Sprinter Robert Förster:Der liebe Gott wartet noch

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Robert Förster ist der beste deutsche Sprinter bei der Tour - aus dem Schatten von Erik Zabel muss er erst noch herausfahren.

Andreas Burkert

Die schnellsten deutschen Beine bei dieser Tour liegen jetzt auf der Massagebank, und sie befinden sich offenbar in besten Händen bei Slawo, dem Masseur. Es ist Mittwochabend im Mannschaftshotel des Teams Gerolsteiner in Sainte-Savine, einem Vorort von Troyes, und Robert Förster hat es als erster auf die Pritsche geschafft. Zwischendurch kommt sein Kapitän Levi Leipheimer herein, der Amerikaner wartet schon ganz ungeduldig auf Slawos Knetkünste, doch jetzt ist erst mal "Frösi" dran, wie ihn hier alle nennen. "Da siehst du mal, in welchen Hotels wir hier wohnen", sagt Förster und bittet in die armselige Unterkunft, die ihnen die Société du Tour de France diesmal zugewiesen, eine Abstellkammer von acht Quadratmetern. Wenigstens Slawo tut gut.

Von Robert Förster, 27, wird man ohnehin keine Klagen hören, er fährt zum ersten Mal die Tour und empfindet das als Chance seines Lebens. "Hier fahre ich auch um meine Zukunft", sagt der Sprinter aus Markkleeberg, und sein Ziel formuliert er ohne Umwege: "Ich will hier eine Etappe gewinnen." Das ist ein nicht gerade unbescheidener Anspruch für einen Neuling, der zum ersten Mal erlebt, "dass im Finale alle besonders brutal reinhalten". Er traut sich einen Sieg aber zu, schon im Mai beim Giro hatte er es immerhin achtmal ins Finale geschafft, mit seiner Ausbeute von zwei dritten Plätzen erwarb er sich das Tourticket. Jetzt träumt er in Frankreich seinen Traum, "dass der liebe Gott mal auf mich zeigt", am liebsten natürlich diesen Freitag oder Samstag, "wenn es nach Deutschland riecht", wie es Teamchef Hans-Michael Holczer ausdrückt.

Etappensieg das große Ziel

Vor allem die Gerolsteiner kommen am Wochenende, wenn die Tour in Deutschland Station macht, nach Hause. "Wir könnten ja fast daheim schlafen", sagt Holczer, dessen Teamzentrale sich in Herrenberg befindet. Am Freitag in Karlsruhe zu gewinnen, das wäre "ein genialer Imagewert für uns". Der beurlaubte Realschullehrer kennt sich inzwischen bestens aus im PR-Einmaleins und erwähnt stolz, der Sponsor habe es auf Rang sieben in der Bekanntsheits-Liste der deutschen Sportförderer gebracht. Mit einem Etappensieg, sagt Holczer, "wäre für uns die Tour schon gelaufen".

Seine Bergfahrer Leipheimer und Georg Totschnig könnten das vielleicht schaffen, womöglich auch der junge Kämpfer Fabian Wegmann im Mittelgebirge. Oder eben Robert Förster auf den verbleibenden Flachetappen. Inzwischen glaubt auch Holczer an ihn, obwohl er nicht immer gut auf den Sachsen zu sprechen war. "Dass er einen Riesenbums hat, wussten wir schon immer", sagt Holczer, "aber er war eben auch einer, der im Winter nicht mit letzter Konsequenz arbeitet." Zur rechten Zeit hat Förster offenbar dem Lotterleben entsagt, denn ganz unverhofft ist er zur ersten Option für die Massensprints geworden. Eigentlich wäre ja Danilo Hondo der Kandidat, doch nach dessen positiven Dopingproben im März ist er verhindert. Holczer mag gar nicht dran denken, was hier möglich wäre mit einem Hondo, wo der große Petacchi mit seinen Tempobolzern von Fassa Bortolo fehlt und Erik Zabel sowieso. Hondo hat sich Dienstag mit dem Sponsor getroffen, in seinem Fall ist ja offenbar von einer unabsichtlichen Einnahme des Aufputschmittels Carphedon auszugehen. Sollte dies der Weltverband genauso sehen, wird Gerolsteiner ihn wohl wieder nehmen.

Doch mit Hondo möchte sich Holczer einstweilen nicht beschäftigen, jetzt ist Förster sein Mann, und der vollzieht im Grunde die gleiche Entwicklung wie die gesamte Mannschaft. Stetig weiter entwickelt haben sie sich alle, auch Förster, der vom kleineren Nürnberger-Team kam. Bei Gerolsteiner gab er zunächst für Olaf Pollack den Anfahrer, zuletzt für Hondo, und nun lernt er gerade, sich selbst zurechtzufinden im Chaos eines Massensprints. Den Zeitpunkt hält er für ideal, "mit 27 beginnt ja erst das Sprinteralter", sagt Förster. Bei der Tour ist er bislang einmal Sechster gewesen und Zehnter in Montargis. Bislang hat ihn der liebe Gott wohl noch übersehen.

Zeit nach Ullrich wird kritisch

Doch einen neuen Zabel werde es so bald nicht geben, sagt Holczer. Ein Sprinttalent ist nicht in Sicht, obwohl kürzlich der 18-jährige Kölner Gerald Ciolek sensationell die Deutsche Meisterschaft gewann. Vor Förster und Zabel. Die favorisierten Teams hätten in Mannheim das Tempo verschleppt, sagt Förster, "den Sieg würde ich jetzt nicht so hoch einschätzen". Er hat sich über Platz zwei geärgert. Holczer ärgert sich dagegen manchmal über den Schatten von Ullrich und Zabel, der dafür sorgt, dass sich Team Gerolsteiner nicht immer ausreichend gewürdigt fühlt. Wo sie doch 2004 die Nummer drei in der Weltrangliste gewesen sind. Doch die Zeit nach Ullrich werde "noch kritischer", für den deutschen Radsport und wohl auch für sein Team. "Ein Vakuum entsteht aber nur dann, wenn man sich nur auf einen Toursieg fixiert", meint Holczer und ergänzt: "Was uns das Genick brechen kann, ist, wenn sich eine Hundertschaft von Journalisten von der Tour abwendet, weil Ullrich nicht mehr dabei ist."

Insofern fährt Robert Förster, der einzige deutsche Sprinter bei dieser Tour, zurzeit um ziemlich viel. Um seine Zukunft, für sein Team, für Baden-Württemberg, für die Sprintergeneration nach Zabel und für die verwöhnte Radsportnation. Slawo sollte sich viel Mühe geben.

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