Spieler-Markt:Eine Yacht soll kommen

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Die Fußball-WM ist für viele Spieler eine Gelegenheit, Aufmerksamkeit zu erregen - 60 Kicker suchen einen Klub, viele mehr wollen ihren Wert steigern.

So eine Fußball-Weltmeisterschaft ist auch ein großes Schaufenster. Längere Ladenöffnungszeiten, verkaufsoffene Sonntage - der deutsche Einzelhandel hat sich von Partys unter Freunden so einiges erhofft. Und ist enttäuscht. "Die Effekte sind eher mäßig", hat Dirk Ulbricht vom Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung ausgerechnet.

Auf das Bruttoinlandsprodukt werde der Besuch der Welt wohl keine Auswirkung haben. Auf das Inlandsprodukt vielleicht nicht. Auf die Haushaltseinkommen so mancher Kicker aber sehr wohl.

Denn was für Sportartikel-Verkäufer, Fernseh-Bauer und Bier-Ausschenker gilt, gilt bei so einer WM auch für viele Fußballer: Sie wollen auf sich aufmerksam machen, begeistern, ihren Preis in die Höhe treiben und am Ende unbedingt jemanden finden, der zugreift.

63 Spieler haben die Endrunde ohne einen Kontrakt begonnen, der ihnen in der kommenden Saison 2006/2007 in irgendeiner Profiliga zwischen Australien und Ecuador ein festes Auskommen sichert (siehe nebenstehende Grafik).

Zu haben waren elf Stürmer - mithin also eine ganze, recht offensiv ausgerichtete Mannschaft - , 19 Mittelfeld-Akteure, 19 Verteidiger und 14 Torhüter, was - weil auf der Position ja immer nur einer spielen kann - , proportional überdurchschnittlich viele sind.

Vieris E-Mail-Bewerbung

Die Mannschaft, die mit den meisten Arbeitssuchenden ins Turnier zog, war die Spielergemeinschaft aus Trinidad & Tobago. Ihr Meldebogen führte acht Fragezeichen hinter den Spielernamen, der aus Ghana immerhin noch sechs.

Gemessen daran wirken die wenigen Verhandlungen, die es im deutschen Team bis zum Anpfiff gab, wie Petitessen. Wie viele Zigtausende soll Michael Ballack denn nun jede Woche beim FC Chelsea bekommen?

Wie viele neue Stürmer kann der 1. FC Köln für die Ablöse kaufen, die der FC Bayern ihm für Lukas Podolski überweist? - All das ist geklärt, und auch international wurden bereits einige Fragen beantwortet.

Jan Koller, gerade von einem Kreuzbandriss genesen, nutzte die Gelegenheit, um von Borussia Dortmund zum AS Monaco zu wechseln. An der Côte d'Azur ist das Wetter verlässlich gut, der Euro noch etwas wert, und mit dem Autogrammeschreiben für die Fans braucht man sich auch nach Heimspielen meistens nicht lange aufzuhalten.

Auch Jürgen Klinsmann hat das Anfang der neunziger Jahre einst drei Sommer lang erfahren. Bei Koller - im Mai 2001 für 10,5 Millionen Euro vom RSC Anderlecht verpflichtet - war der Fall klar: Sein Vertrag in Dortmund war ausgelaufen. Er wechselte ablösefrei.

Und freut sich nun über einen Zweijahresvertrag, an dem auch der kleine Muskelfaserriss im rechten Oberschenkel nichts mehr ändert, den er sich in der ersten WM-Partie gegen die USA zuzog.

Beim AS Monaco hat seine Verpflichtung für einigen Wirbel gesorgt. Einige Tage, nachdem die Meldung offiziell war, setzte sich der italienische Stürmer Christian Vieri - in den Jahren 1997 bis 2003 mit 113 Toren in 148 Spielen für Juventus Turin, Atlético Madrid, Lazio Rom und Inter Mailand einer der besten Mittelstürmer der Welt - an seinen Laptop.

Vieri spielt seit diesem Jahr für den AS Monaco. Jetzt schrieb er Sampdoria Genua eine E-Mail. "Ich bin ein großer Fan von Sampdoria und habe in letzter Zeit von einem möglichen Wechsel des Spielers Vieri zu eurem Klub gelesen. Ich hoffe, dass es in Kürze zu einer Kontaktaufnahme kommt. Beste Grüße", schrieb Vieri. Das nennt man wohl, sich selbst ins Gespräch bringen. Und: Feigheit vor der Konkurrenz.

"Die WM ist eine große Bühne, um sich vorzustellen", sagt der Kroate Niko Kranjcar, derzeit bei Hajduk Split beschäftigt. Wo er in Zukunft spielen wird? Egal, Hauptsache im Westen von Europa! Einige Akteure haben schon erfolgreich vorgespielt auf der WM-Bühne.

