Spanischer Fußball:Es waren einmal zwei Freunde

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Der FC Barcelona gilt als heißeste Elf der Gegenwart - jetzt ist das Projekt gefährdet, weil sich die Verantwortlichen misstrauen.

Ronald Reng

Im Stadion Camp Nou sitzen sie direkt hintereinander. Joan Laporta, der Präsident des FC Barcelona, nimmt in der ersten Reihe der Ehrenloge Platz, Sandro Rosell, der Jugendfreund und Vizepräsident, eine Reihe dahinter.

Weltklassespieler (hier: Ronaldinho), amateurhafter Vorstand: Der FC Barcelona. (Foto: Foto: AP)

Wenn Rosell nicht aufpasst, stößt er mit seinem Knie gegen Laportas Rücken, so eng sitzen sie bei Barcas Heimspielen beisammen. Aber Distanz lässt sich nicht immer in Zentimetern messen.

Gemeinsam haben Laporta und Rosell einen der derzeit beachtlichsten Sporterfolge zu verantworten, die Wiederbelebung eines deprimierten Dinosauriers, des legendären Barca. Doch während die Fußballelf mit einem Sieg am Samstag gegen UD Levante nach sechs Jahren endlich wieder Spanischer Meister wäre, wird leicht übersehen, was der Erfolg kostet:

Besiegt die Eitelkeit die Ballzauberer?

die Freundschaft zwischen seinen beiden Machern. Die Macht verschleißt die, die sie haben. Auch bei Bayern München, zum Beispiel, hat die gemeinsame Macht persönliche Differenzen zwischen Franz Beckenbauer auf der einen sowie Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge auf der anderen Seite zutage gefördert.

Umso bemerkenswerter ist es, dass in München der Kurs des Vereins unter den Spannungen im Präsidium nie entscheidend gelitten hat. In Barcelona dagegen droht das junge Projekt Schaden zu nehmen, weil der Präsident und sein vermeintlich engster Vertrauter sich nur noch misstrauen. "Wenn wir das nicht korrigieren", sagte Rosell selbst, "schaffen es Egoismus und Eitelkeiten, dass wir am Erfolg zu Grunde gehen."

Es waren einmal zwei Freunde. Mit 18 nahm Rosell Laporta immer zum Training im Stadtteilklub Sant Andreu mit. Zwei Jahrzehnte später in einer heißen Juninacht 2003 gewannen sie als krasse Außenseiter Barcas Präsidentschaftswahlen.

Präsidenten in spanischen Fußballklubs sind gerne ältere Herren mit zweifelhaften Gewinnen aus der Baubranche und einem ausgeprägten Hang zum Alleinherrschen. Laporta stand für den radikalen Schnitt, für eine neue Zeit:

Wie John F. Kennedy

40 Jahre und noch jung, ein dynamischer Rechtsanwalt, das Lächeln von John F. Kennedy. Unzertrennlich an seiner Seite, gebildet und charmant, Rosell, der als ehemaliger Nike-Manager für Südamerika bestens vernetzt ist.

Sie machten gewiss nicht alles richtig. Eingeladen, an der renommierten London School of Economics einen Vortrag zu halten, referierte Laporta dort auf Katalan, obwohl er neben Spanisch auch Englisch beherrscht. Kaum jemand im Auditorium verstand ihn, statt wie geplant als glühender Heimatliebhaber stand er als Provinzheini da.

Doch im Großen hätte es niemand besser machen können: Sie übernahmen einen Klub, der von 193 Millionen Euro Schulden geknebelt und von einer heillosen Elf repräsentiert wurde. Heute ist Barca die heißeste Nummer des Fußballs. Eine Elf, die Fußball zaubert, angeführt von Ronaldinho und Deco, die Rosell auch dank seines Nike-Netzes engagieren konnte.

Barcas Jahresumsatz weist bei Einnahmen von knapp über 200 Millionen Euro wieder ein Plus aus, die Rückzahlung der Schulden wurde erfolgreich neu verhandelt. Von der chinesischen Regierung, so hieß es zuletzt, sollten 19 Millionen Euro dafür fließen, dass Barca erstmals in seiner Geschichte das Trikot für Werbung freigibt, für Peking 2008.

Schwärmerei für Franco?

Das ist nun dementiert - aber die Zahl steht für sich. Nur Juventus Turin verdient mit Trikotwerbung mehr als 19 Millionen. Doch Erfolg schützt nicht vor Eifersucht, Rechthaberei und Verbitterung. Im Gegenteil.

Der erste Streit kam auf, als Laporta seinen Schwager Alejandro Echevarría gegen Rosells Widerstand in den Vorstand berief. Echevarría wird Schwärmerei für Diktator Franco nachgesagt.

Dann wollte Rosell nach einem verkorksten Start in die Saison 2003/04 offenbar Portugals Nationaltrainer Luiz Scolari als Retter engagieren - Laporta bestimmte, mit Frank Rijkaard weiterzumachen. Rosell war gekränkt, dass Laporta ohne sein Wissen mit Ronaldinho über eine Vertragsverlängerung plauschte.

Laporta nervt es, dass Rosell ständig als alleiniger Broker des Ronaldinho-Deals gefeiert wird - Sandrinho nennen ihn die Medien. Irgendwann fühlte sich jeder vom anderen hintergangen. Im Präsidium stehen sich 13 Laportistas und vier Rosellistas gegenüber.

Nächtliche Aussprache

Im Januar kam es zum Eklat: Der engste Zirkel traf sich in einem Hotel, um über neue Spieler zu entscheiden. Rosell schlug Costinha vom FC Porto vor. Trainer Rijkaard war nicht begeistert. Laporta sagte, man müsse sehen. Tage später verpflichtete er Rijkaards Wunschspieler Demetrio Albertini. Rosell hatte er nicht informiert.

"Wir haben unsere persönliche Beziehung verloren", gestand Laporta danach. In einer Bar namens Dry Martini versuchten sie eine nächtliche Aussprache. Doch alles, worauf sie sich einigen konnten, war, die persönlichen Animositäten nicht in die Öffentlichkeit zu tragen.

So ist Rosell mit all seinen Fähigkeiten und Kontakten im Moment von den Entscheidungen ausgeschlossen. Dabei hatten sie solch einen viel versprechenden Ort für ihre Versöhnung gewählt. Der Privatsalon im Dry Martini, in dem sie sechs Stunden debattierten, heißt: Speak Easy.

© SZ vom 11.5.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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