Spiel für Flutopfer:Eigenwerbung für einen guten Zweck

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Der Benefiz-Kick in Gelsenkirchen bietet Unterhaltung und bringt vier Millionen Euro für die Tsunami-Opfer.

Von Philipp Selldorf

Fast wäre es gelungen, die Schweigeminute vor dem Benefizspiel zugunsten der Flutopfer in Asien tatsächlich als Akt des stillen Gedenkens zu vollenden. Aber eben nur fast, und so schloss die besinnliche Zeremonie in lautem Gelächter.

Christian Wörns (li) und Roy Makaay im Kampf um den Ball (Foto: Foto: dpa)

Es resultierte allerdings aus der Intervention eines Zwischenrufers, der den einzigen Störer im Stadion zur Ruhe gemahnt hatte ("Halt die Fresse") und blieb deswegen ein Fall von verzeihlicher Heiterkeit. Zumal Kenner schon befürchtet hatten, dass in der Schalker Nordkurve wie üblich zur Attacke geblasen würde.

Ohnehin hatten ja die Verantwortlichen der deutschen Fußballorganisationen oft genug betont, dass trotz des ernsten Anliegens der Spaß des Spiels nicht zu kurz kommen sollte, weshalb sich die Zuschauer unter dem geschlossenen Dach der Arena AufSchalke auch nicht davon abhalten ließen, die "Welle" zu machen.

Dazu gab es zwar in den ersten 20 Minuten wenig Anlass, denn die Partie startete zäh, doch gewann das Geschehen noch genug Schwung, um daraus einen gelungenen Abend zu machen, der mit einem 2:2 endete. So ging man in Harmonie auseinander, gemäß dem Motto "gegeneinander spielen - gemeinsam gewinnen".

Darum hatten sich alle Beteiligten aufrichtig bemüht: Der DFB und seine Nationalelf, deren Engagement Bundestrainer Klinsmann als "Pflicht unter der Rubrik Selbstverständlichkeit" einordnete; die ausländischen Bundesligaspieler, die der Einladung nach Gelsenkirchen ohne Ausnahme gefolgt waren (anders als bei einem ähnlichen Anlass vor anderthalb Jahren); der Gastgeber Schalke 04, der sein Stadion gratis bereit stellte, und dessen logistische Partner vom Wachdienst bis zum Vertragshotel, die ebenfalls kostenlos mitspielten; und nicht zu vergessen das Fernsehen, das wiederum die Bühne für die Sponsoren lieferte, so dass schließlich rund vier Millionen Euro für die Asien-Hilfe zusammenkamen.

Eine Mannschaft mit zwei Formationen aus 22 Männern

Die Menschen in den vom Seebeben betroffenen Gebieten, in Sri Lanka, Indien, Thailand und Indonesien, konnten sich am Bildschirm selbst ein Bild von den guten Absichten der Deutschen machen, allerdings mussten sie wegen des Zeitunterschieds mitten in der Nacht aufstehen, um die Partie zu genießen.

Was ihnen fußballerisch geboten wurde, konnte sich durchaus als Reklame der Bundesliga für den begehrten asiatischen Markt sehen lassen, ein bisschen Marktwirtschaft gehört ja auch dazu. All-Star-Trainer Huub Stevens, vom Gelsenkirchener Publikum herzlich begrüßt, hatte aus seinen 22 Männern zwei Formationen gebildet: Das Team für die erste Hälfte wurde von Roy Makaay angeführt, Marcelo Bordon war der Kapitän der Elf für den zweiten Durchgang.

Allerdings hatte Stevens nach Auffassung von Insidern glattweg gelogen, als er vor dem Anpfiff mit Engelsmiene beteuerte, dass "Gewinnen heute nicht das Allerwichtigste ist". Beim letzten Jux dieser Art, dem Spiel für die Geschädigten des Oder-Hochwassers, war er nämlich gar nicht erfreut über die 2:4-Niederlage gegen Deutschland, und auch diesmal sah man ihn nervös hin- und herrutschen, als die Schwarz-Weißen durch Bernd Schneider in Führung gingen (26.).

Der Ausgleich durch Makaay nach erstklassigem Doppelpass mit Marcelinho verschaffte ihm auch nur einen Moment Erleichterung. Im Gegenzug traf prompt der Schalker Gerald Asamoah, im Stolpern wie einst Gerd Müller.

Salihamidzic schwor seine Mitspieler ein

Auch Jürgen Klinsmann mischte nach der Pause seine Besetzung, lediglich der Lauterer Marco Engelhardt und der Schalker Debütant Christian Pander blieben auf dem Feld. Deutschland B tat sich schwerer als die A-Auswahl, bekam es aber auch mit einem starken Gegner zu tun, den ein großer Schalker Block dominierte (Bordon, Lincoln, Ailton, Kobiaschwili) und die Sache energisch anging.

Der gute, laut Stevens "unersetzliche" Hasan Salihamidzic schwor seine Mitspieler ein, als ob ein großer Pokal zu gewinnen wäre. Beide Seiten strengten sich dann auch anständig an, doch bedeutete Mintals Ausgleichstor einen der raren Höhepunkte der nur mäßig stimmungsvollen zweiten Hälfte.

Ein schöner Fußballabend wäre zurzeit aber nicht komplett ohne die aktuellen Quoten der Buchmacher. Das Wettbüro Intertops etwa zahlte 1,80 Euro per Euro Einsatz, falls die Deutschen den ersten Treffer erzielen sollten. Die Ehrengäste hatten an diesem Thema weniger Gefallen.

DFB-Chef Gerhard Mayer-Vorfelder ließ zuvor "nur Fragen zum Spiel" gelten, und Bayern-Manager Uli Hoeneß findet ohnehin, dass die Debatte um die Wettaffäre übertrieben ist: "Das ist ein Fehltritt von irgendeinem Idioten. Ein Einzelfall, wie es ihn immer wieder geben wird." Aber war es nicht ein klares Foul, das Arne Friedrich an Zé Roberto in der Schlussphase beging und das Schiedsrichter Herbert Fandel glatt ignorierte?

© SZ vom 26.01.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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