Sonntagsspiel in der Bundesliga:Bayern gewinnt das Nordderby

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Beim Duell zwischen den norddeutschen Spitzenteams Werder Bremen und Hamburger SV bietet vor allem Werder ein beachtliches Spektakel.

Das 1:1 in einem energisch ausgefochtenen Derby bringt beiden Beteiligten nur mäßigen Nutzen, dem FC Bayern aber einen noch komfortableren Vorsprung in der Tabelle.

Trösten konnten sich die Anhänger der beiden Teams, dass sie ein packendes und auf hohem Niveau stehendes Spiel erlebt hatten, wobei die Hausherren eher Grund dazu besaßen, ihren verpassten Chancen nachzutrauern. Das Remis hatte sich der HSV mit einer selbstbewussten Vorstellung dennoch verdient.

"Es war alles drin, was ein Derby zu bieten hat", sagte HSV-Trainer Thomas Doll einigermaßen erleichtert, während sein Bremer Kollege Thomas Schaaf haderte: "Wir haben ein Klassespiel gemacht und hätten 4:0 führen müssen. Und dann haben wir es in der zweiten Halbzeit zugelassen, dass der HSV wieder ins Spiel kommt."

Bewerbung für die Premier League

Die Zuschauer im Weserstadion werden sich womöglich gewundert haben, dass die Partie von Anfang an aussah, als würde sie mit dem Ende beginnen.

Ohne taktischen Prolog startete das Spiel mit dem anarchischen Schwung einer typischen Schlussphase, und das lag vor allem an den Bremern, die drauflosstürmten, als ob sie fünf Tore aus dem Hinspiel aufholten müssten.

Sie legten ein Tempo vor, mit dem sie mühelos die Zulassung für die englische Premier League erhalten hätten, weit jenseits des üblichen Bundesligarhythmus'. Dabei sah es dringend danach aus, dass die beste Defensive der Liga (Hamburg, bis dahin nur acht Gegentore) die Begegnung mit der besten Offensive (Bremen, 45 Treffer) nicht ohne Schaden überstehen könnte.

Zwei Minuten waren absolviert, da begab sich Miroslav Klose auf einem Sololauf mit Ball, der ihn bis an den Hamburger Fünf-Meter-Raum führte. Torwart Sascha Kirschstein musste die vereinten Kräfte seiner Abwehrspieler hinzuziehen, um den Vorstoß aufzuhalten. Danach musste der stark haltende Kirschstein selbst ran.

Niemals langweilig

Das hatte den Vorteil, dass es ihm niemals langweilig wurde, und den Nachteil, dass sein Tor ständig akut bedroht war. Einen Kopfball von Klose und einen Schuss von der Strafraumgrenze stoppte er mit Hechtparaden, ein Versuch von Torsten Frings flog knapp über die Latte, und einen Angriff von Valdez fingerte der Schlussmann gerade noch aus der gefährdeten Ecke.

Werder bot wirklich ein beachtliches Spektakel und wollte sich den Spaß auch dadurch nicht nehmen lassen, dass der HSV allmählich ins Spiel fand. Ernsthaft gefahrbringende Gegenangriffe blieben jedoch trotz verstärkter Anstrengungen aus.

Trainer Doll hatte lediglich Lauth in vorderster Linie postiert und dahinter ein entsprechend verstärktes Mittelfeld formiert. Dort - im Zentrum des Platzes - spielten sich jetzt die wesentlichen Dinge ab, häufig in Form von kleinen und größeren Gemeinheiten, denn es war ein hartes Spiel, besonders seitens der äußerst kämpferisch gestimmten Bremer.

Torszenen gab es nun zwar in nicht mehr ganz so schneller Folge, aber immer noch genügend. Attraktive Verrücktheiten inbegriffen: So schoss Frings aus 40 Metern einen Freistoß über Kirschstein hinweg gegen den Pfosten. Nach 39 Minuten schien die Bremern Führung nahe. Kirschstein hatte einen Fehler von Atouba korrigiert, indem er Klose zu Fall brachte.

Elfmeter vergurkt, Freistoß getroffen

Zur Ausführung des Strafstoßes meldete sich Le Chef persönlich, obwohl er in dieser Saison bereits einen Elfmeter vergeben hat. Seinen zweiten Versuch stoppte der erstaunliche Kirschstein mit den Fäusten.

Micoud hatte jedoch keine Zeit, sein Leid zu beklagen, denn schon fünf Minuten später musste er jubeln. Sein Freistoß aus der Flügelposition ins lange Eck war ein Meisterwerk (45.) und bedeutete außer der Rehabilitation für den Franzosen die hochverdiente Bremer 1:0-Pausenführung.

Die Frage war nun: Würden die Bremer weiterhin das wahnwitzige Tempo gehen und die Kontrolle über den Gegner behalten können? Sie konnten nicht. Pünktlich mit dem Wiederanpfiff übernahm der HSV das Kommando.

Jetzt drängten die Hamburger ihren Widersacher in die Defensive, Werder beschränkte sich auf Konter und auf eine leidenschaftliche, gelegentlich auch übertriebener Gegenwehr (wie die sich häufenden Gelben Karten belegten). Was die Konter anging, hatte Frings die schönste Chance zum 2:0, doch wieder war Torwart Kirschstein im Weg.

Es folgte dem gewandelten Spielverlauf, dass der HSV wenig später zum Ausgleich fand. Der eingewechselte Angreifer Kucukovic schob aus nächster Nähe ins Tor, eine Lücke im Bremer Abwehrsystem nutzend (67.). Danach ging der Schlagabtausch munter weiter, aber einen anderen Sieger als die Bayern konnte die Klassepartie trotz etlicher weiterer Aufregungen nicht mehr ermitteln.

© SZ vom 20.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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