Sieg durch Tor in der Nachspielzeit:Höchste Rumpeldosis

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Reingestolpert: Schalke wird's egal sein, Guido Burgstaller (rechts) gelingt das späte 1:0 gegen Ingolstadt. (Foto: Lars Baron/Getty Images)

Schalke 04 startet spielerisch schlecht, aber erfolgreich ins neue Bundesliga-Jahr. Das 1:0 gegen Ingolstadt fällt erst nach diversen Umstellungen - durch den Wintereinkauf Guido Burgstaller.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Am Freitagabend um kurz vor neun kam aus Zürich der Bescheid der Fifa-Disziplinarkommission, dass Eric Maxim Choupo-Moting am Punktspiel gegen den FC Ingolstadt am nächsten Tag teilnehmen dürfe. Bei Schalke 04 war man von dieser Mitteilung gleichermaßen überrascht wie erfreut, aber der bürokratische Ärger um den Angreifer ist offenbar noch nicht ausgestanden. Manager Christian Heidel erklärte, dass der kamerunische Fußballverband wegen der Absage Choupo-Motings für den Afrika-Cup Schadenersatz sowie eine Geldbuße für Schalke fordert. Man stellt sich, das bekamen die Gelsenkirchener schriftlich, eine Zahlung von drei Millionen Euro vor - "für einen Spieler, der gar nicht zum Afrika Cup eingeladen wurde", wie Heidel anmerkte.

Auch sonst liefert das Turnier in Gabun den Schalkern schlechte Nachrichten. Wie die weiteren Untersuchungen ergaben, hat Verteidiger Abdul Rahman Baba beim Einsatz für Ghana einen Kreuzbandriss erlitten, was sein Saisonaus bedeutet. Der nächste bittere Verlust nach den langfristigen Ausfällen von Embolo, Coke, di Santo und Huntelaar. Ob Baba, Leihgabe des FC Chelsea, nochmal für Schalke spielen wird, ist ungewiss, aber eher unwahrscheinlich.

"Dass es ein glücklicher Sieg war, das wissen wir auch"

Auch die Partie gegen Ingolstadt war nicht geeignet, die Stimmung in Gelsenkirchen zu heben. Der Gegner aus Oberbayern machte seinem Ruf alle Ehre und bewährte sich als versierter Spielverderber. Als mancher Königsblaue schon enttäuscht über die hohe Dosis Rumpelfußball den Heimweg angetreten hatte, kam dann doch noch das versöhnliche Ende für die Hausherren: Guido Burgstaller erzielte in der Nachspielzeit das Tor des Tages zum 1:0-Sieg. Mit langem Bein bugsierte er einen Querschläger an Torwart Hansen vorbei über die Linie - ein Treffer, der nicht in der Auswahl zum Tor des Monats vorkommen wird, aber zumindest Stoff für ein paar goldene Erinnerungen an den Start ins nächste Fußballjahr bietet. Burgstaller war erst in der vorigen Woche aus Nürnberg nach Schalke gewechselt, seine Verpflichtung hatte den Erwartungshorizont im Publikum allenfalls geringfügig erweitert.

Dass ein österreichischer Zweitligatorjäger im fortgeschrittenen Fußballeralter von 27 Jahren stellvertretend den Job von Huntelaar & Co erledigen könnte, das überforderte das Vorstellungsvermögen vieler Schalker. Hier und da gab es spöttische Reminiszenzen an den legendären Mittelstürmer Edi Glieder, den Rudi Assauer einst aus Pasching ins Ruhrgebiet holte. Am Samstag galt der Dank des Trainers Markus Weinzierl dem neuen Mann: "Ich bin unheimlich froh, dass wir gewonnen haben", sagte er, "wir haben nicht gut gespielt, das wissen wir. Und dass es ein glücklicher Sieg war, das wissen wir auch." Und auch das weiß er ganz genau: Um die Tabelle von hinten aufzurollen, wird sich Schalke gewaltig steigern müssen.

Weinzierl hatte Burgstaller erst zur Pause den Einsatzbefehl erteilt. Er reagierte damit auf das schwache Sturmspiel seiner Mannschaft, die es kaum einmal schaffte, gefährlich vor das Ingolstädter Tor zu kommen. Schalke führte öfter den Ball, näher am 1:0 waren allerdings die Gäste, doch Almog Cohen ließ die große Möglichkeit aus, die ihm Mathew Leckie vorbildlich aufgelegt hatte. Statt den Ball mit Anlauf aufs Ziel zu knallen, schob er ihn in die Beine des erstbesten Verteidigers (27. Minute). Aufregende Momente wie dieser kamen ansonsten selten vor, Schalke bot Einsatz, aber ein unstrukturiertes Spiel, Ingolstadt hatte wenig Mühe, die defensive Ordnung zu halten.

Penetrante Vakanz im Strafraum - bis Burgstaller kommt

Heikel wurde es für sie nur dann, wenn Sead Kolasinac über die linke Seite in den Strafraum stürmte, doch fehlten ihm jedes Mal die Anspielstellen am zweiten Pfosten oder im Rücken der Abwehr. Choupo-Moting, die vorgesehene Sturmspitze, konnte die Vakanz im Strafraum nicht beheben, weil er seine Freiräume meistens auf den Flügeln suchte - und demzufolge dort fehlte, wo er am meisten gebraucht wurde. "Wir konnten uns in der vorderen Reihe nicht behaupten, da müssen wir uns steigern", sagte Weinzierl, "mit der Einwechslung von Burgstaller und Avdijaj wurde es besser." Die Einsatzkräfte aus der Hinterhand entfalteten in der Tat viel Wirkung, nicht nur wegen des Siegtreffers.

Um Platz für Burgstaller zu schaffen, rüstete Weinzierl in der Defensivabteilung ab. Auch die Einwechslung von Donis Avdijaj für den bemühten, aber ineffektiven Max Meyer war tendenziell mutig. Die Beschleunigung der Offensive, die sich mit dem 20-Jährigen umgehend einstellte, gab dem Trainer recht. Das Schalker Spiel war in der zweiten Halbzeit nicht viel besser als in der ersten, es entwickelte aber zumindest mehr Zuspitzung nach vorn und hin und wieder sogar Momente von Torgefahr. Burgstaller hätte das 1:0 bereits in der 69. Minute schießen können, sein Kopfball verfehlte das Tor jedoch knapp. Auch an der besten Chance der Partie hatte der Neuling seinen Anteil, als er Avdijaj den Ball zum Einschuss bereitlegte - doch der Junior-Angreifer verkantete, und Marvin Matip klärte stellvertretend für seinen Torwart die Situation (82.).

Weinzierl forcierte durch die Einwechslung von Konopljanka noch mal die Angriffskapazitäten - und in vorletzter Minute gab es den Lohn für die Bereitschaft, alles zu wagen. Burgstaller, der Held des Tages, konnte sein Glück kaum fassen: "Ich habe immer gehofft, dass ich noch eine Torchance bekomme", sagte er. Nach 45 Einsatzminuten im Dienst der Königsblauen fühlt er sich prompt angekommen: "Das ist ein überragend geiles Gefühl, wenn du in der Nachspielzeit vor der blauen Wand treffen kannst", schwärmte er.

© SZ vom 22.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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