Spitzenduell:Live ins ganze Land

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Exemplarisch für die Gladbacher Entwicklung: Eden Hazard, hier beim 1:0 gegen Nürnberg. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Der Tabellen-Zweite beim Ersten - Mönchengladbach stimmt sich mit dem elften Heimsieg in Serie auf die Reise am Freitagabend zu Borussia Dortmund ein.

Von Philipp Selldorf, Mönchengladbach

Es war 22.24 Uhr, als im Borussia-Park in Mönchengladbach lautstark ein Schlusspfiff bejubelt wurde, obwohl die Spieler schon vor zwei Stunden den Rasen verlassen hatten und auf den Stadionrängen außer bitterkalten Windböen niemand mehr anzutreffen war. Die Freudenrufe kamen aus den VIP- und Schankräumen, wo sich die Leute nach dem mäßig unterhaltsamen 2:0 der Borussia gegen den 1. FC Nürnberg eine Zugabe gegönnt hatten, und wo sie nun das Glas erhoben auf Fortuna Düsseldorf, den Gewinner des Abends, der für die Nachbarn ein bisschen mitgewonnen hatte: Die Aussicht auf das nächste Auswärtsspiel, am Freitagabend bei den westfälischen Namensvettern, macht den Borussen vom Niederrhein jetzt noch mehr Vergnügen. Für den großen Rahmen ist in Dortmund sowieso gesorgt, für ein großes Publikum ebenfalls: Das ZDF überträgt das Spiel des Tabellenführers gegen den nächsten Verfolger live ins ganze Land.

"Erster gegen Zweiter, das ist immer schön", hatte Yann Sommer unverbindlich angemerkt, als noch keiner die Überraschung ahnte, die es in Düsseldorf geben sollte. Ihre Vorarbeit für das Spitzentreffen des deutschen Fußballs hatten die Gladbacher auf dem Weg der Pflichterfüllung erledigt, diesem elften Bundesliga-Heimsieg hintereinander waren schon weitaus glanzvollere Auftritte vorausgegangen. Trainer allerdings lieben solche schmucklosen Erfolge oft ganz besonders, und tatsächlich machte Dieter Hecking einen zufriedeneren Eindruck als nach manchem Hurra-sieg. "Wenn jeder denkt, es ist ein Selbstläufer, dann ist es meistens anders", sagte er. Von selbst ging es keineswegs gegen die widerspenstigen Nürnberger, umso wertvoller sind die drei Punkte. Zwar beanstandete Hecking den Ertrag des Konterspiels, weshalb erst nach Alassane Pleas 2:0 (87.) Gewissheit herrschte, die seriöse Vorgehensweise seiner Elf versöhnte den Coach jedoch mit einigen Versäumnissen und animierte ihn zu einer Art Kampfansage an den BVB: "Wir spielen bei der momentan besten deutschen Mannschaft - aber wir sind auch eine gute Mannschaft."

Was am Freitag für die Gladbacher Borussen spricht: ihre relative Unbeschwertheit. Beim Tabellenführer müssen sie nicht gewinnen wie nun gegen den Tabellenvorletzten. Was (außer ihrer notorischen Auswärtsschwäche) gegen sie spricht: dass die Mannschaft womöglich ein wenig zu unbeschwert ist, nachdem sie 33 Punkte gesammelt hat und dafür überall gelobt wird. So eine gute Ausbeute während der Hinrunde gab es zuletzt im Dezember 1975, und damals wurde man dann im nächsten Sommer deutscher Meister, mit ruhmreichen Männern wie Dietmar Danner, Hacki Wimmer und Hans Klinkhammer. Als deren Nachfahren jetzt nach Spielschluss dem Publikum Danksagungen entgegentrugen, während der Stadionsprecher salbungsvoll Festtagswünsche formulierte, konnte man allerdings den Eindruck haben, dass sich Borussia Mönchengladbach bereits in die Betriebsferien verabschieden wollte.

Darauf wird es jetzt also ankommen: Dass diese von ihrem Trainer stets durch Understatement geschützte und oft ein wenig zu brav dargestellte Mannschaft den Instinkt entwickelt, die Chance zu nutzen, vielleicht sogar, um dem Vorbild von Danner, Wimmer und Klinkhammer zu folgen. Es mag verwegen sein für die Borussen, vom Titel zu träumen, es muss aber nicht als vermessen gelten, da sich nun die Gelegenheit bietet, den Anschluss zu schaffen. In Dortmund werde man "eine überragende Leistung" brauchen, sagte Torwart Sommer: "Aber ich bin überzeugt, dass wir bereit sind für dieses tolle Spiel."

Diese Gladbacher Borussia ist ein anderes Team als die unstete Ausgabe des Vorjahres. Exemplarisch steht dafür der Fortschritt des Angreifers Thorgan Hazard, der aufgehört hat, wie der kleine Bruder des großen Eden Hazard vom FC Chelsea zu spielen. Er ist jetzt seine eigene Marke, zu seinen immer schon starken Ballaktionen kommen endlich auch die nötigen Tore (neun bisher). Gegen den Club vergab Hazard zwar einen (unberechtigten) Foulelfmeter, indem er den Ball mit einem seltsamen Kunstschuss übers Tor beförderte, doch Trainer Hecking war aus gutem Grund bereit, den Täter sofort zu amnestieren: "Thorgan hat das 1:0 gemacht, das war die beste Antwort."

Für manchen Gladbacher Spieler gibt es nun ein Wiedersehen mit dem ehemaligen Lehrer. Lucien Favre erfreute sich bei seinen Schülern jahrelang großer Beliebtheit, bevor er anfing, ihnen mit seinen Launen und seiner Pedanterie auf den Wecker zu gehen. Jene Borussen, die Favre noch erlebt haben, werden ihn sicher herzlich begrüßen, einen Wettbewerbsnachteil befürchten sie nicht. "Ich denke nicht, dass er auf dem Platz stehen wird. Er macht einen guten Job, wir machen aber auch einen guten Job", sagte Yann Sommer über seinen Landsmann.

© SZ vom 20.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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