Skispringen von der Großschanze:Österreichische Adler und Deutsche Spatzen

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Der Skandal um Alexander Herr hat die deutschen Skispringer offenbar gelähmt. Zwei Österreicher sprangen allen vorweg, der Deutsche Michael Uhrmann belegte nur den 16. Platz. "Die Hoffnung stirbt zuletzt", sagte er.

Der Skandal um Alexander Herr hat die deutschen Skispringer bei der Weitenjagd offenbar gelähmt.

Beim Gold-Triumph von Thomas Morgenstern (Österreich), der mit 140 m den weitesten Sprung der Olympia-Geschichte stand, belegte Michael Neumayer (Berchtesgaden) von der Großschanze in Pragelato als bester DSV-Springer nur den 11. Platz.

Silber holte Andreas Kofler, der damit den Doppelsieg für das "Team Austria" perfekt machte. Am Ende fehlten Kofler nur 0,1 Punkte oder umgerechnet 5,5 Zentimeter zum Flug ins Glück. Bronze sicherte sich Normalschanzen-Olympiasieger Lars Bystöl (Norwegen).

Schmitt stürzt ab

Der viermalige Weltmeister Martin Schmitt (Furtwangen), dessen Nominierung zu dem Hauskrach und dem Rauswurf Herrs geführte hatte, versagte auf der ganzen Linie und stürzte auf Rang 19 ab. Für seine Sprünge auf 116,5 und 125,5 m erhielt er 212,6 Punkte.

Die letzte Medaillenchance haben die deutschen Skispringer somit am Montag im Mannschaftsspringen, in dem das Team von Bundestrainer Peter Rohwein als Olympiasieger von 2002 antritt.

"Ich wollte unbedingt eine Medaille", sagte Michael Uhrmann (Rastbüchl) der bei der Olympia-Probe vor einem Jahr auf Platz zwei geflogen war. Auf der Normalschanze hatte er als unglücklicher Vierter nur um 25 Zentmeter Bronze vorpasst, diesmal fehlte ihm wesentlich mehr zur ersten deutschen Olympia-Medaille auf der Großschanze seit zwölf Jahren.

Mehr als Rang 16 war für Uhrmann diesmal nicht drin (214,9/121 + 122). Georg Späth (Oberstdorf) wurde 20. (212,2/122+119,5). Ein ähnlich schwaches deutsches Olympia-Resultat hatte es zuletzt 1998 in Nagano gegeben, als Dieter Thoma auf Rang zwölf gelandet war.

"Die Hoffnung stirbt zuletzt"

"Die Hoffnung stirbt zuletzt", meinte Uhrmann: "Jetzt wird am Sonntag trainiert, um die Fehler abzustellen." Morgenstern und Kofler sorgten für den dritten Doppelsieg für Österreichs Skispringer in der olympischen Geschichte nach 1976 und 1992.

Morgenstern holte sich mit der Gesamtnote 276,9 sein erstes Olympia-Gold, es war zugleich das erste für Austria vom großen Bakken seit Karl Schnabl 1976 in Innsbruck.

Martin Schmitt, der auf der Normalschanze nur zugeschaut hatte, schüttelte nach dem ersten Sprung mit nagelneuen Skiern frustriert den Kopf. Es erreichte nur mit Ach und Krach als 27. das Finale der besten 30.

"Das waren nicht meine besten Sprünge", meinte der 28-Jährige, dessen Nominierung an Stelle von Herr den Skandal im deutschen Lager ausgelöst hatte: "Natürlich gab es ein bisschen Wirbel, das kann man nicht ganz ausblenden." Aber jetzt würde wieder Ruhe im Team herrschen.

Na also: Am Wind lag's

"Wir haben halt derzeit keinen Medaillenkandidaten. Weder die Sprünge noch der Wind haben gestimmt", erklärte Jens Weißflog. Der Oberwiesenthaler hatte vor 12 Jahren mit Gold in Lillehammer die letzte deutsche Olympia-Medaille auf der Großschanze gewonnen.

Der Wirbel um den Rauswurf von Alexander Herr hatte jede Menge Unruhe in die deutsche Mannschaft gebracht. Nach einem Gespräch mit dem von ihm der Inkompetenz beschuldigten Bundestrainer Peter Rohwein packte der Schwarzwälder seine Koffer, stieg in das Wohnmobil seiner Familie und düste mit seiner Freundin Richtung Deutschland.

"Er hat gesagt, dass ihn das Teamspringen nicht interessiert und die anderen doch alleine springen sollen. Wir sind einfach auf keinen grünen Zweig gekommen", berichtete Rohwein. Der Deutsche Skiverband (DSV) hatte nach einer Krisensitzung am Abend zuvor mit dem Ausschluss von Herr auf den größten Skandal im deutschen Skispringen seit 13 Jahren reagiert.

"Alexander Herr hat klar gegen die Spielregeln des Sports verstoßen, und das mehrfach. Er hat endgültig seinen Kredit verspielt. Er hat in der Mannschaft nichts mehr zu suchen", sagte DSV-Präsident Alfons Hörmann.

Damit steht den deutschen Skispringern für die letzte und größte Medaillenchance bei der Team-Entscheidung am Montag kein Ersatzmann zur Verfügung - im Fall einer Krankheit oder Verletzung wäre der Olympiasieger von 2002 zum Rückzug gezwungen.

Hörmann: "In letzter Konsequenz würden wir aufs Springen verzichten." Die letzten Winterspiele ohne deutsche Skispringer-Medaille hatte es vor 14 Jahren in Albertville gegeben.

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