Eric Akoto zum Beispiel, derzeit noch vereinslos, darf künftig wohl vor dem Tor von Widzew Lodz für Ordnung sorgen. So klar jedoch sind die Ziele und Bedingungen keineswegs in jedem Fall. Ruud van Nistelrooy ist dafür ein schöner Beleg. Seit 2001 stürmt der Niederländer für Manchester United.

Sir Alex Ferguson, der Trainer des Teams, wollte den Stürmer unbedingt haben - obwohl der gerade erst eine Knieverletzung überstanden hatte und der PSV Eindhoven die stolze Summe von 19 Millionen Pfund als Ablöse forderte. Einige Jahre ging es auch ganz gut mit Nistelrooy und Ferguson.

Gleich im ersten Jahr glückten dem Angreifer für seinen neuen Verein in 32 Spielen 23 Tore. Seit einiger Zeit aber kriselt es in der Beziehung zwischen der Trainer- und der Stürmer-Größe. Nach einem Disput hat Ferguson Nistelrooy mehrmals auf die Bank verbannt, worauf der Niederländer so reagierte, wie es sich für eine Stürmer-Diva gehört: indigniert. Seitdem will er weg.

Sein Kontrakt allerdings gilt noch bis 2008, weshalb Manchester gerne 15 Millionen Euro hätte, bevor er für einen anderen Klub auf Torejagd gehen darf. Der FC Bayern ist interessiert.

"Wenn da was zu machen ist, werden wir es ganz sicher versuchen", sagt Manager Uli Hoeneß. Möglicherweise prominenter Wettstreiter beim Wettbieten ist der AC Mailand, der einen Nachfolger für Andrej Schewtschenko sucht. Der Ukrainer gab kurz vor dem WM-Auftakt bekannt, dass er den Verlockungen von Roman Abramowitsch erlegen ist und zum FC Chelsea wechselt.

Dem Mann, der Öl in Geld verwandelt, ist angeblich auch schon aufgefallen, dass Philipp Lahm mit einem außergewöhnlichen Talent nicht nur für die Abwehrarbeit gesegnet ist. "Das Interesse ehrt mich", sagt der 25-Jährige: "Derzeit gehe ich aber davon aus, dass ich meinen Vertrag erfülle." Der gilt bis ins Jahr 2009.

Der junge Deutsche will nicht? Aber was ist mit dem erfahrenen Brasilianer? Als Alternative hat Abramowitsch angeblich Roberto Carlos, 33, ausgekuckt. Seine Zukunft bei Real Madrid ist - obwohl sein Kontrakt noch ein Jahr lang läuft - ebenso ungeklärt wie die von Ronaldo.

Nachdem das Projekt, die klangvollsten Namen des Fußball-Kosmos zusammenzukaufen, grandios gescheitert ist, ist offen, wie es mit den Galaktischen weitergehen wird.

Am 2. Juli wird bei Real Madrid eine neue Klubführung gewählt. Die darf entscheiden, wer die Auswahl künftig trainiert. Und der Coach wiederum darf entscheiden, wen er haben will. Zur Wahl stellt sich unter anderem der Bauindustrielle Juan Miguel Vilar Mir, der sich einen populären Kopf an die Seite geholt hat: Carlos Sainz, zweimaliger Rallye-Weltmeister, würde im Erfolgsfall Vizepräsident.

Weil der Klub seine Mannschaft generell verjüngen möchte, hat er angeblich bereits Interesse am Brasilianer Kaka bekundet, was wiederum den AC Mailand in Furor brachte. Empört beschwerten sich die Italiener beim Weltfußballverband Fifa über den angeblichen Abwerbeversuch.

Vieles ist mit Vielem verwoben in diesen Tagen. So hat der Serbe Danijel Ljuboja seinen Kontrakt beim VfB Stuttgart zwar verlängert, stellt aber derartige Nachforderungen, dass die Schwaben ihn nun meistbietend weiterveräußern wollen. Das würde Marco Strellers Chancen auf eine Rückkehr zum VfB erhöhen.

Der Schweizer war an Bundesliga-Absteiger 1. FC Köln ausgeliehen und will sich bei der WM den noch zögernden VfB-Verantwortlichen aufdrängen: "Ich will denen beweisen, dass sie keine Wurst eingekauft haben."

Verwirrend ist die Situation auch um den argentinischen Nationalspieler Javier Saviola. Bislang spielte der 24-Jährige bei der WM stark. Gegen die Elfenbeinküste traf er selbst, beim 6:0 gegen Serbien und Montenegro bereitete er zwei Tore vor.

Zum FC Sevilla, mit dem er den Uefa-Pokal holte, will Saviola nicht mehr zurück. Der FC Barcelona, der ihn zum Rivalen in der Primera División ausgeliehen hatte, will Saviola aber auch nicht mehr haben.

Zerrütetes Verhältnis

Die Entscheidung sei nicht von einem oder zwei Spielen abhängig, sagt Txiki Begiristain. Das Verhältnis zwischen Trainer Frank Rijkaard und Saviola gilt als zerrüttet. 2001 hatte der Verein den 1,68 Meter großen Angreifer für 25 Millionen Euro von River Plate Buenos Aires verpflichtet.

Drei Jahre spielte Saviola in Barcelona. Durchsetzen konnte er sich nie. 2004 liehen ihn die Katalanen an den AS Monaco aus. In der vergangenen Saison spielte Saviola sehr erfolgreich für Sevilla. Doch die Andalusier wollen den hoch dotierten Leihvertrag nicht weiterbezahlen. Jetzt versucht Saviola dem Durcheinander mit guten Leistungen bei der WM zu entkommen.

Das mit Abstand größte Kuddelmuddel aber herrscht bei Juventus Turin. Luciano Moggi, dem ehemaligen Sportdirektor des Vereins, wird vorgeworfen, jahrelang systematisch Spiele zugunsten seines Arbeitgebers verschoben zu haben.

Chaos in Turin

So lange in dem Fall kein Urteil gesprochen ist, ist offen, ob der Klub weiter in der Serie A antreten darf, ob Trainer Fabio Capello sein Amt weiter bekleiden darf, oder ob vielleicht doch Alberto Zaccheroni (einst Trainer bei Inter Mailand) oder Didier Deschamps (1998 Weltmeister mit Frankreich und von 2001 bis 2005 Trainer beim AS Monaco) in der zweiten Liga eine neue Elf aufbauen müssen.

Der schwedische Stürmer Zlatan Ibrahimovic und der brasilianische Mittelfeldspieler Emerson dürften dann kaum zu halten sein. Beide werden bereits mit Real Madrid in Verbindung gebracht. Der Kroate Robert Kovac sagt zur Aussicht eines Zwangsabstiegs: "Das wird man alles nach der WM sehen."

Glücklich, wer so gelassen bleiben kann. Für Joao Ricardo, der bei Angola das Tor hütet, kann die WM bereits an diesem Mittwoch zu Ende sein - und dann hat der 36-Jährige keine Gelegenheit mehr, Aufmerksamkeit zu erregen.

"Meine Zukunft ist, das nächste Spiel gegen den Iran zu gewinnen", sagt Ricardo. Seit zwei Jahren ist er ohne Festanstellung bei einem Profiklub.

Zuletzt hielt er sich beim portugiesischen Drittligisten Portimonense fit. Die Wahrscheinlichkeit, dass Öl-Abramowitsch mit seiner Yacht dort einmal vorbeischippert, ist ziemlich gering. Das Gleiche gilt für Ecuadors Kapitän Ivan Hurtado und Costa Ricas Torjäger Paulo Wanchope, die beide ebenfalls entdeckt werden wollen.

Der 31-jährige Hurtado wirkte zuletzt bei Al-Arabi Doha, der 29-jährige Wanchope hat in den vergangenen neun Jahren fünf Vereine kennen gelernt: Derby County, West Ham United, Manchester City, Malaga CF und Al-Gharrafa in Katar. Zuletzt kehrte er in seine Heimat zurück, nach Herediano.

"Zeit in Deutschland vorbei"

Wer wählen kann, ist privilegiert. Der Brasilianer Ze Roberto kickte acht Jahre lang in Deutschland, erst für Bayer Leverkusen, dann für Bayern München. Der Klub wäre durchaus geneigt gewesen, den 32-Jährigen noch ein Weilchen an sich zu binden, doch Ze Roberto wollte nicht.

"Meine Zeit in Deutschland ist beendet", hat er feierlich erklärt: "Ich habe mehrere Angebote." Eines soll vom griechischen Meister Olympiakos Piräus stammen. Die gleiche Entscheidung hat im gleichen Alter Jens Nowotny getroffen.

Der Spätberufene in die deutsche Nationalauswahl hat sich entschlossen, Bayer Leverkusen nach zehn Jahren zu verlassen. "Es liegen Angebote auf dem Tisch, wir sortieren und entscheiden uns in aller Ruhe", sagt er.

Das Gleiche sagt auch Maxim Kalinitschenko. Der 27-jährige Ukrainer glänzte beim 4:0 gegen Saudi-Arabien. Bis 2008 gilt sein Angestelltenverhältnis bei Spartak Moskau. Gegen eine Abschlagszahlung von zwei Millionen Euro wäre der Klub aber wohl bereit, Kalinitschenko sich verändern zu lassen.

"An der Transfer-Front geht es erst nach der WM richtig los", prophezeit der ehemalige österreichische Nationalspieler und heutige Spieleragent Max Hagmayr. Dann wird sich auch weisen, ob der Wunsch des 33 Jahre alten saudischen Stürmers Sami Al-Jaber in Erfüllung geht. Er stand bei diesem Turnier zwar nicht in der Startformation der Nationalelf, sagt aber unverfroren: "Ich würde gerne einmal in der Premier League spielen."

© SZ vom 21.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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