Spielbericht Barcelona - Bremen:Viel zu kleine Riesen

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0:2 in Barcelona: Werder Bremen scheidet in der Champions League aus und muss im Uefa-Cup weiterspielen.

Hat Werder Bremen eine große Mannschaft? Diese Frage hat die Fußballwelt vor dem Spiel in Barcelona sehr beschäftigt, und um 20.58 Uhr musste die Fußballwelt feststellen, dass die Frage leider falsch gestellt war. Um 20.58 Uhr stand zwar fest, dass Werder eine sehr große Mannschaft hat, wobei die Frage korrekterweise lauten müsste: Ist das überhaupt gut? Um 20.58 Uhr war es jedenfalls überhaupt nicht gut. Da sprangen die Bremer Mertesacker (1,98m) und Naldo (1,98m) in Werders Freistoßmauer so hoch sie konnten - nur leider huschte irgendwo unter ihnen der Ball ins Netz.

Ronaldinho hatte einen Freistoß getreten, wie ihn sich nur Spieler leisten können, die sich ihrer Kunstfertigkeit sehr sicher sind: Während alle Welt einen Schlenzer über die Mauer oder einen Schuss ins Torwarteck erwartete, versuchte sich der Artist aus Brasilien an einem absichtlichen Zufallsschuss: Flach schoss er Richtung Mauer, mit geschätzten 64 km/h, und die Bremer taten ihm also die Gefallen: Sie sprangen hoch, und der Ball trudelte höhnisch ins freie Eck.

Es war passiert, was Werder unter allen Umständen verhindern wollte: ein frühes Gegentor. Es war schon zu diesem Zeitpunkt verdient, und im Grunde war von der ersten Minute an zu sehen, welche Mannschaft sich am Ende durchsetzen würde. 2:0 (2:0), so lautete nach Treffern von Ronaldinho (13.) und Gudjohnsen (18.) das folgerichtige Resultat, mit dem sich der Titelverteidiger FC Barcelona doch noch ziemlich locker den Einzug ins Achtelfinale der Champions League sicherte, während für die Bremer Riesen die europäische Bühne erheblich geschrumpft ist. Als Gruppendritter müssen sie jetzt im Uefa-Cup weiterspielen.

Verzweifelte Bremer

,,Das achte Weltwunder'' wäre es, wenn Werder in dieser Gruppe weiterkäme, hatte Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandschef des FC Bayern, vor der Partie gesagt. Das klang extrem, stellte sich bald aber als realistische Einschätzung heraus, denn in der Tat war es mindestens eine Welt, die Barcelona und Bremen an diesem Abend trennte. Dabei mussten die Bremer eine Erfahrung machen, die keineswegs neu, aber immer wieder schmerzhaft ist: die Erfahrung, dass es ziemlich gemein ist, wenn ein Unentschieden zum Weiterkommen reicht.

In diesem Fall kam erschwerend der Gegner hinzu, denn wie man um Himmels willen spielt man Unentschieden gegen einen Gegner, den man weder durch zu defensives noch zu offensives Spiel einladen darf? Von Anfang an war zu erkennen, dass die Bremer verzweifelt versuchten, wie Bremen zu spielen; aber es gelang nur wenige Minuten.

Am Anfang sah es noch so aus, als könnte Werder den Gastgeber auf selber Augenhöhe begegnen, aber bald wurde sichtbar, dass die Bremer Probleme hatte, ihr Spiel zu justieren. Sie wollten einerseits offensiv spielen, andererseits bloß keine Bälle verlieren, und das verwirrte die sonst so selbstsicheren Bremer so, dass am Ende genau das Gegenteil herauskam: Sie fanden nie zu ihrer Offensive, weil Borowski und Frings viel zu früh die Bälle hergaben. Allein Diego mühte sich immer wieder um Akzente, aber das war zu wenig, um die Stürmer Klose und Almeida in Position zu bringen.

Mannschaften wie Barcelona haben ein Gespür dafür, wenn Gegner mit sich selbst kämpfen, und so waren die Spanier cool genug, um nach Ronaldinhos Treffer sofort nachzusetzen. Mit sicherem Auge erkannten sie die Schwachstellen auf den Bremer Außenverteidiger-Positionen, und mit gnadenloser Präzision stießen sie in die Lücken. Ronaldinhos meisterhafter Pass auf den rechten Flügel übertölpelte den unaufmerksamen Womé, der Giuly in seinem Rücken ignorierte. Giulys Hereingabe lenkte Gudjohnsen, der Mertesacker und Naldo entwischt war, zum 2:0 über die Linie (18.).

Barcelona war mit Abstand das bessere Werder, und gegen so einen Gegner wurde auch deutlich, was Werders Spiel noch fehlt: Körper. Viel zu selten kamen die Bremer in die Zweikämpfe, viel zu selten setzten sie ihren Gegenspielern zu. Vor allem Womé und Fritz gelang es nicht, Giuly und Ronaldinho zu stellen, und so kamen die Bremer nie zur Ruhe. Ihr Spiel blieb bemüht, aber zerfahren. Am Ende konnten sie froh sein, dass Giuly den Ball nach einer Hochgeschwindigkeitskombination über Deco und Gudjohnsen übers leere Tor drosch (35.).

Und Klose? Ja, Klose war auch dabei, aber er kam erst in der zweiten Hälfte vor, was vor allem daran lag, dass Barcelona nicht mehr richtig vorkam. Erstaunlich früh stellten die Spanier ihre Bemühungen ein und überließen Bremen das Feld. Barcelona nahm es in Kauf, dass Werder durch vermehrten Ballbesitz langsam ein Gefühl für dieses Spiel bekam, aber echter Kombinationsfluss wurde nie daraus. Zwar kamen Klose (Solo., 55.) und Almeida (60.) zu guten Chancen, und Jensens verunglückte Flanke klatschte ans Lattenkreuz (61.). Dennoch wirkte das Werder-Spiel ungewohnt bieder, zumal sie längst auch das Zutrauen in die eigene Kunst verlassen hatte.

Am Ende wird den Bremern der Trost bleiben, dass sie eine bemerkenswerte Vorrunde gespielt haben in dieser bemerkenswerten Gruppe. Sie dürfen sich ein bisschen als große Mannschaft fühlen. Aber sie haben schmerzlich erfahren müssen, dass es auch ganz, ganz große Mannschaften gibt.

© SZ vom 6.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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