Spitzenspiel in der Regionalliga (2):Ruhig und hungrig

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Aufstiegserfahren: Franco Flückiger, einst bei der SpVgg Greuther Fürth und in Burghausen tätig. (Foto: Sportfoto Zink/WoZi/imago)

In zehn Spielen fünf Mal zu null gespielt: Für Torwart Franco Flückiger ist das Projekt Türkgücü München die vielleicht letzte Chance, es noch in die dritte Liga zu schaffen. Für dieses Ziel geht er über sich hinaus.

Von Christoph Leischwitz

Im September 2018 war Franco Flückiger schon einmal in Heimstetten, damals durchzuckte ihn beim Aufwärmen ein starker Schmerz im Mittelfinger. Er nahm den Handschuh ab und sah, dass das vordere Glied schlaff herunterhing. Sie bandagierten den Finger dick ein, Flückiger spielte. Danach fuhr er ins Krankenhaus, weil "mein Finger nicht mehr so aussah, wie ich ihn in Erinnerung hatte", erzählt er. Das Spiel endete 3:0 für Flückigers SV Wacker Burghausen gegen den SVH, auch in den folgenden Wochen stand er im Tor, trotz der Diagnose: Strecksehnenriss.

Ein Jahr später steht der 28-jährige Torwart im Kader von Türkgücü München, dem Tabellenführer, der zurzeit seine Heimspiele im Sportpark Heimstetten austrägt und an diesem Montagabend zum Spitzenspiel in Schweinfurt antritt. Zu Beginn der Saison fehlte Flückiger. Er hatte ein großes Hämatom an der Hüfte, eine Weile war offen, ob er operiert werden muss. "Da war torwartspezifisches Training nicht möglich", sagt er trocken. Sprich: Er konnte sich nicht hinschmeißen. Doch früher, als es der Arzt erlaubte, schmiss er sich wieder hin. Er kam um die Operation herum, seitdem hat er in zehn Spielen fünf Mal zu Null gespielt.

Klar, Torhüter haben einen an der Klatsche, das sagen ja alle. Auch, dass der Türkgücü-Keeper mal über die Schmerzgrenze hinausgeht - geschenkt. Selbst die viertklassige Regionalliga ist mittlerweile voll von Kickern, die ihrem Körper sehr viel zumuten, die einen Großteil ihres Lebens nach dem Fußball ausrichten. Doch Flückiger ist eben ein gutes Beispiel dafür, dass das Türkgücü-Klischee der Retortenmannschaft aus Egoshootern, allein zusammengehalten durch hohe Gehälter, schwerlich der Wahrheit entspricht - auch wenn Flückiger einer von 23 Zugängen des durchmarschambitionierten Aufsteigers ist.

Das kleine Café für den Treffpunkt in Giesing hat er selbst ausgesucht, er erscheint mit dem Fahrrad, auf die Minute genau. Eine Dreiviertelstunde später blickt er auf seinen noch halbvollen Cappuccino und sagt: "Vielleicht ist es ja auch für mich die letzte Chance, noch die dritte Liga zu erreichen." Flückiger ist ein ruhiger, bedächtiger Zeitgenosse. Aber das kaschiert den Hunger auf Erfolg nur.

Flückiger hat schon einige Aufstiege miterlebt, auch wenn er nicht jedes Mal aktiv beitragen konnte. Er war zum Beispiel dritter Torwart bei der SpVgg Greuther Fürth, als die Mannschaft mit Trainer Mike Büskens 2012 den Sprung in die Bundesliga feierte. Gespielt hat er vor allem deshalb nicht, weil in der Winterpause ein Meniskus genäht werden musste. Sein Vertrag wurde nicht verlängert. Danach ging es zum Halleschen FC, der gerade in die dritte Liga aufgestiegen war. Wegen der Verletzung musste er sich herankämpfen, letztlich klappte es nicht. Den Wechsel zum Oberligisten FC Neugersdorf bezeichnet der gebürtige Stendaler als "einen Schritt zurück und zwei Schritte vor". Immerhin konnte er aktiv am Aufstieg in die Regionalliga mitwirken. Bei Wacker war er dann zwei Jahre lang die Nummer eins.

Die Geschichte seines Wechsels von Burghausen zum neuen Liga-Konkurrenten hatte Ärger nach sich gezogen. Als Türkgücü vor zwei Wochen bei Wacker 2:1 gewann, musste sich Flückiger viel anhören von den Fans. Türkgücü-Geschäftsführer Robert Hettich, selbst ein ehemaliger Burghauser, habe Flückiger wenige Tage nach seiner Vertragsauflösung beim SVW angerufen, berichtet er. Eigentlich hatte der Torwart da schon geplant, mit seiner Frau in ihre Heimat nach Cottbus zu ziehen, er selbst wollte dort ein Fitnessstudio eröffnen. Türkgücü bot eine neue Option. "Eigentlich habe ich alles dazu gesagt", meint Flückiger. Er habe vorab nicht gewusst, dass Hettich ihn anrufen würde. Unmut gegen ihn kann er akzeptieren - er wünscht sich nur, dass mit seiner Frau fair umgegangen wird, die in München zu diesem Zeitpunkt bereits wegen einer Krebserkrankung behandelt wurde.

Es gibt nicht wenige, die sagen, Türkgücü habe in Flückiger den besten und in Maximilian Engl (Garching) den zweitbesten Regionalliga-Bayern-Torwart der vergangenen Saison verpflichtet. Hier hat Flückiger, in seiner Karriere oft nur zweite oder dritte Wahl, den Konkurrenzkampf gegen den sieben Jahre jüngeren Konkurrenten erst einmal gewonnen. Bleibt er gesund, kommt der Profifußball jetzt unweigerlich näher. Vielleicht sogar dann, wenn er verletzt ist.

© SZ vom 21.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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