, nur mit anderen Sportarten. Trotzdem: In Stadtratskreisen scheint das Dantestadion aufgrund der Dringlichkeit der Lage immer noch nicht ganz vom Tisch zu sein.

Sportpark Unterhaching

(Foto: Sven Leifer/imago)

Bei der SpVgg erhält man zurzeit keine Antwort auf die Frage, ob man das Stadion künftig mit einem Mieter teilen möchte - aus einem ganz einfachen Grund: Im Moment ist der Verein noch gar nicht der Mieter. Der Gemeinderat hat in der vergangenen Woche in nicht-öffentlicher Sitzung zwar zugestimmt, das Stadion am Sportpark zu verkaufen. Doch letzte Details sind noch nicht geklärt, und damit auch nicht der endgültige Zeitpunkt der Übergabe. Zwar könnte es im Sommer schon soweit sein, doch für das aktuelle Lizenzierungsverfahren könnte noch niemand das Stadion angeben, weil der DFB absolute Verlässlichkeit einfordert. Weil das Verhältnis zwischen Hachingern und dem FC Bayern als freundschaftlich gilt, dürfte der Bayern-Nachwuchs zudem die einzige Mannschaft sein, die in Unterhaching Spiele austragen dürfte. Jedoch: Für eine gesamte Saison dürfte man sich auch in der Vorstadt schwertun.

Allianz Arena

(Foto: Thomas Eisenhuth/imago)

Von Seiten des DFB spricht nichts gegen eine Drittliga-Mannschaft in Fröttmaning. Doch nach dem Abstieg im Jahr 2017 ist die Tür für die Löwen endgültig zu. Und es ist mehr als fraglich, dass sich Türkgücü die Miet- zuzüglich den sonstigen Kosten für den Spielbetrieb leisten könnte - dafür, dass von 75 000 Plätzen vielleicht 2000 besetzt sind. Selbst für Bayerns U23 wäre der Arena-Aufwand so enorm, dass man wohl eher nach Unterhaching ausweichen würde. Aber klar ist auch: Nur der FC Bayern ist in Besitz einer Spielstätte und damit der einzige Klub, der das Problem, das drei Klubs betrifft, ganz alleine lösen könnte.

© SZ vom 22.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: