Ski alpin:Ausflug zum Dubaier Gletscher

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Bei 30 Grad plus denken Maria Riesch & Co. an den Winter - und finden Schnee nur in Arabien. Ein Umbruch im deutschen Team steht bevor.

Wolfgang Gärner

Sie haben den Winter immer im Kopf, auch wenn das absurd wirkt, weil der letzte für sie schon vier Monate zurückliegt und es bis zum nächsten noch mal genau so lang dauert, vor allem aber: bei 30 Grad im Schatten. Noch schwerer fiel es den deutschen alpinen Frauen nach dem letzten Sommerlehrgang in Oberstdorf, als sie eigentlich nur für zwei Tage nach Hause fahren sollten, Klamotten tauschen, und dann: Ab in den Schnee - im Ötztal sehen wir uns wieder!

Die Skihalle in Dubai (Foto: Foto: AP)

Es wurde aber nichts aus dem schnellen Wiedersehen, denn inzwischen hatten die Söldener sich dem Klima gebeugt und ihr Sommerskigebiet nolens volens zugesperrt. Cheftrainer Mathias Berthold forschte weiter nach Schnee und wurde schließlich fündig im Kärntner Mölltal, wo sie sich den Gletscher zwei Tage mit den Österreicherinnen teilten.

"Es ging überraschend gut", berichtet der Coach, von halb sieben morgens bis elf Uhr vormittags konnten sie trainieren. Besonders erfreulich fielen die Übungsfahrten für Maria Riesch, die sieben Monate nach ihrem Kreuzbandriss von Aspen erstmals wieder offiziell auf Ski stand und Riesenslalomkurven fuhr: schmerzfrei, auch nicht mehr behindert von einer Sehnenreizung, die ihr in den vergangenen Wochen noch zu schaffen machte.

Nun wird es aber schwieriger mit dem Vorhaben, den Winter zu simulieren: Am Stilfser Joch gäbe es noch einen Hang mit Skibetrieb, aber auf den rieseln vom Ortler die Steine herunter, was die Serviceleute gar nicht schätzen.

Wenn man in den Alpen nicht Slalom fahren kann, muss man sich nach einer anderen Möglichkeit umsehen, eine exotische haben Berthold und sein Vorgänger und jetziger Chef Wolfgang Maier vor drei Wochen in Augenschein genommen: die Skihalle in Dubai. Dort ist für kommende Woche ein viertägiger Intensivkurs im Spezialtorlauf vorgesehen.

Kein Gag, beteuert der Trainer, "der Hang ist 400 Meter lang und hat 120 Meter Höhenunterschied. Beeindruckend - ich habe eine Stunde lang den Mund nicht mehr zugekriegt." Für den Skiverband werde der Trip (zwölf Fahrerinnen, acht Betreuer) nicht übermäßig zu Buche schlagen, versichert Berthold, die Scheichs lassen sich für eine gute PR nicht lumpen, darf vermutet werden.

Neue Rollenverteilung

"Es ist eine neue Situation", sagt Berthold, und meint nicht den Umstand, dass sie den Winter jetzt in Arabien suchen, sondern den Zustand seines Teams: "Total im Umbruch."

Hilde Gerg und Martina Ertl haben aufgehört, für Maria Riesch als designierte Medaillenfahrerin war nach zwei Kreuzbandrissen der vorletzte Winter zu zwei Dritteln und der vergangene fast komplett ausgefallen. "Jetzt ergibt sich die Rollenverteilung neu."

Womöglich sei das der Grund dafür gewesen, "dass im Konditionslehrgang so brutal gerackert wird, wie ich es in meinen bisherigen drei Jahren bei der Mannschaft nie erlebt habe. Die Jammerei wie früher - zu viel Gewicht, zu viele Wiederholungen - die gibt's nicht mehr.

Die Angelegenheit hat eine Dynamik angenommen, die ich mir erhofft, aber nicht erwartet hatte."

Der letzte Winter war kaum vorüber, da begannen sie schon mit der Arbeit für den nächsten: Anfang Mai auf Rennrädern in Riccione, anschließend waren sie zweimal Skifahren im Pitz- und Kaunertal, schließlich rückten sie zum Sommer-Konditionslehrgang in Oberstdorf ein.

Der Gymnastik der jungen Frauen am dortigen Hotelpool schaute stark nach Luxus-Wellness aus, aber wenn sie auf den Gymnastikmatten am Pool lagen, hatten sie den ersten Teil der Arbeit längst hinter sich gebracht im Kraftraum des Olympiastützpunktes. Am Nachmittag konnte eine Ausdauereinheit wahlweise joggend oder per Mountainbike absolviert werden.

Abends bekamen die jungen Frauen zwei Stunden Eishockey-Unterricht von Peter Draisaitl, der Zweitligacoach in Regensburg ist und ein guter Freund von Berthold, allergrößte Bekanntheit aber durch seinen Fehlversuch im Penaltyschießen des olympischen Viertelfinals 1992 gegen Kanada erlangte. Zwischendurch baten örtliche Alpinausbilder zum Kletterkurs.

Geklettert wurde früher auch schon, zum Beispiel vor neun Jahren in Flirsch am Arlberg. Als Cheftrainer war damals soeben Wolfgang Maier angetreten, bis dahin Torlaufcoach, und im Winter darauf feierte die Mannschaft bei Olympia in Nagano den größten Erfolg ihrer Geschichte.

2006 ist neuer Cheftrainer der Österreicher Mathias Berthold, bisher Torlaufcoach, aber die Mannschaft steht nicht vor der Krönung, sondern am Anfang. Diese Situation fordere eine spezielle und konsequente Taktik, sagt Berthold: "Es gibt keine Stars, keine Sonderrechte. Alle sind gleich. Wenn wir jetzt als Mannschaft stark sind, wird das im Winter jeder einzelnen zugute kommen. Der Anfang ist geglückt, jetzt müssen wir schauen, dass die Dynamik so weiter geht."

Erst mal in Dubai, wo Winter in der Halle ist, Ende August in Argentinien im Winter der südlichen Hemisphäre. Egal: Sie haben den Winter ohnehin immer im Kopf.

© SZ vom 26.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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