Skispringen:Abschied eines Fliegers

Lesezeit: 3 min

Eineinhalb Jahre nach seinem Ausstieg wegen Erschöpfungssyndroms erklärt Sven Hannawald seine Skisprung-Karriere für beendet.

Von Thomas Hahn

München - Es ist erstaunlich, wie selbst das Vorhersehbare noch als Überraschung daherkommen kann. Die Meldung jedenfalls, dass der Skispringer Sven Hannawald seine sportliche Karriere beendet, traf am gestrigen Mittwochnachmittag ziemlich unvermutet ein, obwohl sie doch längst überfälig war.

Will nicht mehr: Sven Hannawald. (Foto: Foto: dpa)

Denn wie hätte dieser hochbegabte Flieger nach einer vergangenen Saison, die er an das Burn-out-Syndrom verloren hatte, und nach einem verpassten Trainingsauftakt im Mai noch einmal den Anschluss schaffen können an die weltbesten Schanzensportler?

Tatsächlich hatte man diesen Rücktritt schon viel früher erwartet, aber als die Springermannschaft des Deutschen Skiverbandes (DSV) vor drei Monaten offiziell ins Sommertraining einstieg und Hannawald noch immer vage Bekenntnisse zu einer Rückkehr abgab, lag die Vermutung nahe, dass er und sein Manager Werner Heinz diese Karriere erst im nächsten Jahr offiziell beenden würden, wenn die letzten Sponsorenverträge ausliefen.

Sie haben es nun doch früher getan, mit einer Begründung, welche die Logik des Leistungssports spiegelte: Nach der ausgedehnten und letztlich erfolgreichen Behandlung seines Erschöpfungssyndroms, würde es zu lange dauern, bis er seine einstige Form wieder erreicht habe.

Zugeständnis an die Zeit

So hieß es im Text seiner Mitteilung. Hannawald, 30, hatte endlich das nötige Zugeständnis an die Zeit gemacht und das wird nicht nur ihm gut tun, es dürfte auch für seine früheren Kaderkollegen eine kleine Erleichterung sein.

Denn so ein halb zurückgetretener Hannawald wäre ihnen in der olympischen Saison bestimmt nicht hilfreich gewesen. Die Fragen nach Hannawald, vor allem die Interpretationen der Antworten dazu lieferten in den vergangenen Monaten immer wieder den Stoff für zornige Boulevard-Schlagzeilen und Ärger bei den Fans, weil sie ihren anfälligen Liebling vom Deutschen Skiverband (DSV) mit Ultimaten und Mindestforderungen unter Druck gesetzt sahen.

In Wirklichkeit ist man gerade beim DSV ziemlich fürsorglich mit Hannawald umgegangen, hat ihn eben nicht gedrängt, sondern nur versucht die Pläne des Bundestrainers Peter Rohwein mit den seinen abzugleichen.

Überhaupt muss man sagen, dass der gesamte Sport- und Medienbetrieb mit großer Vernunft und ohne falsche Zwischentöne reagierte, als Hannawald im Frühsommer 2004 auf seine ewige Müdigkeit reagierte und sich in Behandlung begab.

Diesen Respekt hat sich Sven Hannawald allerdings auch verdient durch sein Wirken, das in seiner besten Zeit, wie das perfekte Schauspiel wirkte zwischen hoher Begeisterung und tiefer Trauer.

Hannawald ist kein großer Redner gewesen, sein Witz wirkte manchmal etwas bemüht und dass die Ansprüche an ihn als öffentliche Person überforderten, hat ja dann auch seine Laufbahn beendet.

Aber seine sportliche Begabung war außergewöhnlich, wenn sie auch seine Zeit brauchte, ehe sie zur vollen Blüte kam. 1997 wollte der DSV ihn schon aussortieren; nur die Fürsprache des damaligen Bundestrainers Reinhard Heß rettete ihm seinen Platz im Kader.

Und danach gab es teilweise dramatische Ausfälle, den schlimmsten 1998: Er musste im Sommer eine ausgedehnte Auszeit nehmen, weil sein magerer Körper im zehrenden Springeralltags einknickte.

Er hatte sich endlich erste Meriten als angehender Popstar des Wintersports verdient, als sein Schwarzwälder Trainingspartner Martin Schmitt 1999 Doppelweltmeister wurde und Weltcupsiege in Serie verzeichnete und ihn wieder in den Schatten stellte.

Eine Zeit lang galt er als der grübelnde Adjutant Schmitts, der stetige Krisen auszuarbeiten hatte und nur phasenweise brillierte. Erst 2000 schien er sich etwas zu emanzipieren, als er Skiflug-Weltmeister wurde.

Er ist ein sagenhafter Flieger gewesen, keiner beherrschte das Spiel mit dem Wind so gut wie er, aber seine größte Zeit begann erst, als Heimtrainer Wolfgang Steiert ihm ein verschärfteres Krafttraining verschrieb.

Die Saison 2001/2002 verlief für ihn wie ein Traum und sie brachte dem Skisprung in Deutschland eine Popularität, die wohl auf lange Zeit unerreicht bleiben wird. Die Vierschanzentournee endete für ihn als Triumph.

In Bischofshofen gewann er als erster Skispringer auch die vierte Etappe. In Salt Lake City wurde er Olympia-Zweiter sowie -Sieger mit der Mannschaft, kurz darauf Skiflkug-Weltmeister . Seine Flughöhe war schwindelerregend, und auch wenn er im Jahr darauf noch ein paar Mal im Weltcup gewann, so ganz hat er sich davon nie mehr erholt.

Verzweifelter Held

Er ließ nur noch die höchsten Ansprüche gelten, verkrampfte und arbeitete sich auf in seinem Frust über verlorene Meter und die schwindende Sympathie. Die Saison 2003/2004, seine letzte als Aktiver, endete in Verzweiflung.

Er floh frühzeitig aus der Mannschaft und stellte bald fest, dass er nicht mehr konnte. Er war mutig genug, um Hilfe zu suchen, und man darf wohl annehmen, dass er damals schon diesen Abschied vom Skispringen nahm, den er jetzt erst, eineinhalb Jahre nach seinem Verschwinden, offiziell vollzogen hat.

© SZ vom 4.8.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: